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Klimakrise

Warum Bio-Fleisch nicht besser für das Klima ist

Bio-Fleisch soll das Klima und die Umwelt schützen, hört man immer wieder. Eine biologische Tierhaltung verursacht allerdings ähnlich viele Treibhausgase wie die konventionelle Landwirtschaft und verbraucht mehr Weidefläche, die anderswo fehlt.

Ich bin im Salzburger Pinzgau aufgewachsen, zwischen Bauernhöfen, Wiesen und Almen. Salzburg ist die führende Bio-Region in der Europäischen Union. Jeder zweite Bauernhof wird hier biologisch betrieben, großteils als Grünland, auf dem die braun-weißen Pinzgau Rinder grasen.

Sie gehören zum Landschaftsbild wie das Hochwasser, wenn wieder einmal die Salzach übergeht. Durch die Klimakrise wird dies öfter passieren, der Regen stärker werden und mehr Schaden verursachen. “Im Oberpinzgau könnten ganze Dörfer schwimmen”, warnt etwa ein Experte des Landes. Die Region sei “Salzburgs erstes Opfer des Klimawandels”. Das wird immer mehr Menschen bewusst. Ein Dilemma, denn der Pinzgau verdankt seinen wirtschaftlichen Aufschwung dem Ski- und Wandertourismus. Und eben dieser verschlimmert die Klimaerhitzung genauso wie das Schnitzel auf der Skihütte. Das verunsichert viele.

Deshalb kommt es immer wieder vor, dass jemand seinen Fleischkonsum mir gegenüber mit “Ist eh Bio!” oder “Ist vom Bauern nebenan!” rechtfertigt. Meist ungefragt, ohne dass ich es anspreche oder es mir zusteht, darüber zu urteilen. Vermutlich, weil ich als Journalist über die Klimakrise schreibe. Denn Bio-Fleisch soll das Klima schützen, wie etwa der Verband “Bio Austria” auf seiner Website schreibt. Er vertritt zwei Drittel der heimischen Biolandwirte, darunter 1.400 im Bundesland Salzburg und 530 von ihnen aus dem Pinzgau.

Bio-Fleisch: Mehr Bodenverbrauch und ähnlich viele Treibhausgase

Es gibt gute Gründe zu Bio-Produkten zu greifen, beispielsweise mehr Tierwohl, gehaltvollere Nährstoffe und weniger Pestizide. Das Klima lässt sich mit ihnen aber nicht schützen. Auch nicht mit den strengeren Vorschriften von “Bio Austria” für Pestizide, Dünger und Tierhaltung. 

“Es gibt kein schädlicheres landwirtschaftliches Produkt als Fleisch aus biologischer Weidehaltung”, schreibt der britische Autor und Umweltschützer George Monbiot in seinem Buch “Regenesis”. Das widerspricht der landläufigen Vorstellung von “guten” Bio-Produkten. Aber es gibt viele Gründe, die das untermauern.

Für 1 kg Bio-Rindfleisch muss beispielsweise mehr gedüngt werden als in konventioneller Haltung. Das liegt daran, dass sie mehr Auslauf für ihr Wohlergehen bekommen und länger brauchen, bis sie schlachtreif sind. Dadurch wird in biologischen Betrieben doppelt so viel Stickstoff verbraucht. Schon jetzt haben wir die sicheren Belastungsgrenzen für Stickstoff überschritten – Tendenz steigend. Zu viel Stickstoff lässt Gewässer kippen und erhöht das Krebsrisiko. Außerdem ist es ein 300-mal stärkeres Klimagas als CO2.

Da die Rinder mehr Platz bekommen, bleibt weniger Platz für natürliche, artenreiche Ökosysteme, die mehr CO2 speichern würden. In Europa verursacht biologische Rinderhaltung zudem ähnlich viele Treibhausgase wie die konventionelle Haltung und sechsmal mehr als Massentierhaltung. Rindfleisch ist pro kg an Proteinen siebzigmal klimaschädlicher als Sojabohnen. Es ist der größte Klimakiller auf unserer Speisekarte, weit vor Geflügel und Schweinefleisch.

Emissionen in der Landwirtschaft sinken zu langsam

Das Klima retten wir mit Bio-Fleisch also nicht. Fünf Prozent aller Klimagase in Österreich stammen aus den Mägen von Nutztieren, entweichen durch Rülpser und Blähungen als Methangas. Sie machen die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Emissionen aus. Seit 1990 sind diese um 16 Prozent zurückgegangen. Hauptverantwortlich dafür ist der Rinderbestand, der im selben Zeitraum um 28 Prozent gesunken ist, berichtet das Umweltbundesamt.

