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Arbeitswelt
Gesundheit

Aktion 20.000: Warum das Projekt nicht so schlecht war, wie es das Arbeitsministerium hinstellen möchte

Das Arbeitsministerium hat eine neue Studie über die “Aktion 20.000” veröffentlicht. In einer Aussendung dazu wird gleich in der Unterzeile klargestellt: Aus Sicht des Arbeitsministeriums sei dies “kein Instrument für Bewältigung der Corona-Krise am Arbeitsmarkt”. Die Beurteilung durch das ÖVP-Ministerium ist etwas verwunderlich, denn die Bilanz fällt nicht einmal in der präsentierten Studie schlecht aus.
Um die “Aktion 20.000” gab es von Beginn an parteipolitischen Kleinkrieg: Das Beschäftigungsprojekt für Langzeitarbeitslose im Alter von über fünfzig Jahre wurde Mitte 2017 von SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern initiiert: Zwei Jahre lang bekamen rund 20.000 ältere Langzeitarbeitslose Jobs, die mit Steuergeld finanziert wurden. So sollten sie wieder am Arbeitsmarkt Fuß fassen. 

Kaum war die türkis-blaue Regierung an der Macht, wurde das Prestigeprojekt des roten Kanzlers nach nur 4.000 vergebenen Jobs schnell wieder eingestellt. Begründung: Zu teuer und zu wenig effektiv. Die Gegenseite konterte mit harscher Kritik und Empörung.

 

Aktion 20.000: Von den einen verteufelt, von den anderen bejubelt

Kein Wunder also, dass das Arbeitsministerium, das nun in Hand der ÖVP ist, die Aktion in kein rühmliches Licht stellen will. Wer will schon ein Pilotprojekt einer gegnerischen Partei lobpreisen.

Doch haben sich die hohen Kosten der “Aktion 20.000” am Ende tatsächlich nicht rentiert? Wir haben uns das genauer angesehen.

 

#1 Rund ein Drittel fand nach Aktion 20.000 einen Job

Langzeitarbeitslose über fünfzig Jahren haben es grundsätzlich am Arbeitsmarkt schwer. Nur jeder zehnte findet überhaupt einen Job. Ein Viertel flüchtet sich in die Frühpension. Nach der “Aktion 20.000” war jedoch jeder oder jede dritte TeilnehmerIn in einem regulären Beschäftigungsverhältnis. Das waren dreimal so viele wie in der Vergleichsgruppe.

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#2 Manche Gruppen von Langzeitsarbeitslosen hat stark profitiert

Die besagte IHS-Studie, die gerade veröffentlicht wurde, hat die “Aktion 20.000” auf rein fiskalische, also finanziellen Aspekte hin überprüft. Also, ob die vergleichsweise hohen Kosten sich auch am Ende rentieren. Auf die sozialen Vorteile der Aktion wurde hier gar nicht Rücksicht genommen – das hat sich eine andere Studie angesehen, zu der wir noch später kommen. 

Doch schon die finanzielle Analyse ergibt bei einer genauen Betrachtung, dass sich zumindest bei manchen Gruppen von Langzeitarbeitslosen durchaus eine positive Kosten-Nutzen-Rechnung ergeben hat. Vor allem Frauen ab 55 mit gesundheitlichen Einschränkungen haben sehr von der Aktion profitiert. “Bestimmte Elemente können aus einer sehr engen fiskalischen Sicht positiv bewertet werden,” meint auch Studienleiter Dominik Walch.

Alleine die Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt sind wertvoll. Anstatt es sofort einzustampfen hätte die “Aktion 20.000” zumindest für gewisse Gruppen durchaus fortgesetzt werden können.

 

#3 Wirklicher Nutzen der Aktion 20.000 erst in Jahren absehbar

Ein weiterer Aspekt, der ausgeblendet wird: Die Studie untersucht nur die sechs Monate nach Auslaufen der “Aktion 20.000”. Dabei ist jedoch eine langfristige Beobachtung nötig, um den wahren Erfolg oder Misserfolg einschätzen zu können. 

Zumindest vor der Corona-Krise sah es so aus, als würden die meisten TeilnehmerInnen, die nach der “Aktion 20.000” einen Job hatten, diesen auch behalten. Wenn diese Gruppe tatsächlich auch die nächsten vier Jahre lang in Beschäftigung bleiben würde, so hätten sich die Kosten der Aktion bereits rentiert. 

 

#4 Soziale Effekte der “Aktion 20.000” werden in Studie gar nicht berücksichtigt

Im Gegensatz zu der aktuellen IHS-Studie hat eine weitere Untersuchung sehr wohl die sozialen Aspekte der “Aktion 20.000” berücksichtigt. Die psycho-sozialen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit sind fatal: Je länger jemand arbeitslos ist, desto schwieriger wird die Jobsuche. Das Wohlbefinden sinkt, viele Betroffene ziehen sich zurück. Die Kosten müssen diese Menschen persönlich und wir alle mit ihnen durch steigende Gesundheitsausgaben und Frühpensionen tragen. 

Viele von den TeilnehmerInnen hatten vor der Aktion bereits alle Hoffnung aufgegeben: Nur 14% dachten, dass sie nach Ende des Projektes einen Job am regulären Arbeitsmarkt finden würden. 

Das Projekt hat auch indirekte, positive Effekte gebracht, erklärt Studienleiterin Trude Hausegger: “Vor allem Personen über 55 Jahre finden oft trotz hoher Qualifikation einfach keinen Job. Nur durch so ein Projekt bekommen sie die Möglichkeit zu zeigen, was sie können.” Die “Aktion 20.000” erwies sich als eine gute Maßnahme gegen Altersdiskriminierung insgesamt: So werden Vorurteile abgebaut und die Hürden am Arbeitsmarkt für zukünftige, ältere Langzeitarbeitslose abgebaut.

 

5# Aufgrund der Corona-Krise braucht es mehr Projekte wie die “Aktion 20.000”

Beim Arbeitsmarktgipfel Mitte September machten die türkisen Minister auf dem Arbeitsmarktgipfel ihre Position klar. “Beschäftigung im öffentlichen Sektor ist nicht die Lösung. Wir müssen Beschäftigung in den Betrieben schaffen,” meinte etwa ÖVP-Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck. 

Vor allem mit Investitionsprämien sollen Betriebe motiviert werden, Menschen anzustellen. Doch ob das reicht, ist fraglich. Im Gegenteil zeigt sich sogar, dass viele Betriebe in Österreich sogar Stellen abbauen wollen, wie etwa der deutsche Lastwagenbauer MAN, der sogar überlegt seinen Standort in Steyr zu schließen. 

Deshalb bedarf es vieler Maßnahmen und Interventionen, um die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Geförderte Arbeitsplätze sind nur ein wichtiger Baustein, ist auch Soziologin Trude Hausegger überzeugt: „Die Aktion 20.000 würde bei jenen, die am Arbeitsmarkt besonders benachteiligt sind, gute Wirkungen zeigen. Das haben beide Studien gezeigt. Dabei hat es sich vor allem um Menschen gehandelt, für die es vor der Aktion beim AMS kein Angebot gab.“

 

Zum Weiterlesen: Übrigens braucht es auch mehr überbetriebliche Ausbildungsplätze um vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Denn wenn Menschen schon zu Beginn ihres Erwerbslebens von Arbeitslosigkeit betroffen sind, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie auch später ihren Job verlieren werden.

 

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