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Gesundheit

Beliebte Reha in Gefahr: Was passiert mit dem Weißen Hof?

Das Reha-Zentrum “Weißer Hof” soll in einigen Jahren von Klosterneuburg nach Wien siedeln - gegen die Interessen von PatientInnen und TherapeutInnen. Schon jetzt gibt es rund 20 Prozent weniger MitarbeiterInnen, aber kein konkretes Konzept von dem Träger AUVA. Der Betriebsrat fordert eine Diskussion über die Zukunft des Rehabilitationszentrums mitten im Grünen.

Mitten im Wienerwald auf einem Hügel liegt der “Weiße Hof”. Von der Straße, die von Klosterneuburg hinaufführt, sieht man das Flachdach des Betonbaus aus den 80ern immer wieder über den Baumkronen. Es ist eines von drei Rehab-Häusern der österreichischen Unfallversicherung AUVA.

Thomas Musska ist immer wieder im Weißen Hof. Vor 20 Jahren hatte der Nachrichtentechniker einen Motorradunfall während er von einem Sendemast zum anderen fuhr. Ein Arbeitsunfall mit schweren Folgen. Alle vier bis fünf Jahre bekommt er seither eine neue Prothese, geht sie vor Ort ein und verbessert seinen Gang. Am weißen Hof kann er sich körperlich und emotional aufbauen. Hier gibt es ÄrztInnen, TherapeutInnen, Pflege, Geräte und viel Bewegungsfreiraum. Und: Das I-Tüpfelchen sind die Grünflächen.

Die meisten der PatientInnen in den Rehabilitationseinrichtungen der AUVA haben wie Thomas eine Amputation hinter sich oder sind querschnittsgelähmt. Einige sitzen im Rollstuhl. Fast vierzig Tage bleiben die PatientInnen durchschnittlich hier, viele mehrere Monate.

Vom Wienerwald nach Meidling

Seit den 1970er besitzt die AUVA die Anlage. Mit 122 Hektar Fläche ist sie größer als der achte Bezirk in Wien. Knapp die Hälfte davon wird heute als Therapiegebiet genutzt. Mitten im Grünen steht das weiß und gelb gestrichene Gebäude. Das Haus ist alt und müsste saniert werden. Wie viel das kosten würde hat die Eigentümerin AUVA offiziell noch nicht erhoben.

Stattdessen steht ein vager Plan: 2026 sollen die MitarbeiterInnen und PatientInnen des Weißen Hofs zum Unfallkrankenhaus Meidling ziehen – in einen Neubau. Schon jetzt gibt es dort neben dem Spital ein weiteres Rehabilitationszentrum. Das RZ Meidling ist auf Schädel-Hirn-Traumata spezialisiert. Die beiden Häuser sollen künftig in Meidling örtlich kombiniert, aber eigenständig geführt werden.

Außerdem soll es zusätzlich noch eine neue ambulante Reha geben. Die ist für PatientInnen gedacht, die zwar auch eine Betreuung für mehrere Stunden am Tag brauchen, aber nicht unbedingt über Nacht im Rehabzentrum bleiben müssen. Auch dort sollen in Zukunft MitarbeiterInnen des weißen Hofes arbeiten. Das hat der damalige Generaldirektor der AUVA dem RZ Meidling und dem Weißen Hof Ende 2018 mitgeteilt.

In sechs Jahren soll gesiedelt werden, also Zeit genug, um ein neues Gebäude zu bauen und sich um eine Weiternutzung der Klinik in Klosterneuburg zu kümmern? Nicht ganz. Für die neue ambulante Rehab wurde das RZ Meidling bereits umgebaut.

Personalmangel ab Oktober: „Wir verlieren die Möglichkeit gute Arbeit zu leisten“

Rund 20 Prozent der Physio- und ErgotherapeutInnen vom weißen Hof arbeiten schon ab Oktober in Meidling. Das erfuhren die MitarbeiterInnen überraschend und erst Anfang des Sommers.

Seitdem sei die Stimmung in Klosterneuburg „aufgeheizt. Ein Physiotherapeut spricht vom „Aushungern“ des Weißen Hofs, mit Oktober fürchtet er einen Personalmangel. Das löst bei ihm und seinen KollegInnen große Unsicherheit aus. Denn statt der 22,5 Vollzeitstellen in der Physiotherapie gibt es jetzt nur mehr 18, die Betreuung der PatientInnen am Weißen Hof wird aber nicht weniger aufwendig.

Zwar gibt es seit den Corona-Maßnahmen weniger PatientInnen im Haus – nur rund 125 statt der 200 Betten sind aktuell belegt. Doch auch Gruppentherapien sind nur mit der Hälfte der PatientInnen möglich. Das heißt, eine Therapeutin muss trotz der gesunkenen PatientInnenzahlen die gleiche Anzahl an Gruppen machen. „Am Papier schaut die Reduktion der PatientInnen super aus, aber es sind ja nie alle KollegInnen gleichzeitig da“, sagen die Betriebsräte Klaus Kronsteiner und Siegmund Linder zu der aktuellen Situation. Ab Oktober können die Therapien nicht mehr hundertprozentig abdeckt werden, wenn jemand krank oder auf Urlaub sei. Durch den Personalabbau verliere der Weiße Hof die Möglichkeit „wirklich gute Arbeit zu leisten“.

