“Unsere Leute”: Was Andreas Babler ganz klar von Jörg Haider unterscheidet
Es herrscht hellste Aufregung. Der neue SPÖ-Chef Andreas Babler hat bei einem Terrmin beim ASKÖ in Gmunden von „unseren Leuten“ (oder eigentlich im Dialekt “unsere Leit”) gesprochen. Liberale und Konservative ziehen sofort Vergleiche mit dem einstigen FPÖ-Chef Jörg Haider, der diese Worte auch verwendet hat. Aufgrund dieser scheinbaren Parallele beschuldigen sie Babler der Polarisierung. Dabei könnte nichts ferner von der Wahrheit liegen, als die Gleichsetzung dieser Worte.
Wer sind denn nun „unsere Leit“?
Es ist zuerst einmal verwunderlich, dass das Thema jetzt aufploppt. Babler spricht eigentlich schon seit immer von „unsere Leit“ und erklärt auch immer wieder dazu, wer das sein soll. So hat er bei seiner Basis-Tour im Hanuschhof (ab Minute 3:53) erklärt, dass alle dazu gehören, die nicht zu den oberen 3-4 Prozent gehören. Also alle, die keine großen bis exorbitanten Vermögen haben.
Bei der Parteitagsrede führt er auch noch aus (bei 10:30): „Politik von unten gedacht heißt, Politik von unseren Leuten aus gedacht“. In derselben Rede spricht er (ab Minute 2:57) von einem „Uns“. Damit meint die Sozialdemokratie als Mitglieder-Bewegung. Immer wieder wehrt er sich gegen die gedankliche Grenze zwischen der Sozialdemokratie und „den Leuten da draußen“. Das sind für ihn nicht zwei verschiedene Kollektive, sondern alle gemeinsam sind ein „Wir“. Er beschreibt das gerne mit dem alten Kinderfreunde-Spruch „Fünf Finger sind eine Faust“.
So stellt er „unsere Arbeiter“ bei der Semperit (ab Minute 3:30) der Unternehmensführung gegenüber. Die habe die Spielregeln geändert und die Arbeiter verkauft und betrogen. Außerdem schließt er betont etwa die Gastarbeiter:innen ein (ab13:20). Auch bei seiner Auftaktveranstaltung im Roten Bogen sprach Babler ausdrücklich auch davon, die „Ausländer“ als „unsere Leit“ zu sehen. Sie seien Teil der Arbeitnehmer:innen sind und wären gemeinsam mit ihm an der Werkbank gestanden.
Er verwendet den Begriff aber auch, wenn es um die Klimakrise oder Kinderarmut geht. Was macht And Babler also, wenn er einen Begriff wie „unsere Leit“ verwendet? Zuallererst begründet er damit in seiner Sprache eine Gemeinschaft. Er beschreibt ein „Wir“, das vorher nicht beschrieben wurde.
Das ist nicht das FPÖ-„Wir“
Nun wird eine Gemeinschaft bestimmt durch die, die dazu gehören und die, die nicht dazu gehören. Hier macht Babler das Gegenteil von dem, was die FPÖ macht, wenn sie “unsere Leute” sagt.
Die FPÖ hat einen ausschließenden Gemeinschaftsbegriff. Man gehört der Gemeinschaft an, oder nicht. Bestimmt wird das durch Herkunft, Kultur sowie völkische und nationale Zugehörigkeit – das kann auch nur von außen zugeschrieben sein.
Zum Einen bestimmt sich diese Gemeinschaft der FPÖ gegen die „Anderen“. Also die, die nicht so sind wie „wir“ – sprich Ausländer:innen oder was dafür gehalten wird. Und dann bildet sie sich noch gegen „die da oben“. Wobei „die da oben“ in rechtsextremer Sprache eine schwammige Kulturkampf-Kategorie ist. Alles, was nicht ins Weltbild passt, wird zum „die da oben“ dazu gezählt – sei es Feminismus oder Antirassismus, die Weltgesundheitsorganisation oder die UNO.
Die Gemeinschaft der Arbeitenden
Bablers „Leit“ haben aber klare Klassenkomponenten. Sie sind nicht kulturell definiert, sondern durch ihre soziale und wirtschaftliche Situation und Herkunft. Er spricht ganz klar von einem inklusiven Gemeinschaftsbegriff. Die Arbeiter:innen an der Werkbank gehören alle dazu. Es ist ganz gleich, wo sie herkommen. Die Menschen, die an der Klimakrise als Erstes leiden werden (und es schon tun) gehören genauso dazu wie die armutsgefährdeten Kinder, die „unsere Kinder“ sind, und von einer Kindergrundsicherung profitieren würden.
In Österreich wurde man über Jahrzehnte so zugetextet mit rassistischen Konstruktionen von Gemeinschaft, dass eine andere Form kaum noch denkbar scheint. Aber „unsere Leit“ sind bei Babler all jene, die von der Arbeit ihrer Hirne und Hände abhängig sind. Es sind jene, die keine Ländereien, riesigen Aktiendepots oder Unternehmensanteile haben. Sie alle sind davon abhängig, dass es eine gute öffentliche Versorgung gibt. Es ist ein weiter und inklusiver Arbeiter:innen-Begriff.
Damit grenzt sich Babler von jenen ab, die Politik für Vermögende machen, aber eben auch von einer zur Beliebigkeit ausgelaufenen Sozialdemokratie, die „für Österreich“ arbeitet anstatt für „ihre Leit“.
Die Spaltung benennen
Dieser Klassenkonflikt ist da – ob man ihn benennt oder nicht. Er ist Tatsache, wenn man die Vermögensverteilung betrachtet. Oder auch die vielen nachteiligen politischen Entscheidungen – wie die Zerschlagung der Krankenkassen. Die Gesellschaft wird nicht gespalten, weil man diesen Konflikt benennt. Sie ist objektiv sozioökonomisch gespalten. Bis jetzt hat es nur niemand benannt oder sich selten jemand aufgeschwungen, Politik für jene zu machen, die in dieser Spaltung schlecht aussteigen.
Das hat alles so gar nichts mit Haider oder der FPÖ zu tun, die einen ausgedachten Kulturkampf schürten, um Angst einzuflößen. Babler vermittelt hingegen Hoffnung und Zuversicht.
Offenlegung in eigener Sache: Unsere Kolumnistin Natascha Strobl war Vorsitzende des Vereins „machen wir was“, der die Homepage von Andi Babler im Vorwahlkampf um den SPÖ-Vorsitz betrieben hat.