Warum dieser Fischer vom anderen Ende der Welt in Wien protestiert
Die Sonne scheint Maximo Bayubay in Gesicht, als er seinen schwarzen Kaffee schlürft. Er sitzt in einem Lokal in der Wiener Innenstadt. Es ist sein erster Besuch in der Hauptstadt, in Österreich und auch in Europa. Es ist überhaupt das erste Mal, dass der 69-Jährige seine Landesgrenzen verlassen hat. Er hat den weiten Weg von den Philippinen auf sich genommen, weil es für ihn um viel geht.
Bayubay ist in Wien, um für seine Existenzgrundlage und die Zukunft seiner sechs Kinder zu kämpfen.
Die bedrohte Natur
Bayubay ist Fischer und lebt in Calatagan, einer rund 55.000 Einwohner:innen großen Gemeinde auf den Philippinen. Sie liegt an der Isla-Verde-Straße (Englisches Kürzel: “VIP”). Diese Meerenge trennt die philippinische Hauptinsel Luzon von der südlich gelegenen Insel Mindoro. Aufgrund ihres Artenreichtums gilt die Meeresenge auch als “Amazonas der Ozeane”. Felsschluchten, Riffe, über 300 Korallenarten und 1.736 Fischarten findet man hier – rund 60 Prozent aller weltweit bekannten Küstenfischarten. Die zwei Millionen Menschen in der Region leben vom Fischfang und Tourismus.
Europas Geld für philippinisches Gas: „In wessen Interesse?“
Genau hier sollen in den nächsten Jahren acht Flüssiggas-Terminals sowie acht Gaskraftwerke entstehen. Für die Region und Bayubay wäre das eine Katastrophe. Früher habe er noch täglich bis zu sieben Kilo Fisch fangen können, sagt er. Heute sei es im Schnitt nur mehr ein Kilo. Der Grund: Ein bereits existierendes Gaskraftwerk östlich von Calatagan. „Das Kühlwasser der Kraftwerke ist ein großes Problem. Es erwärmt das Meerwasser. Das stört die Fische“, erklärt der Fischer.
Eine weitere Gefahr der fossilen Industrie zeigte sich zudem im vergangenen Jahr. Im Februar 2023 kenterte ein Öltanker vor der Küste von Mindoro. 800.000 Liter Industrieöl sind dabei ausgetreten. Mit der Verpestung kämpft die Region noch heute.
Die Bewohner:innen protestieren daher massiv gegen den Ausbau. Mit dabei ist Bayubay und seine Fischervereinigung “Bukluran ng Mangingisda ng Batangas“. Unterstützt werden sie auch von der NGO “CEED” vor Ort sowie der “urgewald” in Europa. Gemeinsam bilden sie die “Protect VIP” Kampagne.
In Wien sind sie, um Aufmerksamkeit auf den drohenden fossilen Ausbau zu lenken. Denn auch die Menschen und Unternehmen hier sehen sie in der Verantwortung. „Ich möchte, dass unsere Stimmen auch gehört werden. Denn in wessen Interesse geschehen diese Sachen? An uns denken sie dabei nicht“, betont Bayubay.
Finanzielle Verstrickungen europäischer Banken
Was er konkret auch hier in Wien fordert? Dass europäische Banken ihre Investitionen in fossile Projekte stoppen. Denn das Geld dafür kommt von ihnen. In der Hoffnung, dass auch die Gewinne wieder an sie zurückfließen, ermöglichen sie mit anderen den massiven Ausbau der neuen Terminals.
Ein Gaskraftwerk soll etwa von der philippinischen San Miguel Corporation realisiert werden. Sie betreibt bereits das Gaskraftwerk Ilijan in der VIP. Finanziert wird San Miguel laut Recherchen von „urgewald“ mitunter mit Mitteln von europäischen Banken. Demnach gehören die Schweizer Großbank UBS, die Deutsche Bank sowie die Allianz-Tochter PIMCO zu Geldgebern der San Miguel Corporation. PIMCO sei ebenfalls Investor bei Shell. Der britische Energieriese plant wiederum eines der Flüssiggas-Terminals.
Für Bayubay wäre der Stopp dieser Geldflüsse ein erster Schritt zur Erhaltung der VIP und ihres marinen Reichtums. Für ihn liegt die Lösung in erneuerbaren Energien. „Wir haben so viele Möglichkeiten und die Philippinen so viel Potenzial. Wieso müssen wir den schädlichen Weg gehen?“, fragt er. Und er erklärt: „Wir sind alle Kinder dieser Erde. Ich bin für alle von uns hier, vor allem für die kommenden Generationen.“