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Kapitalismus
Ungleichheit

Die ersten zwei Benko-Prozesse sind zu Ende: Was wir aus den Urteilen lernen können

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In zwei Gerichtsprozessen wurde der Unternehmer René Benko nicht rechtskräftig schuldig gesprochen. Das Delikt: betrügerische Krida. Was der Begriff eigentlich bedeutet und warum Schenkungssteuern es künftigen Benkos schwerer machen würden, ihr Geld vor ihren Gläubiger:innen zu verstecken, erklärt Leonhard Dobusch.

Kurz vor Ende des Jahres endete auch der zweite Benko-Prozess – und zwar so wie der erste Prozess im Oktober: mit einem Schuldspruch für René Benko wegen betrügerischer Krida. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig, es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.

Doch haben wir durch die ersten beiden Strafverfahren auch Neues über die Hintergründe des Signa-Komplexes erfahren? Gibt es politische Ableitungen? Und: Wie geht es 2026 weiter mit der Aufarbeitung der größten Pleite in Österreichs Geschichte?

Grundsätzlich waren die ersten beiden Strafverfahren bestenfalls ein erstes Warmlaufen. Es kommen noch weitere, kompliziertere Prozesse. Denn in beiden Verfahren spielte das von René Benko mutmaßlich gesteuerte Signa-Firmengeflecht keine Rolle. Verhandelt wurde der Vorwurf „betrügerische Krida” im Zuge der Insolvenz des Unternehmers René Benko. Die musste Benko im Zuge des Zusammenbruchs des Signa-Firmengeflechts anmelden.

Betrügerische Krida begeht nun jemand, der im Vorfeld oder im Zuge einer Insolvenz Vermögen verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder auch nur zum Schein verringert und dadurch dem Zugriff seiner Gläubiger:innen entzieht. Genau das hat das Landesgericht Innsbruck in zwei erstinstanzlichen und noch nicht rechtskräftigen Urteilen als zweifelsfrei erwiesen angesehen.

In beiden Fällen im Zentrum: Schenkungen. Das ist kein Zufall, denn in Österreich steuerfreie Schenkungen spielten im Benko-Signa-Komplex nicht erst im Zuge der Insolvenz eine wichtige Rolle. Schauen wir uns dafür die Sachverhalte genauer an.

Die Luxus-Uhren der Kinder am eigenen Handgelenk

Im jüngsten Prozess hat René Benko behauptet, Luxus-Uhren im Wert von rund 100.000 Euro bereits 2021 an seine Kinder verschenkt zu haben, weshalb er sie nicht im Vermögensverzeichnis im Insolvenzverfahren angeführt habe. Gleichzeitig dokumentieren jedoch Fotos von öffentlichen Auftritten, dass Benko diese Uhren auch nach der vermeintlichen Schenkung selbst getragen hatte. 

Allerdings hatte Benko die vermeintlichen Schenkungen nicht beim Finanzamt gemeldet, was bei über 50.000 Euro auch bei Schenkungen an Familienangehörige verpflichtend ist. Auch deshalb wertete das Gericht Benkos Rechtfertigung als Schutzbehauptung und verhängte eine Strafe von 15 Monaten bedingter Haft. 

Schenken und zurückschenken

Noch aufschlussreicher ist aber die erste Verurteilung vom 15. Oktober 2025. In diesem Prozess wurde Benko nicht rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, weil er Ende November 2023 – just in jenem Monat, als die erste Signa-Firma Insolvenz anmelden musste – 300.000 Euro seiner Mutter geschenkt und so dem Gläubigerzugriff entzogen haben soll

Brisant daran ist, dass es sich bei den 300.000 Euro um eine „Rückschenkung” gehandelt hat: Denn zunächst hatte er von seiner Mutter Ingeborg 1,5 Millionen Euro zur Deckung des Lebenswandels von ihm und seiner Familie geschenkt bekommen. Seine Einkünfte reichten zu dem Zeitpunkt längst nicht mehr dafür aus.

