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Arbeitswelt
Kapitalismus

Schikane, Mobbing, Akkordarbeit bei Benkos Leiner: "Mir wurde wöchentlich mit Kündigung gedroht."

Eine skrupellose Geschäftsführung, die psychischen Druck auf Miarbeiter:innen. Beschäftigte, die angebrüllt werden, weil ein Preisschild schiefhängt. Ein Mitarbeiter der Möbelhauskette Leiner berichtet, welches Arbeitsklima dort herrscht. Der neue raue Wind weht, seitdem die Signa Holding von René Benko die kika/Leiner-Gruppe übernommen hat.

Der Kontakt meldet sich per E-Mail. Er wolle reden. Darüber, wie es hinter der Fassade der Möbelhauskette Leiner zugeht. Die Geschäftsführung schreie Mitarbeiter:innen wegen Kleinigkeiten an und üben psychischen Druck aus. Zeitpläne sind kaum einzuhalten, Mehrstunden normal. Der neue raue Stil setzte ein, nachdem die Signa Holding von René Benko die kika/Leiner-Gruppe übernahm.

„Jeder verschweigt, was hier passiert“, sagt der Mitarbeiter zu Beginn des Gesprächs. „Niemand sagt etwas dazu. Niemand traut sich, etwas zu sagen. Dabei leiden die Leute extrem. Was ich erlebt habe, erlebt so ziemlich jeder da drin.“ In unserer Reihe „Was ich wirklich denke“, bricht der Mitarbeiter – er arbeitet inzwischen woanders – das Schweigen. Unter Wahrung seiner Anonymität konfrontierte MOMENT Leiner und bat um Stellungnahme. 
 

Die Leute, die hier an der Spitze sitzen, sind skrupellos. Es dreht sich nur um Freunderlwirtschaft und darum, irgendwie den größten Profit herauszuschlagen. Aber ihre eigenen Leute treten sie. Ich möchte fast sagen, sie behandeln sie wie Tiere. Das ist unter jeder Würde. Du bist permanentem Druck ausgesetzt. Druck ist nicht grundsätzlich etwas Schlechtes in der Arbeit. Das hast du heute überall. Nicht in Ordnung ist der psychische Druck, ja die psychische Gewalt, die sie ausüben.

Wenn wir ein Meeting hatten mit dem Geschäftsführer, das war mein direkter Vorgesetzter, wurden wir einzeln schikaniert. Und nicht nur für zwei Minuten, sondern eine halbe Stunde durchgehend. Etwa, wenn die Zahlen ein bisschen von der Norm abwichen. Obwohl die während Corona ein Glücksspiel waren. Wenn Lieferanten in Asien ausfallen, was kann ich da machen? Aber es wurde mir dennoch vor versammelter Mannschaft gesagt: Wenn sie das nicht bis November hinbekommen, dann gehe ich mit ihnen die Personalliste mit einem Edding durch und sie können durchstreichen, wer gekündigt wird. Ich hatte ja auch Personalverantwortung.

Viele sind von sich aus gegangen, weil sie es satthatten oder einfach nicht mehr geschafft haben. Dieses Klima zog ein, kurz nach dem Mega-Deal von René Benko mithilfe von Sebastian Kurz. Ab dann war sehr unklar, wie es weitergehen wird. Das Problem ist: Benko hat die Führungsriege ausgetauscht, die drei wichtigsten Säulen: Die Geschäftsführer für Finanzen, Einkauf und Vertrieb. Und die treiben den Betrieb heftig voran. Meetings werden noch am selben Tag für 8 Uhr früh einberufen. Dort wird dann geschrien, also wirklich gebrüllt. Der Mann hatte einen roten Kopf. Der hat nach Luft geschnappt, schien es. Sie haben verlangt, dass wir um 7 Uhr antanzen. Weil, wozu schlafen? Man sitzt auch bis 20 Uhr am Abend dort. Gesetzliche Bestimmungen kennt diese Firma nicht – in keinerlei Hinsicht. Sie glauben, sie stehen über dem Gesetz.

Das ist kein Arbeitsklima. Wir können so nicht arbeiten. Einzelne werden angeschrien, mehrere Leute oder eine ganze Gruppe. Da ging es um Kleinigkeiten. Da hing einmal ein Preisschild schief und schon ging es los. Das war lächerlich, absolut lächerlich. Einmal hat mich der Geschäftsführer in der Mittagspause angerufen und mich in einem elf Minuten langen Monolog angeschrien und beschimpft. Das war am Mittagstisch mit meinen Kolleginnen um mich herum. Die konnten das durchs Telefon hören, so laut war er. Dann war eine Stille im Raum und jeder hat sich gefürchtet. Es ging darum, dass irgendeine Vase nicht in der richtigen Ecke stand. Also, dann nehme ich doch diese blöde Vase und stell sie woanders hin oder lasse sie woanders hinstellen, anstatt da minutenlang rumzuschreien.

