Bildungskarenz: Überall Versäumnisse, aber zahlen müssen die jungen Mütter

Prinzipiell kann jede:r Arbeitnehmer:in mit den Arbeitgeber:innen vereinbaren, in Bildungskarenz zu gehen. Dadurch können sie sich in berufsrelevanter Weise weiterbilden. Für die Dauer werden sie von der Arbeit freigestellt. Das Gehalt wird ausgesetzt, dafür zahlt das AMS ein Weiterbildungsgeld – sofern die Bedingungen erfüllt sind. Das Angebot wird oft von jungen Müttern genutzt. So können sie für ihre Kinder da sein und gleichzeitig ihre Karriere fördern.
15.000 Euro soll Karoline zurückzahlen
Auch Karoline hat eine Bildungskarenz vereinbart und gemacht. Im Frühjahr 2023 erkundigte sie sich über die Bildungskarenz und Kurse, die sie dafür besuchen wollte. Das AMS genehmigte diese. Sie seien sehr gut für eine Bildungskarenz geeignet, hieß es. Das Institut, das die Kurse anbot, warb auch damit, mit dem AMS zusammenzuarbeiten.
Nach zehn Monaten Weiterbildung folgte im Mai 2024 der Schock: Ein Behördenbrief. Karoline wurde aufgefordert, genau aufzuschlüsseln, wie viel Zeit sie pro Kalenderwoche zum Lernen aufgewandt und wie viel Zeit sie in einem Online-Seminarraum verbracht hat. Das Problem: Online-Seminarraum gab es keinen.
Das AMS forderte sie auf, das gesamte erhaltene Weiterbildungsgeld zurückzuzahlen – insgesamt 15.000 Euro. Karoline ist eine von inzwischen rund 90 Betroffenen (Stand 18.07.). Bei der Facebook-Gruppe “Plattform Bildungskarenz“ melden sich laufend weitere.
Die Betroffenen beklagen, das AMS habe ihre Kurse zuerst genehmigt, dann im Nachhinein die Genehmigungen zurückgezogen. Begründung: Die Kurse hätten eine Bedingung nicht erfüllt. Ein gewisser Anteil der aufgewandten Zeit müsse nämlich in einem (Online-)Seminar-Setting ablaufen. Laut Betroffenen wurde diese Bedingung im Voraus nicht durch das AMS kommuniziert. Überhaupt bleibt die Frage: Wieso hat das AMS die Kurse dann ursprünglich genehmigt?
Wieso wurden die Kurse vom AMS genehmigt?
Ein Schlüssel liege in den Anmeldeformularen, welche das Institut ausstellte. Diese seien bereits vom Institut ausgefüllt verschickt worden. Die Kursteilnehmer:innen mussten nur noch ihren Geburtsnamen eintragen und angeben, ob sie sich 16 oder 20 Stunden die Woche weiterbilden wollen. Letzteres war abhängig davon, ob eine Kinderbetreuung zur Verfügung stand. In diesen Formularen habe das Institut Angaben gemacht, laut denen die Kurse den Bedingungen des AMS entsprochen hätten, sagt Gregor Bitschnau, Pressesprecher des AMS.
Er erzählt, die Kursteilnehmer:innen hätten von sich aus das AMS kontaktiert, als diesem Ungereimtheiten aufgefallen sind. Das AMS habe den Ablauf der Kurse überprüft und festgestellt, dass das Institut in den Anmeldeformularen Falschangaben machte und eben nicht den Kriterien entsprach. Die Folge: Die Empfänger:innen des Karenzgeldes müssen dieses zurückzahlen.
Bleibt noch die Frage: Wieso müssen die Betroffenen das Geld zurückzahlen, wenn das Institut falsche Angaben machte? Bitschnau antwortet: „Das AMS muss sich an das Gesetz halten.“ Und das Gesetz will, dass das erhaltene Weiterbildungsgeld von den Bildungskarenzgänger:innen zurückbezahlt wird, sollten ihre belegten Kurse nicht den Anforderungen entsprechen beziehungsweise die Nachweise darüber nicht erbracht werden können.
Überall Versäumnisse, zahlen sollen die Teilnehmer:innen
Das AMS sehe täuschendes Verhalten beim Kursanbieter, aber auch Fahrlässigkeit bei den Betroffenen und habe sowieso keine andere Wahl, als nach dem Gesetz zu handeln. Und gesetzlich ist eben geregelt, dass die entsprechenden Nachweise erbracht werden müssen. Dennoch wurden die Kurse genehmigt. Versäumnisse gibt es also auf allen Seiten. Zahlen sollen nun aber die Betroffenen, die fast ausschließlich junge Mütter sind.
Am Ende eines undurchsichtigen bürokratischen Vorgangs werden sie zur Kasse gebeten. Sie schulden nun Beträge von teilweise über 20.000 Euro. Ein paar haben sich bereits an die Arbeiterkammer gewandt. Die sagt auf Nachfrage, dass sie sich jeden Fall individuell ansehen, beraten und unterstützen werden. Ob eine Lösung gefunden wird, die für alle in Ordnung ist, bleibt abzuwarten.
* Anmerkung der Redaktion: Name von der Redaktion geändert