Außerdem befürchten die beiden, dass die reduzierten Betten- und MitarbeiterInnenzahlen eine Dauerlösung sind: „Es kommt das Gefühl auf, dass man probiert, das System so weit wir möglich herunterzufahren. Damit man dann später sagen könne, das Haus sei viel zu groß für viel zu wenig PatientInnen.“

Ein Großteil der MitarbeiterInnen lehnt einen Umzug 2026 ab. Bei einer vom Betriebsrat durchgeführte Befragung haben 40 Prozent der MitarbeiterInnen teilgenommen. 86 Prozent davon wollen in Klosterneuburg bleiben.

Proteste der MitarbeiterInnen

Von der AUVA wünschen die Betriebsräte sich vor allem eines: eine offene und transparente Diskussion über die Zukunft des Hauses. Dabei sind die beiden nicht gegen die neue Tagesambulanz in Meidling. Ein neues Standbein im Ballungsraum mit guter öffentlicher Anbindung und direkt im Krankenhaus finden sie sinnvoll und richtig. Sie sind nur gegen eine Schließung des Weißen Hofes.

Denn es werde immer auch PatientInnen geben, die eine Langzeit-Reha brauchen. Mehrere Monate oder sogar ein Jahr verbringen sie dann vor Ort. Linder ist auch Psychologe im Haus. „Unsere PatientInnen haben Unfälle, die nicht nur körperlich, sondern auch psychisch belastend sind“, sagt er. Die Lage im Grünen und das große Areal seien für eine Rehabilitation ideal und neben der guten Arbeit auch für den guten Ruf verantwortlich.

17.000 Unterschriften von ehemaligen PatientInnen

Der ehemalige Patient Thomas Musska sieht nicht ein, warum der Standort aufgegeben werden soll: „Die Betreuung ist in Meidling wahrscheinlich genauso perfekt wie im Weißen Hof, nur für die Psyche ist es nicht so gut”. Viele Therapieräume sind in Klosterneuburg ebenerdig, der Weg auf die Wiese ist kurz und schnell erreichbar. Außerdem gibt es auch längere Wanderwege, das eignet sich gut zum Üben mit Rollstuhl und Prothese. „Dass der weiße Hof still und heimlich geschlossen wird, das kann einfach nicht sein.“ Aus diesem Grund hat er gemeinsam mit anderen PatientInnen eine Petition zum Erhalt des Standorts gestartet. Rund 17.000 Unterschriften haben sie bis jetzt gesammelt.

Fehlende Pläne und Konzepte

Laut einer von der AUVA selbst durchgeführten Studie sei es durchaus sinnvoll nach Meidling zu siedeln. Gesehen hat das Dokument aber weder die Öffentlichkeit noch der Betriebsrat. Es gibt keine Zahlen, wie viel der Neubau in Meidling kosten würde. Auch die Frage, warum keine Analyse in Auftrag gegeben wurde, wie viel eine Sanierung des Weißen Hofs kosten wurde, bleibt offen. Ob sich also der Kauf von neuem Grund inklusive neuem Gebäude in der Stadt im Gegensatz zu einer Sanierung des Weißen Hofes auch finanziell lohnt, bleibt vorerst unbeantwortet.

Während die Eröffnung der Tagesklinik kurz bevor steht, gibt es für den Neubau in Meidling aktuell weder einen veröffentlichten Plan noch ein konkretes Konzept. Auch über die Nachnutzung des großen Areals am Hügel in Klosterneuburg gibt es heute nur eine Reihe von Gerüchten.

Rudolf Silvan war elf Jahre lang bei der AUVA und sitzt heute für die SPÖ im Nationalrat. Auch er findet die Idee einer Angliederung des Reha-Zentrums an ein Spital gut. Doch weil es bis jetzt keine konkreten Pläne und Konzepte gibt, vermutet er ein bewusstes Verschleppen eines Nachnutzungskonzeptes von dem Vorstand. Mit dem frühen Siedeln eines Teils der PatientInnen und TherapeutInnen wolle man wohl neue Tatsachen schaffen. „Irgendwann wird man sagen, da oben am Hügel ist eh nichts mehr los, es gibt kaum PatientInnen. Wir sollten uns überlegen, ob wir uns nicht vom weißen Hof trennen sollen.” Damit könnte die AUVA Kosten einsparen. „Man versucht eine Einrichtung nach der anderen abzustoßen, und so den Weg für die nächste Beitragssenkung frei zu machen, auf Kosten der PatientInnen, auf Kosten der MitarbeiterInnen.” 

Der Hintergrund: Die AUVA ist eine Versicherung für Unternehmen, damit sie nicht für Unfälle ihrer MitarbeiterInnen haften. Finanziert wird sie über die Lohnnebenkosten. Mit Sparmaßnahmen sollten sie für ArbeitgeberInnen gesenkt werden, das war eine zentrale Forderung der schwarz-blauen Regierung. 2018 wurde mit Senkung der Lohnnebenkosten der Beitrag zur Unfallversicherung von 1,3 auf 1,2 Prozent gesenkt.

Bereits im März hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober zu einem runden Tisch geladen. Coronabedingt wurde dieser jedoch verschoben, Ersatztermin gibt es noch keinen. Das Ministerium kann dabei als Vermittler agieren, zuständig ist aber prinzipiell die AUVA selbst. Die hält sich bedeckt und reagiert auf mehrmalige Anfrage von MOMENT weder auf die Vorwürfe noch auf Fragen zum geplanten Umzug. Das einzige, was aktuell fix ist: Ab Oktober arbeitet der Weiße Hof abgespeckt weiter.

 

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