Seine Mutter wiederum hatte das Geld als Begünstigte von zwei Stiftungen erhalten und dann eben an René Benko weitergeschenkt. Konkret geht es um die österreichische Laura-Privatstiftung sowie die Ingbe-Stiftung in Liechtenstein. Beide Stiftungen waren ursprünglich von René Benko gegründet worden. Vor über zehn Jahren war Benko zum ersten Mal strafrechtlich verurteilt worden, die Verurteilung ist mittlerweile getilgt. Nach dieser Verurteilung hat Benko jedoch die Stifterrechte an seine Mutter übertragen. Benko hatte danach zumindest offiziell keine Rolle mehr in diesen Stiftungen inne.

Auch deshalb lässt sich die Stiftungsgründung mit Familienangehörigen als Begünstigten de facto ebenfalls als Schenkung interpretieren. Wobei zumindest diese Quasi-Schenkung nicht völlig steuerfrei war: Das Einbringen von Vermögen in eine Stiftung war zum Zeitpunkt der Gründung der Laura-Privatstiftung mit einem Stiftungseingangssteuersatz von 2,5 Prozent verbunden – im Juli wurde dieser auf 3,5 Prozent erhöht.

Warum hat Benko sein gesamtes Vermögen zumindest formal aus der Hand gegeben? Sehr wahrscheinlich werden dabei Steuervorteile von Privatstiftungen gegenüber GmbHs oder anderen Unternehmsrechtsformen eine Rolle gespielt haben. Aber das ist ein eigenes Thema, das ich in dieser Reihe schon einmal behandelt habe. 

Die Überreichen beschenken sich im Kreis ...

Hinzu kommt aber, dass Vermögen damit im Falle von Insolvenzen oder anderen gerichtlichen Auseinandersetzungen vor Ansprüchen gut geschützt ist – zumindest, solange René Benko selbst nicht als Begünstigter oder Vorstand noch Zugriff auf die Privatstiftung gehabt hat. Und genau das war offiziell der Fall. Gleichzeitig konnte sich Benko ganz offensichtlich darauf verlassen, dass ihm seine Mutter oder andere Familienangehörige im Bedarfsfall mit Schenkungen aushelfen würden. 

Eine Konstruktion, die in Österreich auch deshalb besonders gut funktioniert, weil mit der Erbschafts- auch die Schenkungssteuer abgeschafft worden ist. So konnte Ingeborg Benko ihrem Sohn einfach so mal 1,5 Millionen Euro für seine Lebensführung weiter- oder besser gesagt, zurückschenken. Schließlich sind ihre Auszahlungen als Stiftungsbegünstige ja auch nichts anderes als ein Geschenk ihres Sohnes gewesen.

... Schenkungssteuern würden helfen

Wir halten fest: Erbschafts- und Schenkungssteuern mit Freigrenzen sind nicht nur sinnvoll, weil sie Steuereinnahmen bringen. Sie würden auch das Im-Kreis-Schenken im überreichen Familienverband zumindest verteuern.

In den voraussichtlich im nächsten Jahr anstehenden weiteren Benko-Prozessen wird sich dann aber vor allem die Frage stellen, ob diese Schenkungen jemals tatsächlich vollzogen wurden oder ob es sich letztlich um Scheingeschäfte gehandelt hat. Vieles deutet darauf hin, dass Benko nie vorhatte, den Zugriff auf das Stiftungsvermögen aus der Hand zu geben – dass seine Mutter nur die Rolle einer „Strohfrau" übernommen und alles unterschrieben hat, was ihr Sohn ihr vorgelegt hat.

 

Die Klärung der Frage nach Benkos faktischem Zugriff auf die Geschäftstätigkeit der Stiftungen ist von entscheidender Bedeutung für die zivil- wie strafrechtliche Aufarbeitung des Signa-Immobiliengeflechts. Denn während es bei den ersten beiden Prozessen nur um Handlungen in zeitlichem Zusammenhang mit der Insolvenz von René Benko ging, waren die Privatstiftungen schon zehn Jahre davor eng mit dem operativen Geschäft diverser Signa-Firmen verflochten.

