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Arbeitswelt
Demokratie

Arbeitslosengeld in Österreich: Wegen Inflation auf Rekordtief

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Das Arbeitslosengeld in Österreich ist im internationalen Vergleich sehr niedrig. Jetzt sinkt es noch weiter. Schuld daran ist die Inflation und die Berechnung. Für arbeitslose Menschen ist das eine Katastrophe - die ÖVP hätte es gerne immer so.

Die Arbeitslosigkeit steigt – und wird so schnell nicht wieder sinken. Wer seinen Job verliert, verliert über Nacht auch die Hälfte des Familien-Einkommens. Die Fixkosten halbieren sich aber nicht. 9 von 10 Arbeitslosen landen mit ihrem Arbeitslosengeld in Österreich unter der Armutsgefährdungsschwelle. Völlig logisch, dass die Politik sag…denen geht es immer noch zu gut? Moment Mal!

Richtig, die ÖVP will die Unterstützung für arbeitslose Menschen gern noch weiter beschneiden.

Arbeitslosengeld in Österreich besonders niedrig

Aber der Reihe nach: Wer seinen Job verliert, bekommt aktuell 55 Prozent vom letzten Einkommen. Das klingt nicht nur mager, das ist im internationalen Vergleich auch verdammt wenig. 

Das Problem: Dem Vermieter und dem Supermarkt ist das egal, die Miete sinkt deshalb noch nicht. Und die Kosten für Essen und Heizen sinken natürlich auch nicht, nur weil ich auf Jobsuche bin. Einfache Rechnung: Wer nach Arbeit hungert, der hungert sehr bald und sehr schnell auch sehr real.

Arbeitslosigkeit ist selten eine Wahl

Selbst ausgesucht hat sich das fast niemand: Drei von vier Arbeitslosen wurden gekündigt oder aufgrund betrieblicher Umstände arbeitslos, für die sie selbst nichts können.

Am Anfang retten einen vielleicht noch die Ersparnisse. Aber die sind, wenn es überhaupt welche gibt, bald aufgebraucht: Je länger die Arbeitssuche dauert, desto schwieriger die finanzielle Lage und desto weniger hilft das Arbeitslosengeld. Denn selbst die 55 Prozent gibt es nur auf dem Papier. Das Arbeitslosengeld wird im Gegensatz zu anderen Sozialleistungen nicht an die Inflation angepasst. 

So verlieren Arbeitssuchende jeden Monat Kaufkraft. Die Teuerungskrise drückt Arbeitslose derzeit also noch schneller in die totale Armut.

Arbeitslosengeld in Österreich nicht vom höchsten Gehalt

Die 55 Prozent werden außerdem nicht vom letzten – meistens besten – Gehalt weg gerechnet. Es wird das Gehalt von vor einem Jahr verwendet. Und das geht so: Wie viel man verdient, das weiß die Sozialversicherung anhand der Beiträge, die der Arbeitgeber jeden Monat abliefert. Aber diese Beiträge können ein Jahr lang “berichtigt” werden, um kurzfristige Lohnschwankungen auszufiltern. Die Sozialversicherung nimmt dieses “Berichtigungsjahr” aus. Und deshalb bemisst sich das Arbeitslosengeld am Gehalt von vor zwölf Monaten. 

Dieser Mechanismus drückt das Arbeitslosengeld in Österreich auf eine Nettoersatzrate von durchschnittlich 51 Prozent im Verhältnis zum tatsächlichen letzten Gehalt.

Mehrfach-Katastrophe für Arbeitslose

Zeiten ungebremster Inflation sind für Arbeitslose also eine dreifache Katastrophe: 

  • erstens verlierst du auf einen Schlag die Hälfte.
  • zweitens startest du schon mit einem Malus, weil ein Uralt-Gehalt zur Berechnung herangezogen wird.
  • drittens wird selbst das jeden Monat ganz schnell weniger wert – ohne Inflationskorrektur.

Mittlerweile ist jede:r dritte Arbeitslose armutsgefährdet, bei Langzeitarbeitslosen sogar jede:r zweite. Und das durchschnittliche Arbeitslosengeld liegt mit 1.091 Euro rund 300 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle.

