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Ungleichheit

Bezahlkarte für Asylsuchende? Warum kein Bargeld das Recht auf Teilhabe verhindert

Bezahlkarte für Asylsuchende? Warum kein Bargeld das Recht auf Teilhabe verhindert
Sollen Asylsuchende in Österreich künftig eine Art Bankomatkarte mit Guthaben bekommen? Foto: Pixabay
Die ÖVP will das deutsche Modell einer Bezahlkarte für Asylwerber:innen kopieren. Statt Bargeld sollen Schutzsuchende eine Art Bankomatkarte mit Guthaben bekommen. Und damit kein Geld mehr in Herkunftsländer schicken können. Damit wird aber ein grundlegendes Menschenrecht genommen.

Sachleistungen statt Geld für Asylwerbende. Dieses Prinzip vertritt die ÖVP schon länger. In einigen deutschen Bundesländern wird aktuell eine Bezahlkarte für Asylwerber:innen getestet. Das wünscht sich auch die ÖVP.

Befürworter:innen sind sich sicher: Ohne Bargeld gäbe es weniger Asylsuchende im Land. Weniger Geld würde in Heimatländer überwiesen werden. Was bedeutet das exklusive Geldsystem aber wirklich für Schutzsuchende? Wir haben mit Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination Österreich darüber gesprochen. 

MOMENT.at: Ziel des Bezahlkartensystems scheint, dass österreichisches Geld auch in Österreich bleibt. Wie viel Grundsicherung bekommen Asylsuchende aktuell überhaupt in Österreich? 

Lukas Gahleitner-Gertz: Kommen Schutzsuchende nach Österreich, durchlaufen sie erst einmal ein Zulassungsverfahren. Dafür stehen Betreuungseinrichtungen auf Bundesebene zur Verfügung. In diesen Einrichtungen wird ein Dach über dem Kopf gewährt und ein Bett bereitgestellt. Alle weiteren Leistungen sind Sachleistungen. Daneben gibt es 40 Euro Taschengeld pro Monat. 

Sobald die Personen zu einem Asylverfahren zugelassen sind, werden sie in die Systeme der Bundesländer überstellt. Wenn es in diesen Unterkünften keine Verpflegung gibt, dann bekommen Schutzsuchende ein Essensgeld ausbezahlt. Das liegt in der Regel zwischen 6,50 Euro und 7,50 Euro pro Tag. Plus die 40 Euro Taschengeld pro Monat. Von diesem Geld müssen sie sich dann alles selber kaufen, von Lebensmitteln bis zu Medikamenten. 

Am Beispiel Wien reden wir hier also von einem Betrag von insgesamt 235 Euro pro Monat. Das ist die Grundversorgung pro Person. 

MOMENT.at: Was ändert sich für betroffene Personen im Alltag, wenn es kein Bargeld mehr gibt?

Gahleitner-Gertz: Das ganze Thema ist nicht neu, wir hatten die Debatte 2015 schon einmal. Und haben uns dagegen entschieden. Dazu muss ich gleich sagen: Ich bin sehr kritisch, ob das rechtlich überhaupt zulässig ist. Denn es gibt das Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Prozess. Und wenn es in Österreich überhaupt kein Bargeld mehr gibt für Asylwerber:innen, dann sind diese Personengruppen wesentlich ausgeschlossen. 

Ein Beispiel aus der Schule: Ein geflüchtetes Kind muss für einen Ausflug oder den Besuch in einem Schwimmbad etwas dazu geben. Hier gibt es oft eh schon mehrere Diskriminierungsebenen. Sei es die Sprachbarriere, dass das Kind (noch) nicht schwimmen kann oder welche Kleidung es dabei trägt. Und wenn es dann nicht einmal die paar Euros parat hat, ist der Ausschluss vorprogrammiert. Würde man also alles auf Bezahlkartensysteme umstellen, würde das für viele eine starke Stigmatisierung und Benachteiligung bedeuten. 

MOMENT.at: Befürworter:innen erhoffen sich durch die Maßnahme auch, dass Menschen die Anreize fehlen, nach Österreich zu kommen und hier Asyl zu beantragen. Ist da etwas dran? 

Gahleitner-Gertz: Für mich gibt es da keine Evidenz. Meiner Meinung nach, ist da wirklich der Bezug zur Realität verloren gegangen. Von 235 Euro im Monat muss die Person ja hier in Österreich (über)leben. Selbst wenn es Personen gelingt, 20 bis 30 Euro davon anzusparen und das an Familienmitglieder aus ihrem Heimatland zu überweisen: Ist das so schlimm, dass wir deswegen ein Parallelsystem aufbauen, das viel mehr Kosten verursacht als das bisherige?

Denn: Ein Bezahlkartensystem hätte auch einen gesamtgesellschaftlichen Effekt. Es würde den Steuerzahler:innen tatsächlich mehr kosten, wenn man ein neues, separates Bezahlsystem aufbaut. 

MOMENT.at: Worauf sollten wir uns in der Asylpolitik stattdessen konzentrieren?

Gahleitner-Gertz: Ich halte das Ganze für eine Ablenkungsdebatte im aktuellen Wahlkampf und das ärgert mich. Das Grundversorgungssytem in Österreich ist derart veraltet. Es braucht Modernisierung, auch gegen mehr Digitalisierung ist nichts einzuwenden. Darüber hinaus sollten sich Behörden besser an die gesetzlichen Fristen halten. In manchen Bundesländern sehen wir, dass Menschen eineinhalb Jahre auf ein Interview warten. Diese Menschen versauern im Grundversorgungssystem. 

Und anstatt dass man schaut, dass die Leute möglichst schnell integriert werden, werden sie aktuell oft in Inaktivität gedrängt. Der Fokus sollte darauf liegen: Wie macht man Asylsuchende fit für den Alltag in Österreich? Wenn man ihnen Bargeld wegnimmt, ist das einfach Schikane. Man braucht einen Zugang zu Bargeld. Sonst schränkt man das Recht auf Teilhabe massiv ein. Das ist meines Erachtens unzulässig. 

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