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Arbeitswelt
Ungleichheit

Alles ganz normal

Guten Morgen!

Ein einfacher Trick und ein schädlicher Dreh. Alles ist jedenfalls ganz normal heute im Morgenmoment von Tom Schaffer.

#1 Möchtest du das teilen?

In den kommenden Wochen geht es wieder los mit der Schule in Österreich. Die Pandemie ist über den Sommer nicht nur nicht verschwunden, sondern baut sich derzeit zu einer neuen Welle in Österreich auf. Besonders rund um Kinder stellen sich dabei einige Fragen, denn für Kinder unter 12 Jahren gibt es nach wie vor keine zugelassene Impfung. Wann ändert sich das? Was für Gefahren bestehen für Kinder bis dahin? Und wie muss man sich zu Schulbeginn verhalten? Kinder und Corona: Wir haben Fragen und Antworten gesammelt.

#2 Gezeichnet

Rund um die Welt schwappen gerade dieselben Vorurteile gegen Arbeitslose und Sozialleistungen in die öffentliche Debatte. Sie klingen ungefähr so: die armen Unternehmer finden einfach keine Leute für ihre Jobs. Der Grund sei, dass die Sozialleistungen zu gut seien und die Arbeitslosen einfach zu faul. Neoliberale Lobbyist:innen, konservative Politiker:innen und die Unternehmer:innen selbst dürfen uns das unwidersprochen aus Medien entgegen jammern. Dass viele Jobs einfach zu schlechte Bedingungen, zu wenig Sicherheit und miese Löhne bieten, das kann ja nicht sein! Alle Jobs sind doch toll! Wie allgegenwärtig dieser Unsinn ist, zeigt unser heutiger Comic von Barry Deutsch perfekt. Der stammt nämlich aus den USA, wo den Menschen dieselben Pseudoargumente mit demselben Spin vorgekaut werden. Wir haben ihn für dich übersetzt.

Eine größere Version des Comics findest du hier.

#3 Spin des Tages

Passendes zum Comic aus Österreich: Hier wird vor der Reform des Arbeitslosengeldes unter Leitung von ÖVP-Arbeitsminister Marin Kocher im Herbst von Konservativen und ziemlich vielen Medien hart an einem Klima gearbeitet, in dem Kürzungen und Sanktionen gegen Arbeitslose normal erscheinen. 

Rein zufällig (oder weil das mittlerweile fast jeden Tag passiert) liefert uns Johannes Kopf gestern ein schönes Beispiel für den Spin. Der Chef des Arbeitsmarktservices (AMS) fordert in einem Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten (Paywall), dass Arbeitslose künftig nicht mehr so leicht Geld dazu verdienen dürfen.

Stimmt schon, sagt Kopf. Es sei gut, dass Menschen zumindest ein bisschen arbeiten können. Und stimmt schon, wären die Jobs und Löhne besser, dann würden die Leute in der Regel sofort arbeiten. Er hat da immerhin mehr verstanden als andere ideologische Zeitgenossen, die viel brachialer lospoltern.

Aber trotzdem solle man künftig deutlich erschweren, dass arbeitslose Menschen geringfügig etwas dazuverdienen können. Sonst sei der Abstand zu „normalen“ Arbeitseinkommen einfach zu klein – da ist er sich mit der Interviewerin einig, die das schon in ihrer Frage unterstellt. Und dann, sagt Kopf, gingen die Leute lieber ins Schwimmbad. Was wahr ist: Das Arbeitslosengeld in Österreich ist im internationalen Vergleich niedrig. 9 von 10 Arbeitslosen bekommen so wenig Unterstützung, dass sie damit allein unter der Armutsgrenze landen würden. Freizeitluxus ist damit oft undenkbar. Ist das ein ausreichender Hinweis, dass das wahre Problem jene Löhne am Arbeitsmarkt sind, die vom Mini-Arbeitslosengeld nicht weit genug entfernt liegen? Dazu schweigt der Spin.

#4 Zitat des Tages

 
John Falzon: "Der Grund für Wohnungslosigkeit ist nicht Armut, sondern Vermögen"

Eine der Auswirkungen zu kleiner Löhne und zu schlechter Sozialleistungen ist Wohnungslosigkeit. In Wien allein drohen derzeit etwa 5.000 Delogierungen. Das ist einerseits eine Folge der Krise, andererseits aber auch eine normale grundlegende Auswirkung unseres Wirtschaftssystem. „Wohnungslosigkeit ist keine Folge von Armut, sondern von Vermögen“, sagt der australische Soziologe Jon Falzon vom progressiven Think Tank Per Capita. Er kritisiert die Konzentration von Vermögen in den Händen weniger Menschen, die damit auch auf Dinge spekulieren dürfen, die für andere Menschen zu den Grundbedürfnissen zählen. Der Mythos des neoliberalen Mainstreams würde Obdachlosigkeit als persönlichen Mangel statt gesellschaftliches Problem darstellen. Wer aber nicht verstehe, dass nicht die Menschen auf der Straße das Problem seien, sondern ein politisches und wirtschaftliches System, dass sie auf der Straße landen lasse, könne das Problem auch nicht lösen.
 

#5 Zahl des Tages

„Spekulatives Vermögen“? Dazu passt eine andere Zahl vom US-Institut Inequality: Alleine in der Pandemie ist das (schon vorher ohnehin obszöne) Vermögen der US-Milliardäre um knapp 62% gewachsen. Großteils natürlich durch ihre Anteile an Unternehmen über Aktien und andere Finanzvehikel. Wenn die Weltwirtschaft kracht, und normale Menschen obdachlos, arbeitslos und allgemein ärmer werden, scheint es einfach normal zu sein, dass die Überreichen nochmal reicher werden. Da kann man nichts machen (also, wenn man Vermögens-, Erbschafts-, Finanztransaktions- und höhere Unternehmenssteuern und radikale Reformen im Kampf gegen Steuerverweigerung ablehnt zumindest. Sonst könnte man eine ganze Menge machen.)

Unsere Zahl des Tages ist themenverwandt aber eigentlich eine ganz andere:

 

 
Amerikanische CEOs bekommen heute das 351-fache ihrer Angestellten bezahlt. 1965 war es das 21-fache.

Amerikanische CEOs bekommen 351 mal so viel wie die Angestellten in ihren Unternehmen bezahlt. Noch im Jahr 1965 war es nur 21 mal so viel. Die CEOs waren damals wohl weder sozialer noch schlechter. Aber der Großteil des Einkommens dieser CEOs kommt heute im Gegensatz zu damals aus Aktienpaketen, die mittlerweile 80% ihrer Entlohnung ausmachen.

In Österreich und dem Großteil der Rest der Welt ist die Schere zwischen Vorständen und Angestellten zwar noch etwas kleiner (eine Manager:in eines ATX-Unternehmens erhält in Österreich das 57-fache des mittleren Einkommens), aber es entwickelt sich in die gleiche Richtung.

Hinterfrag das bloß nicht, das ist alles ganz normal.

Schönes Wochenende.

Tom

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