ÖVP will Arbeitslosengeld in Österreich senken

Aber mit Fakten hält man sich in der Diskussion kaum auf. Noch weniger Unterstützung soll es sein. Auf unter 50 Prozent will die ÖVP die Ersatzrate drücken.

Ein Argument dafür: Wer kaum Arbeitslosengeld bekommt, sucht sich schneller wieder einen Job.  

Nur: Es gibt kaum Studien, die belegen würden, dass sinkendes Arbeitslosengeld auf magische Weise Jobs schafft und Leute schneller wieder in Beschäftigung bringt.

Arbeitslosigkeit in Österreich: Die Fakten

Die Daten zeigen: Arbeitssuchende Menschen sind hungrig nach Jobs, beinahe alle bewerben sich ständig um Arbeit, im Schnitt verschicken sie 6 Bewerbungen im Monat. Zu einem Gespräch eingeladen werden sie im Schnitt aber nur ein Mal. Was bringt es, diesen Menschen das Geld zu kürzen?

Arbeitslosigkeit macht heute schon vor allem eins: arm. 6 von 10 arbeitslose Menschen können keine unerwarteten Ausgaben wie eine kaputte Waschmaschine zahlen, 4 von 10 schaffen ihre Wohnkosten kaum,  1 von 10 kann sich nicht einmal genug Essen leisten. 

Das Arbeitslosengeld versagt also in seiner wichtigsten Funktion – der Existenzsicherung. Für viel zu viele ist es kein Auffangnetz – sondern eine Armutsfalle.

Langzeitarbeitslosigkeit wird nicht gelöst

Und damit bleibt auch Langzeitarbeitslosigkeit ein Stigma. Denn allen Beteuerungen von Unternehmen zum Trotz werden gerade ältere, gesundheitlich beeinträchtigte und schon länger Arbeitssuchende weniger oft eingestellt. Schon nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit müssen Menschen im Schnitt 14 Bewerbungen versenden, um zu einem einzigen Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden.

Auch dieses Problem löst man nicht, indem man die Arbeitslosen bestraft. Kein älterer Mensch wird eher zum Vorstellungsgespräch eingeladen, nur weil sein Arbeitslosengeld mit der Zeit weniger wird.

Arbeitslosenversicherung als Zwischenparkplatz

Manche Unternehmen – Stichwort Saisonarbeit – nützen die Arbeitslosenversicherung jetzt schon kräftig als Zwischenparkplatz mit der “Kündigung auf Zeit”: Sie schmeißen ihre Leute raus, wenn weniger los ist – nur um sie ein paar Tage oder ein paar Wochen später wieder reinzuholen.

Und das machen viele so. Jeder siebte neue Job ist eigentlich ein alter. Dazwischen übernimmt das AMS  – also wir alle – die Kosten. Gäbe es kein Arbeitslosengeld, müssten diese Firmen den Leuten einen höheren Lohn zahlen, damit die das ganze Jahr über davon leben können. 

Die Praxis ist gerade in Bau und Tourismus weit verbreitet: Der einzelnen Arbeitnehmerin kostet sie Einkommen und Sicherheit, der Allgemeinheit kostet sie über eine halbe Milliarde Euro im Jahr.

Es braucht ein Bewertungssystem für Unternehmen

Das ist verdammt unfair: Vor allem all jenen Unternehmen gegenüber, die sich ziemlich anstrengen, ihre Leute zu halten, auch wenn die Auftragslage grade etwas schwächelt. Wären alle Unternehmen so unsolidarisch, wäre unsere Arbeitslosenversicherung längst kaputt.

Was hilft dann aber gegen Unternehmen, die ihre Arbeitgeber regelmäßig stempeln schicken? Ein Bewertungssystem in der Arbeitslosenversicherung. Arbeitgeber, die ständig kündigen und wieder einstellen, erhalten eine schlechtere Wertung – und müssen deshalb höhere Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. 

Diese höheren Beiträge würden auch gleich helfen, die Kosten für ein Arbeitslosengeld zu decken, das wirklich und dauerhaft vor Armut dauerhaft schützt. Damit Arbeitslosigkeit nicht länger in die Armutsfalle führt. 

Wir könnten das alles also ändern – wenn wir nur wollten.

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