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Ungleichheit

Der Held vom Hotel Wandl: “Ich habe den Leuten gesagt, dass sie hier sicher sind”

Portier Juwan Amir hatte im Hotel Wandl am Petersplatz in Wien Dienst, als in unmittelbarer Nähe der Terroranschlag passierte. Er umsorgte Geflüchtete, ließ keine Panik aufkommen, gab allen kostenlos Getränke und Zimmer - während andere Hotels und Restaurants Menschen vor die Tür setzten.
 
 
Juwan Amir und Norbert Suchanek vom Hotel Wandl stehen im Foyer und tragen Mund-Nasen-Schutz.

Portier Juwan Amir und Hotelmanager Norbert Suchanek vom Hotel Wandl. Credit: Moment.at

Eigentlich wollte Juwan Amir das Hotel Wandl für den Lockdown vorbereiten. Da stürmten zwanzig Leute in die Lobby. “Sie erklärten mir, dass draußen jemand erschossen wurde”, erzählt Amir. Für ihn war in dieser Situation sofort klar, dass er sich um diese Menschen kümmern muss.

Amir arbeitet seit drei Jahren im Wandl, vor sechs Jahren kam er aus Syrien. Dort ist an der Tagesordnung, was Österreich nun erlebt hat. Sein Bruder, der Dramatiker Ibrahim Amir, lebte schon länger in Wien, aufgrund des Bürgerkriegs folgten er und seine drei Schwestern. “Und wenn es eines ist, was ich in solchen Situationen gelernt habe, dann ist es das: Ruhe bewahren”, erklärt Amir.

Hotel Wandl: Freigetränke und gratis Zimmer für die Geflüchteten der Terrornacht

Amirs Chef Norbert Suchanek erfuhr von einem Anruf der Mutter, dass in der Nähe seines Hotels gerade ein Anschlag passiert ist. Sofort rief er seine Mitarbeiter im Hotel an – neben Amir hatte noch jemand hinter der Bar Dienst. Er erklärte den beiden, dass sie die Menschen beherbergen sollten und heute alles aufs Haus geht. “Ich hab dem Barchef auch gesagt, er soll den Leuten den guten Whiskey geben. Denn manche werden das brauchen. An so einem Tag ist alles egal”, meint Suchanek.

Portier sorgte dafür, dass niemand Panik bekam

Grundsätzlich waren die Menschen ruhig. Doch eine Frau hatte eine Panikattacke. Amir brachte sie in den Frühstücksraum und beruhigte sie: “Ich wollte nicht, dass sie die anderen auch nervös macht.” Amir und sein Kollege umsorgten die Gestrandeten, luden ihre Handys auf und gaben jenen Masken, die ihre in der Aufregung verloren hatten – schließlich galt es, die Menschen auch vor einer Corona-Infektion zu schützen.

Ein weiteres Mal drohte Panik in der gesamten Gruppe auszubrechen, als jemand ein Video zugeschickt bekam, in dem zu sehen war, wie der Amokläufer einen Passanten hinrichtete. “Ich habe den Leuten dann gesagt, dass sie hier sicher sind, die Polizei war schnell da und hat die Ausgänge bewacht. Ich habe weiters erklärt, dass das Hotel zwei Weltkriege überlebt hat, es auch einen großen Keller gibt und wir im Notfall alle nach unten gehen können”, so Amir.

Nach ORF-Beitrag kamen noch mehr Menschen ins Hotel Wandl

Noch in der Terrornacht kam ein Kamerateam des ORF ins Hotel Wandl und interviewte Amir. “Nach diesem Beitrag kamen noch ungefähr 13 Leute. Sie saßen zunächst in Restaurants oder anderen Hotels fest und wurden rausgeworfen. So kamen sie zu uns, weil sie eben im Fernsehen gesehen hatten, dass wir alle kostenlos beherbergen”, erklärt der Portier. Dass in so einer Situation jemand Leute auf die Straße wirft, findet Amir schrecklich: “Für uns war selbstverständlich, dass wir den Menschen eine Zuflucht bieten! Es war ja gefährlich draußen!” 

Auch Norbert Suchanek kann dieses Verhalten nicht nachvollziehen: “Wenn da junge MitarbeiterInnen ganz alleine in einem Hotel an der Rezeption sitzen, die Nachrichten hören und aus Angst die Tür zusperren, dann verstehe ich das ja noch. Aber Menschen aktiv bei der Lage raus zu werfen, das ist mir unbegreiflich.”

Am Morgen gab es sogar noch ein Frühstück

Da die Lage in der Nacht noch immer unklar war, die Polizei von einem flüchtigen Täter sprach und die Menschen bat, den ersten Bezirk zu meiden, gab das Hotel Wandl allen 33 Zufluchtsuchenden ein Zimmer. “Da hab ich dann auch darauf geachtet, dass alle Räume innen liegen und keines Fenster hat, damit die Leute nicht auf die Straße sehen und wiederum Panik bekommen, falls draußen etwas passiert”, erklärt Amir. Am nächsten Tag gab es auch ein Frühstück, das Chef Suchanek organisierte: “Mir war wichtig, dass nach dieser Nacht die Menschen das übliche Hotel-Service erhalten und nach allem, was passiert ist, gut umsorgt in den Tag entlassen werden.”

Die Menschen, die Zuflucht fanden, dankten dem Hotel Wandel dann auf allen möglichen Kanälen. Mit so vielen Dankschreibungen und positiven Rezensionen haben Suchanek und Amir nicht gerechnet. Sie kommen kaum mit dem Beantworten nach. Amir wünscht sich nun endlich ein bisschen zur Ruhe zu kommen. 

Die Nacht, in der er durchgearbeitet hat, hängt ihm noch nach: “Ich habe seither Kopfschmerzen.” Doch das hindert ihn nicht daran, auch heute seinen Dienst zu tun.

 

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