Ich hatte mehrere Projekte. Als sie dann fertig waren, wurden sie mir vom Vorgesetzten weggenommen. Der hat das dann alles als seine Idee und sein Projekt verkauft. Jeder hat dabei zugesehen, jeder wusste, dass das nicht stimmte. Aber jeder hat das quasi über sich ergehen lassen. Das fand ich am schmerzhaftesten daran. Wenn es dann ein Problem bei einem Projekt gab, war ich wieder schuld. Oder ein anderes Beispiel: Wir haben Werbekampagnen geplant und skizziert und die der Geschäftsführung vorgestellt. Das wurde von denen abgesegnet. Wir haben daran uns gemacht, dass auszuarbeiten. Es ging ans Fotoshooting, es ging in die Grafik, und am Tag vor der Abgabe kommt die Geschäftsführung darauf, dass ihnen irgendwas nicht gefällt. Okay gut, kann passieren, das ist ja nix Schlimmes.

Aber: Drei Wochen lang hat sie das vorher überhaupt nicht interessiert, sie haben sich nicht darum geschert und es schien ihnen egal. Einen Tag bevor die Kampagne in Druck geht, kommt die Geschäftsführung darauf, dass irgendeine Farbe nicht passt. Und dann musst du dich drum kümmern und es auf die Kette bringen. Das hat einen Riesenaufwand – auch für die Leute im Fotostudio. Die haben quasi mit der Pistole am Kopf unter Zeitdruck fotografieren müssen. Und bring erstmal so schnell Leute dazu, sich fotografieren zu lassen und baue in der Zeit die Kulisse dafür auf. Wir mussten teilweise mit unseren privaten Autos die Sachen von der Filiale in die Zentrale schaffen, wo die Aufnahmen für die Kampagnen gemacht werden. Nicht einmal Kilometergeld durften wir dafür verrechnen. Dann haben wir alles fertig gestellt, wie sie es haben wollten und dann kamen sie darauf, es doch wieder in den Originalzustand zu versetzen. War doch nicht so eine gute Idee, hieß es dann. Also: Unglaublich. Aber solche Dinge sind passiert. Regelmäßig.

Das Allerschlimmste waren die Vorgaben, die wir bekommen haben. Viele Filialen werden jetzt umgebaut und neu eröffnet. Dafür gab es Zeitpläne, die Wahnsinn sind. Aber es wurde immer gesagt: Doch, es geht. Das funktioniert und wir in Österreich seien immer so lasch. Die neuen Geschäftsführer hat René Benko ja aus Deutschland geholt. Sie sagten, wir hätten in Deutschland alle keinen Job, weil wir so schlecht sind. Letztlich wurden die Filialen dann tatsächlich nach drei Monaten eröffnet. Aber: Wie viele Leute haben dafür von 6 Uhr in der Früh bis 22 Uhr nachts arbeiten müssen oder sogar noch länger?

Diese Überlastung war ein Dauerzustand. Denn es wird ja immer irgendwo eine Filiale eröffnet. Dafür wurden Urlaube gestrichen. Eine Mitarbeiterin von mir hatte ihre Mutter seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Sie war aus einem Land nach Österreich geflohen, in das sie nicht zurück durfte wegen ihres Asylstatus. Dann durfte sie das endlich, hatte das geplant – und die haben ihr den Urlaub gestrichen. Also konnte sie ihre Mutter nach zehn Jahren nicht wiedersehen. Das war absurd. Die Geschäftsführung sagte: Das geht und sie können ihre persönlichen Bedürfnisse doch nicht über die der Firma stellen.

Ich übertreibe sicher nicht, wenn ich sage, uns wurde wöchentlich gedroht, gekündigt zu werden. Irgendwann wurde das schon so Standard, dass es an dir abprallt. Das konnte ich mir vorher nicht vorstellen. Jemand sagt zu mir, ich werde gekündigt und ich denke mir: Ich bin hier schon fünfmal gekündigt worden in den letzten eineinhalb Monaten. Das Gefühl pendelt dann irgendwann zwischen: Ich fürchte mich und ich kann die Person nicht mehr ernst nehmen.

Aber natürlich belastet das: Ganz viele haben mit Panikattacken zu kämpfen. Ich hatte Schlafstörungen, extreme Schlafstörungen. Es ist unglaublich: Ich konnte zeitweise nicht mehr schlafen. Ich konnte keine Termine mehr einhalten. Ganz einfache, lächerliche Termine, wo du weißt, da passiert dir nix. Und trotzdem habe ich Herzrasen bekommen, weil ich dann einfach nicht rauskomme aus diesem Strudel.

Psychisch ging es mir nicht gut. Ich habe den Fehler gemacht, das auch zu sagen. Ich habe viel, richtig viel gearbeitet in der Zeit. Ich hatte keine Freizeit. Da wurde nur gesagt: Viel Freizeit brauchst du aktuell eh nicht. Wegen Corona kannst du ja eh nichts unternehmen. Sonst kam nichts zurück. Ich habe mich dann gefragt: Wieso stehe ich hinter der Firma, die Firma aber überhaupt nicht hinter mir?

Dann habe ich mich beschwert, weil wir in der Coronakrise weiter mehr arbeiten mussten, obwohl Kurzarbeit war. Was dann kam: Ich würde es fast Mobbing nennen. Es war nurmehr ein Sticheln, richtig fies, richtig unangenehm. Mir geht’s heute noch nicht gut, obwohl ich schon einige Monate nicht mehr dort arbeite. Ich habe viel Hilfe gebraucht, also wirklich professionelle psychologische Hilfe. Aber: Ich bin selber schuld. Ich hätte früher gehen können. Aber jetzt musste ich einmal darüber sprechen. Diese Arbeitsbedingungen müssen als Problem wahrgenommen werden.

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