Doch noch immer essen wir durchschnittlich 60 kg Fleisch im Jahr, davon 10 kg Rindfleisch. Das ist umgerechnet mehr als ein Schnitzel am Tag und jeden fünften Tag ein Kalbs- oder Rindsschnitzel. Eine vegetarische Ernährung könnte unsere Emissionen halbieren und eine vegane könnte sie auf ein Drittel begrenzen. Dass wir uns bald alle vegan ernähren, ist aber unrealistisch. Die meisten Vorschläge fordern eine Halbierung des Fleischkonsums. Eine Studie der Universität Bonn geht noch weiter: Demnach dürften wir pro Jahr maximal 20 kg Fleisch essen, wenn wir die Klimaziele erreichen und die Weltbevölkerung ernähren wollen. In diesem Artikel kannst du mehr darüber lesen.

Ernährungssicherheit durch pflanzenbasierte Ernährung

Jedes fünfte Rind wird in Österreich biologisch gehalten. Ein von “Bio Austria” zertifiziertes Bio-Rind bekommt viermal so viel Fläche wie in konventioneller Tierhaltung und ein Drittel mehr als die Bio-Richtlinien der EU vorschreiben. Das ist gut für das Tier, verschärft allerdings die Ernährungskrise: Die Viehzucht verbraucht weltweit 77 Prozent der Anbauflächen (26 Prozent der gesamten Landfläche), erzeugt aber nur 18 Prozent der Kalorien und 37 Prozent der Proteine.

Seit einigen Jahren nimmt die weltweite Unterernährung wieder zu. Jede zehnte Person ist unterernährt. Corona, zunehmende Wetterextreme und Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine – beide Länder sind wichtige Getreideversorger – verschlimmern die Lage zusätzlich. Auch Österreich wird sich bald nicht mehr selbst mit Grundnahrungsmittel wie Weizen, Mais und Kartoffeln versorgen können. In zwanzig bis dreißig Jahren muss jede zweite Kartoffel importiert werden, sofern wir weiter wertvolle landwirtschaftliche Flächen versiegeln. Hier liegt Österreich an Europas Spitze. Wir haben das dichteste Straßennetz und versiegeln jedes Jahr eine Fläche so groß wie Eisenstadt. Auf eine Bodenschutzstrategie lässt die Regierung aber genauso warten wie auf ein neues Klimaschutzgesetz.

Renaturierung ohne Bauernsterben

Beim Rindfleisch hat Österreich hingegen einen Selbstversorgungsgrad von 147 Prozent. Wir züchten mehr, als wir essen. Viele Flächen könnten besser genutzt werden. Das ist im Salzburger Pinzgau komplizierter als im Flachland, wo die Böden besser geeignet für den Kartoffel- und Getreideanbau sind. Das Pinzgau Rind schützt zudem im Sommer die Almen davor, zu verwildern und zuzuwachsen. Darauf ist auch der Tourismus angewiesen – die wichtigste Einnahmequelle im Pinzgau. Wälder, Feuchtwiesen und Moore speichern hingegen mehr CO2 als Felder und Bergwiesen, und sind artenreicher. Das Land Salzburg fördert etwa die Wiedervernässung und den Weideverzicht, um Feuchtflächen zu renaturieren.

Auch das kürzlich beschlossene EU-Renaturierungsgesetz soll dazu beitragen. Es sieht vor, dass ein Fünftel der Land- und Meeresfläche in der EU bis 2030 wiederhergestellt wird. Mögliche Verluste oder Umstrukturierungen für Landwirte sollen mit EU-Geldern kompensiert werden. Allerdings wurde die Wiedervernässung landwirtschaftlich genutzter Moore aus dem Gesetz gestrichen, da sich Europäischen Volkspartei (EVP) quergelegt hatte. Ihr gehört auch die ÖVP an.

Es wären genügend EU-Gelder vorhanden, um naturbewahrende Landwirtschaften zu fördern, anstatt Interessen gegeneinander auszuspielen. Doch mit der einflussreichen EU-Agrarförderung (GAP) wird zumindest bis 2027 ein klimaschädlicher Kurs fortgesetzt. Das meiste Geld geht an Großbetriebe, anstatt nach Qualität und Umweltkriterien zu fördern. In Österreich kassieren die obersten zehn Prozent mehr als die Hälfte der Subventionen. Nur wenig davon fließt an Kleinbetriebe wie im Salzburger Pinzgau. 

Über diese Missstände würde ich viel lieber debattieren – gerne auch bei einem Bio-Rindsschnitzel. Für dieses muss sich mir gegenüber niemand rechtfertigen, solange man sich den Folgen eines übermäßigen Fleischkonsums bewusst ist.

 

In unserer Reihe “Die Klima-Verkleber” entkräftet Lukas Bayer die beliebtesten Ausreden, mit denen Klimaschutz verzögert wird. Folgende Artikel sind darin bereits erschienen:

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