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Arbeitswelt

Bildungskarenz: Überall Versäumnisse, aber zahlen müssen die jungen Mütter

Bildungskarenz: Überall Versäumnisse, aber zahlen müssen die jungen Mütter
Versäumnisse gab es wohl auf allen Seiten im Skandal um die Bildungskarenz. Zahlen sollen dafür nur die betroffenen Kursteilnehmer:innen.
15.000 Euro muss Karoline* dem AMS zurückzahlen. Andere, der inzwischen fast 90 Betroffenen des Skandals um die Bildungskarenz, teilweise noch mehr. Sie sind auf ein Institut reingefallen, das auch das AMS getäuscht hat. Das fordert nun das Geld zurück.

Prinzipiell kann jede:r Arbeitnehmer:in mit den Arbeitgeber:innen vereinbaren, in Bildungskarenz zu gehen. Dadurch können sie sich in berufsrelevanter Weise weiterbilden. Für die Dauer werden sie von der Arbeit freigestellt. Das Gehalt wird ausgesetzt, dafür zahlt das AMS ein Weiterbildungsgeld – sofern die Bedingungen erfüllt sind. Das Angebot wird oft von jungen Müttern genutzt. So können sie für ihre Kinder da sein und gleichzeitig ihre Karriere fördern.

15.000 Euro soll Karoline zurückzahlen

Auch Karoline hat eine Bildungskarenz vereinbart und gemacht. Im Frühjahr 2023 erkundigte sie sich über die Bildungskarenz und Kurse, die sie dafür besuchen wollte. Das AMS genehmigte diese. Sie seien sehr gut für eine Bildungskarenz geeignet, hieß es. Das Institut, das die Kurse anbot, warb auch damit, mit dem AMS zusammenzuarbeiten.
Nach zehn Monaten Weiterbildung folgte im Mai 2024 der Schock: Ein Behördenbrief. Karoline wurde aufgefordert, genau aufzuschlüsseln, wie viel Zeit sie pro Kalenderwoche zum Lernen aufgewandt und wie viel Zeit sie in einem Online-Seminarraum verbracht hat. Das Problem: Online-Seminarraum gab es keinen.

Das AMS forderte sie auf, das gesamte erhaltene Weiterbildungsgeld zurückzuzahlen – insgesamt 15.000 Euro. Karoline ist eine von inzwischen rund 90 Betroffenen (Stand 18.07.). Bei der Facebook-Gruppe “Plattform Bildungskarenz“ melden sich laufend weitere.

Die Betroffenen beklagen, das AMS habe ihre Kurse zuerst genehmigt, dann im Nachhinein die Genehmigungen zurückgezogen. Begründung: Die Kurse hätten eine Bedingung nicht erfüllt. Ein gewisser Anteil der aufgewandten Zeit müsse nämlich in einem (Online-)Seminar-Setting ablaufen. Laut Betroffenen wurde diese Bedingung im Voraus nicht durch das AMS kommuniziert. Überhaupt bleibt die Frage: Wieso hat das AMS die Kurse dann ursprünglich genehmigt?

Wieso wurden die Kurse vom AMS genehmigt?

Ein Schlüssel liege in den Anmeldeformularen, welche das Institut ausstellte. Diese seien bereits vom Institut ausgefüllt verschickt worden. Die Kursteilnehmer:innen mussten nur noch ihren Geburtsnamen eintragen und angeben, ob sie sich 16 oder 20 Stunden die Woche weiterbilden wollen. Letzteres war abhängig davon, ob eine Kinderbetreuung zur Verfügung stand. In diesen Formularen habe das Institut Angaben gemacht, laut denen die Kurse den Bedingungen des AMS entsprochen hätten, sagt Gregor Bitschnau, Pressesprecher des AMS.

Er erzählt, die Kursteilnehmer:innen hätten von sich aus das AMS kontaktiert, als diesem Ungereimtheiten aufgefallen sind. Das AMS habe den Ablauf der Kurse überprüft und festgestellt, dass das Institut in den Anmeldeformularen Falschangaben machte und eben nicht den Kriterien entsprach. Die Folge: Die Empfänger:innen des Karenzgeldes müssen dieses zurückzahlen.

Bleibt noch die Frage: Wieso müssen die Betroffenen das Geld zurückzahlen, wenn das Institut falsche Angaben machte? Bitschnau antwortet: „Das AMS muss sich an das Gesetz halten.“ Und das Gesetz will, dass das erhaltene Weiterbildungsgeld von den Bildungskarenzgänger:innen zurückbezahlt wird, sollten ihre belegten Kurse nicht den Anforderungen entsprechen beziehungsweise die Nachweise darüber nicht erbracht werden können.

