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Demokratie

Der Akademikerball und die FPÖ: Was ist das Problem am Wiener Ball?

Der Akademikerball und die FPÖ - Natascha Strobl analysiert, warum der Ball ein Problem ist.
Der Akademikerball und die FPÖ - Natascha Strobl analysiert, warum der Ball ein Problem ist.
Der Akademikerball der schlagenden Burschenschaften und der FPÖ findet wieder statt. Und mit ihm kommen die antifaschistischen Gegenproteste. Aber worum geht es da? Warum ist dieser Ball problematisch? Sollen nicht alle einfach unpolitisch tanzen dürfen?
 

Was ist der Akademikerball überhaupt?

Der Akademikerball ist der Nachfolger des WKR-Balls. Der WKR-Ball fand 1952 zum ersten Mal im Wiener Konzerthaus statt. Seine Begründer waren allesamt Mitglieder von schlagenden Studentenverbindungen. Diese sympathisierten teilweise bis in die 80er Jahre offen mit dem Nationalsozialismus.

1967 übersiedelte der Ball in die Wiener Hofburg, an den Sitz des Bundespräsidenten. Und dort blieb er in der Regel auch. Viele Jahrzehnte hat das niemanden gestört. Was soll dann “Trara”, das es seit einigen Jahren gibt?

Schlagende Burschenschaften und der Nationalsozialismus

Die Mitglieder der schlagenden Burschenschaften waren, gerade in Österreich, eine Stütze des Nationalsozialismus. Viele hochrangige Nazis sind nach wie vor Ehrenmitglieder in diversen Verbindungen. Aber schon vor der Nazi-Herrschaft hatten sich die schlagenden Verbindungen tief in die Geschichte der völkischen Bewegungen eingeschrieben. Diese Geschichte ist von rabiatem Antisemitismus, Elitedenken und Männerbünden geprägt.

Der WKR-Ball ist ein Statussymbol der rechten Szene

Dass sich genau dieses Milieu nach 1945 neu sortiert und rund um einen Ball organisiert hat, ist kein Zufall. Das sogenannte „dritte Lager“ war nach den Verbrechen der NS-Zeit bis 1955 von Wahlen ausgeschlossen. Ein eigener Ball war in dieser Zeit eine vereinigenden Veranstaltung, ohne als zu politisch gesehen zu werden. Unpolitisch war er aber nie.

Für die rechten Burschenschafter war (und ist) er ein Statussymbol. Er zeigte, dass man im Herzen der Republik sein kann, ohne dass es die Öffentlichkeit besonders stört. Er gehört zu ähnlichen Symbolen der Rechten: etwa einem mittlerweile abgeschafften Fackelzug am 8. Mai, der die “Niederlage” der Nazis im Zweiten Weltkrieg betrauerte.

Erste Proteste gegen den WKR-Ball

Bis 2008 fand der Ball statt, ohne, dass er groß beachtet wurde. Dann gab es die ersten antifaschistischen Proteste, die Jahr für Jahr (und in verschiedenen Bündnissen) größer wurden. 2012 fand der Ball just am Tag des Holocaust-Gedenkens statt.

Anwesende Journalisten hörten, dass HC Strache bei Champagner am Ball davon sprach, dass die FPÖ „die neuen Juden“ seien. Er wurde einige Jahre später Vizekanzler der Republik.

Wer ist am WKR-Ball (Akademikerball) zu Gast?

Neben den höchsten FPÖ-Funktionär:innen besuchte auch das who-is-who der rechtsextremen Szene in Europa den Ball.

Dazu zählen Politiker:innen wie Marine Le Pen vom damaligen Front National, aber auch Philip Claeys vom Vlaams Belang oder Ken Ekroth von den Schwedendemokraten.

Und auch bekannte Vernetzungsfiguren der rechtsextremen, neonazistischen und faschistischen Szene gingen bei dem Ball ein und aus. Etwa die Identitären, allen voran deren ehemaliger Obmann Martin Sellner, der bis heute gern gesehener Gast ist. Aber auch Patrik Brinkman, der schwedische Millionär, der lange die rechtsextreme Szene in Europa finanziert hat.

Der Ball bot also Raum und Zeit für Vernetzung über Länder- und Sprachgrenzen hinweg und das im eleganten Ambiente der Wiener Hofburg. Das Wissen um die Gäste und ihre Tätigkeiten verdanken wir antifaschistischer Recherche- und Aufklärungsarbeit.

Prozess gegen Josef S: Willkür und Polizeigewalt 

Die Proteste gegen den Ball wurden immer größer – und sehr heftig von der Polizei unter Polizeipräsident Pürstel nieder geprügelt. Dazu kamen Grundrechtseinschränkungen wie Sperrzonen, das Verbot Haube und Schal in den Innenbezirken zu tragen oder die Einschränkung der Pressefreiheit durch ständige Polizei-Begleitung.

Ein deutscher Antifaschist wurde auf Grundlage eines Paragraphen verurteilt wurde, der eigentlich totes Recht in Österreich war: die Rädelsführerschaft. In einem Justizskandal wurde dieser Paragraph angewandt, ohne dass es einen handfesten Beleg für die Anwesenheit des vermeintliches Täters am Tatort gab.

Namens- aber kein Imagewechsel: Aus WKR-Ball wird Akademikerball

Nachdem die Hofburg die schlagenden Burschenschaften dann doch aus Angst um das PR-Image aus ihren Räumlichkeiten schmeißen wollte, sprang die FPÖ als Ausrichterin ein. Seit 2013 heißt der Ball daher nicht mehr WKR-Ball, sondern Akademikerball. Der Inhalt und die Personen sind aber dieselben.

Die Geschichte des WKR-Balls bzw. des Akademikerballs ist eine Geschichte des Wegschauens und der Normalisierung.

Es war einfach normal, dass Nazis in der Hofburg tanzten. Es war auch normal, dass sie sich mit einer oder mehreren Parlamentsparteien vernetzen. Und das am repräsentativen Sitz des Bundespäsidenten. Es ist ein sehr österreichischer Umgang mit Rechtsextremismus.

Schauen wir nicht weg. Und sind dankbar für alle, die laut „Nein“ sagen und sich gegen diese Normalität stellen.

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