Ironischerweise bestätigte Benko-Anwalt Norbert Wess das im ersten der beiden Prozesse. Er betonte dort, dass die Liechtensteinische Ingbe-Stiftung den letzten Zufluss im Jahr 2015 erhalten und danach „alleine gewirtschaftet” habe. Doch wann die letzte Zuwendung erfolgt ist, ist überhaupt nicht wichtig. Entscheidend ist vielmehr, wie gewirtschaftet wurde und ob René Benko als faktischer Machthaber sowohl von Signa-Unternehmen als auch der Stiftungen fungiert hat.

130 Millionen Euro Gewinn durch „serviceorientierte Verwaltung”

Im Fall der Ingbe-Stiftung bestand dieses „Wirtschaften” nämlich unter anderem darin, Anteile von einer Signa-Firma an eine andere Signa-Gesellschaft zu verkaufen – und auf diese Weise beträchtliche Veräußerungsgewinne zu erzielen. Veräußerungsgewinne in der Stiftung, mit René Benkos Mutter als Begünstigter und möglicherweise Benko selbst als faktischem Geschäftsführer.

Ein prominentes Beispiel für die zentrale Bedeutung der Privatstiftungen im Benko-Signa-Komplex ist der Kauf des ehemaligen Leiner-Hauses in der Wiener Mariahilferstraße 10. Also jene Adresse in Wiens wichtigster Einkaufsstraße, an der das Luxus-Kaufhaus „Lamarr“ hätte entstehen sollen, dessen Rohbau aber gerade wieder abgerissen wurde. 

Zuerst kaufte die Laura-Privatstiftung das Leiner-Haus. Das war 2017 zwischen Weihnachten und Neujahr, dank – Zitat Sebastian Kurz – „serviceorientierter Verwaltung”. Der Preis lag bei 60 Millionen Euro. Nur 15 Monate später hat die Privatstiftung das Gebäude dann um sagenhafte 190 (!) Millionen an eine Signa-Firma weiterverkauft

Umgehungskonstruktionen sind zu attraktiv

Mutmaßlicher Gewinn in der Laura-Stiftung durch diese einzelne Transaktion: rund 130 Millionen Euro. Soviel auch zum Thema „alleine gewirtschaftet”: Ihre Erträge hatten die Stiftungen demnach mutmaßlich dem Umstand zu verdanken, dass René Benko sowohl in der Laura-Privatstiftung als auch in der Signa-Gesellschaft, die als Käufer auftrat, die faktische Kontrolle ausgeübt hat. Offenbar wurden auf diese Weise über die Jahre hinweg Millionen und Abermillionen in die Einflusssphäre von Privatstiftungen im Benko-Umfeld verschoben – und im Unterschied zu Zuwendungen fallen bei diesen Transaktionen keine Stiftungseingangssteuern an.

In den jetzt anstehenden Prozessen wird zu klären sein, ob solche mutmaßlichen Insider-Geschäfte auf Kosten anderer Signa-Investor:innen nicht nur verbotene Einlagenrückgewähr, sondern möglicherweise Untreue- und Betrugstatbestände verwirklichen. Knackpunkt wird dabei sein, nachzuweisen, wie weitreichend die faktische Kontrolle von René Benko in den Stiftungen wie in den diversen Signa-Firmen war.

Aber selbst wenn manche dieser Prozesse mit Freisprüchen enden sollten, ändert das nichts am politischen Handlungsbedarf. Zumindest bei großen Schenkungen im Bereich von 100.000 Euro und mehr braucht es in einem ersten Schritt eine bessere Durchsetzung der bestehenden Meldepflicht beim Finanzministerium. In der Debatte um eine Wiedereinführung von Erbschafts- und Schenkungssteuern wiederum demonstriert der Fall, dass es nicht alleine um das Steueraufkommen geht. Mindestens so wichtig ist auch, dass Umgehungskonstruktionen wie bei Benko durch Schenkungssteuern finanziell weniger attraktiv werden.

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