Überall Versäumnisse, zahlen sollen die Teilnehmer:innen

Das AMS sehe täuschendes Verhalten beim Kursanbieter, aber auch Fahrlässigkeit bei den Betroffenen und habe sowieso keine andere Wahl, als nach dem Gesetz zu handeln. Und gesetzlich ist eben geregelt, dass die entsprechenden Nachweise erbracht werden müssen. Dennoch wurden die Kurse genehmigt. Versäumnisse gibt es also auf allen Seiten. Zahlen sollen nun aber die Betroffenen, die fast ausschließlich junge Mütter sind.

Am Ende eines undurchsichtigen bürokratischen Vorgangs werden sie zur Kasse gebeten. Sie schulden nun Beträge von teilweise über 20.000 Euro. Ein paar haben sich bereits an die Arbeiterkammer gewandt. Die sagt auf Nachfrage, dass sie sich jeden Fall individuell ansehen, beraten und unterstützen werden. Ob eine Lösung gefunden wird, die für alle in Ordnung ist, bleibt abzuwarten.

* Anmerkung der Redaktion: Name von der Redaktion geändert

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    Kommentare 4 Kommentare
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  • thomas
    27.07.2024
    Ich finde, das AMS macht es sich hier sehr einfach, wenn es sich „an das Gesetz“ halten muss. Vielleicht könnte man beim AMS - aber auch hier in der Recherche - dann auch mal mit einer konkreten Aussage klarstellen, inwieweit „im Gesetz“ formuliert ist, dass es sich bei Onlinekursen um ein „Online-(Seminar-)Setting“ handeln MUSS? (Ist das tatsächlich so?) Abgesehen davon, dass hier einiges nach willkürlicher Auslegung und Schikaniereri riecht, habe ich - auch anhand eigener Erfahrungen vor einigen Jahren - den Eindruck, dass im AMS sehr unterschiedlich mit der Bildungskarenz ungegangen wird. Meine Erfahrungen im AMS NÖ waren diesbezüglich zermürbend, wohingegen ich von Bildungskarenznehmer:innen in anderen Landesstellen durchaus auch positive Einschätzungen gehört habe. Zum Eindruck der bürokratischen Willkür mischt sich damit der Geruch eines Politikums - und das zulasten von Arbeitnehmer:innen - und das wiederum in einem AMS, in dessen Gremien Arbeitnehmer:innenvertreter:innen präsent sind. Ein Aspekt dieser Willkür betrifft meiner Einschätzung nach auch die - im Gesetz formulierte - 16-Wochenstunden-Ausnahme im Falle von Kinderbetreuungseinrichtungen. Ich würde mich nicht wundern, wenn dich durch (gute) Recherche herausstellen würde, dass diese 16-Stunden-Ausnahme eigentlich totes Recht ist, da dieee Ausnahme aufgrund der Auslegung des AMS niemals zur Anwendung kommt. In meinem Fall wurde etwa nicht unterschieden, ob es ein öffentliches oder nur ein privates Kinderbetreuungsangebot gibt. Wahrscheinlich hätte das AMS aus ein „Tagesmutter-Angebot“ als vorhandene Kinderbetreuung ausgelegt und mir die 20-Wochenstunden vorgeschieben. Besprech- bzw. diskutierbar ist das ja alles Emailkommunikation via eAMS oder die bürokratischen Telefonate (zu anderen Kommunikationssettings wird man ja gar nicht zugelassen, man ist ständig Bittsteller, ringt um jegliches Informationshäppchen und wird in letzter Konsequenz dazu gezwungen, nicht nachvollziehbare und insofern als willkürlich erscheinende getroffene Entscheidungen zu alzeptieren). Inklusive kostenpflichtiger privater Kinderbetreuung wird man also ziemlich flächendeckend Angebote in Österreich finden, worauf man beim AMS jederzeit ohne weiteren Aufwand, sich mit der Situation der Betroffenen auseinandersetzen zu müssen, verweisen kann, wenn es der Auslegung in der jeweiligen Landesstelle und den Vorgesetzten im AMS gerade als passend erscheint. Kurz: man hat es mit einem bürokratischen Machtapparat zu tun, in dem politisch alles mögliche passiert, den Interessen der Betroffenen (erwerbslosen) Arbeitnehmer:innen aber immer wieder augenscheinlich oftmals nicht wirklich gedient ist.
    Antworten
  • Karin
    25.07.2024
    Aber um welches Institut handelt es sich denn hier? Ist es noch aktiv? Ich werde demnächst auch Bildungskarenz beantragen und möchte nicht in dieselbe Situation kommen.
    Antworten
    • Sandra
      11.11.2024
      Sitya heißt das Institut
    • Nadine
      28.07.2024
      Das wüsste ich auch nur zu gerne!!