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Demokratie

Vermeintliches Baumwollverbot in der EU: Das steckt dahinter

Vermeintliches Baumwollverbot in der EU: Das steckt dahinter
Viele Medien berichten über ein mögliches Baumwollverbot in der EU. Die Empörung ist groß. Laut der EU soll so ein Verbot aber gar nicht kommen. Angetrieben wurden die Meldungen von EU-feindlichen Medien und Parteien.

Wird Baumwolle in der EU verboten?

Nein.

Die EU-Kommission hat klargestellt, dass solche Behauptungen falsch sind. Es gibt kein Verbot von Baumwolle und es wird auch keines kommen.

Sind die Berichte über ein Baumwollverbot in der EU gelogen?

Manche davon: Ja. Irreführend sind fast alle. Zumindest werden in solchen Berichten immer wieder wichtige Informationen über die wahren Entwicklungen weggelassen. Dass man wirklich glaubt, dass es ein EU-Verbot für Baumwolle geben wird, kann ein Medium nach einer gründlichen Recherche und bei einer ausgewogenen Darstellung jedenfalls nicht glaubwürdig behaupten.

Was plant die EU wirklich mit Baumwolle?

Es gibt Anlass für die künstliche Empörung: Der übermäßige Konsum von Textilien ist schlecht für Umwelt, Klima und auch für Menschen. Die EU will deswegen für mehr Kreislaufwirtschaft sorgen. Das heißt: mehr nachhaltige und haltbare Kleidungsmittel und weniger Fast Fashion. Das hat sie in einer “Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien” festgelegt, die 2023 vom Parlament angenommen wurde.

Die in der Strategie formulierten Ziele sollen bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden. Das könnte auch Textilien aus Baumwolle empfindlich treffen. Der Rohstoff ist im Anbau umweltschädlich und kann nicht so gut recycelt werden, wie es die EU in ihrer Strategie vorsieht.

Nur: Diese Ziele der EU sind nicht rechtlich bindend. Es ist eine Vision, für deren Erreichen noch kaum Maßnahmen umgesetzt wurden. Die EU ist noch dabei, diese auszuarbeiten. Dass mit einer immer weiter rechts lehnenden EU radikale Einschnitte für Klimaziele gesetzt werden, ist dabei jedoch absehbar. Eines ist auf jeden Fall sicher: Ein Verbot von Baumwolle wird es nicht geben.

Warum gibt es plötzlich so viele Berichte über ein Baumwollverbot in der EU?

Der Ursprung der Meldung war vermutlich ein Bericht auf der Seite “Fashion United” aus dem Dezember. Der hat zwar das Wort “Baumwollverbot” im Titel. Doch im Artikel werden deutlichere Vorgaben von der EU gefordert und die Textilindustrie zu mehr Innovationen aufgefordert, um die Baumwollabhängigkeit zu senken.

Der Artikel wurde vor allem von EU-feindlichen Medien und dem Boulevard aufgegriffen. Dort wird ein Verbot dann als bereits fix bezeichnet oder als unmittelbar bevorstehend dargestellt, obwohl es nicht einmal die Absicht dazu je gegeben hat:

Die Erzählung funktioniert wie viele ähnliche über die EU: Die da oben entscheiden etwas völlig Absurdes. Die einfachen Menschen müssen darunter leiden. In Zukunft dürfen wir nur mehr Plastikkleidung tragen!

Empörung bringt Klicks und Zustimmung. Ganz besonders, wenn es gegen die EU geht. Wenig überraschend hat sich auch die FPÖ in der Person von Roman Haider dem Thema angenommen. Der ist selbst Mitglied des Europäischen Parlaments – und sollte es als solcher eigentlich besser wissen. Stattdessen teilt er Falschinformation auf seiner Facebook-Seite:

Gegen Kleidungsmüll: Was ist die “Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien” der EU?

Laut der Strategie sollen Textilerzeugnisse in Zukunft: 

  • langlebig und recyclingfähig sein,
  • größtenteils aus Recyclingfasern bestehen,
  • keine gefährlichen Stoffe enthalten,
  • unter Einhaltung von sozialen Rechten entstehen.

Dazu werden unterschiedliche Maßnahmen erarbeitet:

In der Ökodesign-Verordnung werden Anforderungen geregelt, die Produkte nachhaltiger machen. Außerdem sind Hersteller dazu verpflichtet, mehr Informationen über die Produkte und ihre Herstellung bereitzustellen. Auch die Vernichtung unverkaufter Waren möchte die EU in der Verordnung unterbinden.

Mit einem digitalen Produktpass soll man sich genauer über die Herstellung und die Lieferkette informieren können. Das dient nicht nur Konsument:innen. Auch für Recyclingunternehmen ist es wichtig zu wissen, welche Stoffe in der Herstellung von Produkten zum Einsatz kommen.

