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Kapitalismus
Arbeitswelt

Amazon baut Lagerhaus neben Armensiedlung in Mexiko – und erspart sich damit eine Menge Geld

Die Bilder eines neuen Amazon-Lagerhauses neben einer Barackensiedlung im mexikanischen Tijuana zeigen, wie groß die Ungleichheit im globalisierten Kapitalismus ist. In Mexiko nutzt Amazon billige Arbeitskräfte aus. Eigentümer Jeff Bezos ist der reichste Mensch der Welt. Doch dahinter steckt mehr: Mit dem neuen Standort will Amazon offenbar Waren aus China über Mexiko in die USA importieren - und so Zollabgaben sparen.
 
 
 
 
 
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A post shared by Omar Martínez (@omartineztj)

Eine heruntergekommene Barackensiedlung in der mexikanischen Stadt Tijuana direkt an der Grenze zu den USA. Behausungen zusammengezimmert aus Sperrholz und Presspappe, staubige Wege und Schutthaufen. Und direkt dahinter erhebt sich, hell funkelnd in der Sonne: ein Logistikzentrum des Online-Riesen Amazon.

Der Gegensatz könnte krasser kaum sein. Hier die Siedlungen der Ärmsten, dort eine 32.000 Quadratmeter große und um 21 Millionen Dollar erbaute Lagerhalle von Amazon. Das Unternehmen hat Eigentümer Jeff Bezos zum reichsten Menschen der Welt gemacht. Viele sehen in dem Bild ein Symbol für die extreme Ungleichheit auf der Welt, die vom globalisierten Kapitalismus befeuert wird.

Wer das Amazon-Pensum nicht mehr schafft, fliegt raus

Dazu das Positive zuerst: Das bald öffnende Lager soll dafür sorgen, dass 250 neue Jobs in der Gegend drumherum entstehen. Allerdings: Die Bedingungen, unter denen Beschäftigte in Amazons mexikanischen Standorten arbeiten müssen, sind ziemlich übel. Im April dieses Jahres dokumentierte Reuters, wie Betroffene 60-Stunden-Wochen und nicht bezahlte Überstunden leisten mussten, deren Anzahl über den gesetzlichen Rahmen hinausging. Wer erkrankte und nicht mehr das vorgeschriebene Arbeitspensum einhalten konnte, flog schnell raus.

Entlassenen Mitarbeiter:innen wurden Abfindungszahlungen verweigert oder sie gedrängt, von sich aus zu kündigen. Amazon greift in Mexiko auf ein System von Leiharbeitsfirmen zurück, die die Mitarbeiter:innen in die Warenlager entsenden. Es ist eine besonders prekäre Art, Menschen zu beschäftigen. „Man fühlt sich betrogen und enttäuscht“, sagte ein ehemaliger Amazon-Mitarbeiter zu Reuters.

Studie: Standorte von Amazon schaffen keine neuen Jobs

Die lokale Regierung unterstütze Amazon dabei, sich auf der Fläche neben der Siedlung anzusiedeln. Das Logistikzentrum werde „zur wirtschaftlichen Reaktivierung beitragen wird und das Wohlergehen von Familien sichern“, sagte Tijuanas Bürgermeisterin Karla Ruiz Macfarland laut der lokalen Nachrichtenseite Proceso. Allerdings kamen Studien zu dem Ergebnis, dass die von Amazon versprochenen mehr Jobs gar nicht kommen.

Es würden zwar 30 Prozent mehr, schlecht bezahlte, Jobs in der Logistik geschaffen. Unter dem Strich würden in der Region rund um neu eröffnete Amazon-Standorte aber nicht mehr Arbeitsplätze existieren als vorher. In manchen untersuchten Gegenden, gab es später sogar weniger Jobs. „Das unterstreicht, wie völlig ineffektiv die Eröffnung von Amazon-Versandzentren für die Förderung der gesamten lokalen Beschäftigung war“, schreiben die Autoren des Economic Policy Institute.

Das Lagerhaus am Slum: Amazon will damit Abgaben sparen

Doch es steckt noch mehr hinter Amazons neuem Standort direkt neben der Armensiedlung: Ein Modell, um Einfuhrzölle zu sparen. Ökonom:innen untersuchten, wie Amazons Logistikkette in Mexiko genau funktioniert.

In einem Thread auf Twitter schreibt Charmaine Chua vom Department of Global Studies der University of California: Das riesige glitzernde Lagerhaus sei „nicht dazu da, den lokalen Markt zu bedienen. Es wird ausgebeutete mexikanische Arbeitskräfte einsetzen, um Waren für den Import über die US-Grenze zu zerlegen.“

Denn seitdem der frühere US-Präsident Donald Trump die Zölle für den Import von Waren aus China anhob, haben Amazon und andere Online-Händler ein Problem: Die Produkte werden im Einkauf teurer. Mit dem Logistikzentrum in Tijuana umgehe Amazon die Zollschranke. Dort würden Waren aus China von Mitarbeiter:innen zerlegt, um sie dann über die Grenze ins nur 24 Minuten Autofahrt entfernte ebenfalls neue Logistikzentrum in Otay Mesa in San Diego zu bringen.

Firma des reichsten Menschen nutzt Arbeitskräfte und Zollschlupfloch aus

Eine Lücke im Zollsystem macht es möglich, dass dafür keine Gebühren anfallen. Importe im Warenwert von unter 800 US-Dollar über die mexikanische Grenze sind seit einigen Jahren zollfrei. Im neuen Lager in den USA würden die Waren wieder zusammengesetzt und danach weiterverteilt. Es soll der größte Amazon-Standort in den USA werden.

Chermaine Chua fasst es so zusammen: „Das wertvollste Unternehmen der Welt, dessen Besitzer zum Vergnügen in den Weltraum geflogen ist, hat einen Standort auf einem Slum in Tijuana erbaut, in dem superausgebeutete Arbeitskräfte beschäftigt sind, um eine Klausel im Handelsvertrag zwischen den USA und Mexiko auszunutzen und Waren zu importieren, ohne Abgaben darauf zahlen zu müssen.“

Weiterlesen bei uns: Kaum eine Woche vergeht, ohne eine neue Meldung zu den schlimmen Arbeitsbedingungen beim US-Konzern Amazon. Es ist schwierig, da den Überblick zu behalten. Hier sammeln wir Übeltaten des Online-Riesen.

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