Mit 1. Jänner wurde bereits die “Getrenntsammlungspflicht” umgesetzt. Sie verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten dazu, Altkleider extra zu entsorgen. Sie sollen nicht mehr im Restmüll landen, auch wenn sie verschmutzt sind. In Österreich wird bisher nicht einmal ein Fünftel der Textilabfälle recycelt.

Ist Baumwolle wirklich so schlecht für die Umwelt?

Baumwolle ist wie viele andere Textilien kein nachhaltiges Material. Der Grund dafür liegt vor allem im enormen Wasserverbrauch. Für ein T-Shirt aus Baumwolle werden zwischen 2.000 und 20.000 Liter Wasser benötigt. Und das in Regionen, die in den meisten Fällen bereits unter Wasserknappheit leiden.

Ein weiteres Problem ist der starke Einsatz von Spritzmitteln. Greenpeace bezeichnet Baumwolle als “Königin der Pestizide”. 11 Prozent aller weltweiten Schädlingsbekämpfungsmitteln werden laut der Organisation nur für den Anbau von Baumwolle eingesetzt.

Das hat Auswirkungen auf die Umwelt und Tiere – aber auch Arbeiter:innen. Ihre Gesundheit wird auch durch giftige Farben und weitere Chemikalien bei der Verarbeitung gefährdet. Sie leiden oft zusätzlich unter schlechten Arbeitsbedingungen, auch Kinderarbeit kommt häufig vor.

Hätten wir überhaupt Alternativen zur Baumwolle?

Auch wenn es kein Verbot von Baumwolle gibt: Nachhaltig ist der Rohstoff nicht. Das gilt aber auch für Fasern wie Polyester und ähnliche Materialien, für deren Herstellung Erdöl benötigt wird. Es wäre also gut, stärker auf Alternativen zu setzen. Welche Möglichkeiten gibt es dafür?

Der Umstieg auf mehr Bio-Baumwolle wäre ein Schritt. Die verbraucht im Anbau viel weniger Wasser als konventionelle Baumwolle, es dürfen keine Pestizide verwendet werden, der negative Einfluss auf die Umwelt ist geringer. Unterschiede in der Qualität des Produkts gibt es grundsätzlich keine.

Bio-Baumwolle ist auf jeden Fall besser und nachhaltiger als Baumwolle. Aktuell liegt der Anteil an der gesamten Baumwollerzeugung noch bei rund einem Prozent. Hier könnte auch die EU mit gezielten Förderungen ansetzen.

Daneben gibt es noch alternative Fasern, etwa Lyocell. Die Faser wird, ähnlich wie Viskose, aus Zellulose gewonnen. Sie gilt als besonders umweltschonend, da in allen Herstellungsschritten biologisch abbaubare Mittel eingesetzt werden. Sie ist allerdings vergleichsweise teuer. Und sie könnte die enorme Nachfrage nach Textilwaren einfach nicht befriedigen.

Dafür konsumieren wir zu viel. Auch hier muss die EU ansetzen: Wegwerfware darf nicht mehr so günstig sein und unverkaufte Kleidung nicht einfach so vernichtet werden.

Was unternehmen Regierungen gegen Fast Fashion?

Der Kampf gegen den Trend zur Wegwerf-Kleidung wird auch auf nationaler Ebene geführt. Ein Vorreiter ist Frankreich. Bereits seit 2008 gibt es dort ein Projekt zur Wiederverwertung von Kleidung und Schuhen, zu dem auch die Industrie beiträgt. Im März 2024 hat das Parlament einem neuen Gesetz gegen Fast Fashion zugestimmt, es muss noch im Senat bestätigt werden.

Dabei setzt man, wie die EU, auf ausführlichere Informationen für Konsument:innen. Wo, wie und mit welchen Auswirkungen Kleidung hergestellt wird, muss direkt ersichtlich sein. Das Gesetz sieht außerdem ein Verbot von Werbung für Fast Fashion-Anbieter vor und soll ihre Produkte mit einem Aufschlag von bis zu zehn Euro pro Stück versehen.

In Kalifornien werden Textilkonzerne in Zukunft zur Finanzierung von Reparatur- und Recylingprogrammen verpflichtet. Das soll als Anreiz für Unternehmen dienen, stärker auf nachhaltige Textilen zu setzen. In den Niederlanden ist ein ähnliches Gesetz seit 1. Juli 2023 in Kraft.

Doch einzelne Länder können gegen die Marktmacht der Textilindustrie nur wenig ausrichten. Umso wichtiger, dass sich die EU für nachhaltigere Produkte und bessere Arbeitsbedingungen einsetzt.

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    Kommentare 1 Kommentar
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  • frizzdog
    15.01.2025
    WAHRHEIT ist fad und anstrengend. DUMMHEIT ist immer in der überzahl. also mobilisiert die DUMMHEIT! - sendet einen verhaltensgestörten mit unkonkreten nullbotschaften nach Brüssel, macht ein paar presseaussendungen bedrohlichen inhalts und alles is leiwaund.
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