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Kapitalismus

Der Preis macht Österreichs Wirtschaft nicht erfolgreich – zum Glück

Der Preis macht Österreichs Wirtschaft nicht erfolgreich – zum Glück
Die wiederaufgenommenen Gespräche zwischen der ÖVP und SPÖ werden sich gezwungenermaßen bald wieder um Standortpolitik drehen. Wirtschaftsflügel pochen auf "Wettbewerbsfähigkeit" durch Kostenminimierung. Doch Österreich sollte bei seinen Stärken bleiben - Technologieführerschaft und Innovation. Ökonomin Anna Hehenberger kommentiert.

Die Koalitionsverhandlungen für eine Dreier- und später Große Koalition sind Anfang des Jahres geplatzt, weil die ÖVP angeblich kein „wettbewerbsfeindliches“ Regierungsprogramm wollte. Ihrer Erzählung nach seien die hiesigen Löhne und Steuern zu hoch für österreichische Unternehmen, um international mithalten zu können.

Wer so argumentiert, tut das entweder aus grassierender Unwissenheit über die tatsächlichen Gründe für den Erfolg international agierender österreichischer Unternehmen, aus reinster marktliberaler Ideologie, oder um Gewinnmargen zu maximieren. Tatsächlich hat Österreichs Exporterfolg vorrangig mit Technologie- und Marktführerschaft in Nischensegmenten zu tun – Preis ist kein Verkaufsargument für Produkte „Made in Austria“.  

Innovation als Zugpferd der österreichischen Exportwirtschaft 

 Österreichische Unternehmen sind Nischenunternehmen. Sie sind Marktführer durch hochinnovative Herstellungsverfahren von Stahl, Eisenbahnschienen oder Maschinenbaukompetenzen. Wer Marktführerschaft in solchen, hoch komplexen Produkten hat, hat sie nicht wegen dem Preis, zu dem verkauft wird.

Viel mehr liegt der Marktvorteil darin, innovative, kreative und kund:innenzentrierte Produkte, Produktentwicklung und Services anzubieten. Der Atlas of Economic Complexity der Harvard Universität zeigt deutlich, dass dies die Faktoren für die erfolgreiche Exportwirtschaft Österreichs sind. Nicht der Produktpreis.  

Billigstpreise statt Technologieführerschaft? 

Außerdem ist sich an Preis-Wettbewerbsfähigkeit zu orientieren strategisch zu kurz gedacht. Denn über die letzten Jahrzehnte der Globalisierung haben sich Länder mit Preisführerschaft blitzschnell abgewechselt. Billiger als alle anderen zu produzieren, funktioniert eben nur so lange, bis jemand anderer noch billiger produziert.

Noch dazu sind Länder, deren Exporterfolg preisabhängig ist, vulnerabler für Preisschlachten in Krisenzeiten als Länder, deren Volkswirtschaften auf Technologieführerschaft und Innovation aufbauen, wie Darius Ornston schon 1978 schreibt. Mit einer auf Preisführerschaft aufbauenden Strategie macht man sich also verletzbarer in Krisenzeiten, als man sein müsste. 

Billige Preise ergeben eher anspruchslose Produkte

 Das liegt daran, dass Volkswirtschaften, die auf Preisführerschaft bauen, global technisch eher anspruchslose Produkte aus Massenproduktion mit geringer Wertschöpfung anbieten. Solche Wachstumsstrategien sind leicht kopierbar und deswegen befinden sich Länder und ihre Industrien in einem stetigen Kampf des „Upgradings“ – sprich sie versuchen durch Differenzierung, Innovation und Technologie von einer ständig bedrohten, stärker kosten-getriebenen Position in Globalen Lieferketten in eine weniger kosten-getriebene und technologielastigere Zuliefer-Position zu kommen. Eine Position, die Österreichs Exportwirtschaft innehat und die es zu halten, eher auszubauen gilt.  

 Um Österreichs Technologie- und Innovations-basierten Wirtschaftsstandort zu erhalten und zu stärken ist eine kostenfokussierte Politik à la Lohnebenkostensenkungen also der falsche Weg. Österreichs Exporterfolg baut auf Unternehmen, die mutig sind, sich nicht vor Neuem verschließen, und in Forschung und Entwicklung investieren. Zusätzlich braucht es Arbeitnehmer:innen, die an Schulen und Universitäten Top-Ausbildungen absolvieren können und dafür im Job entsprechend bezahlt werden. Kreativität und Innovation waren noch nie Resultate von Sparmaßnahmen oder Abwertung – weder auf volkswirtschaftlicher noch auf betriebswirtschaftlicher Ebene.  

 Erneuerbare als Wettbewerbsvorteil 

 In Zukunft wird außerdem die Verfügbarkeit von Grünstrom eine entscheidende Rolle für die Ansiedlung energieintensiver Industrien sein, wie Forschende des Potsdam Instituts zeigen.1 Das liegt daran, dass die Emissionsintensität zu einem weiteren nichtpreislichen Wettbewerbsfaktor geworden ist. Auch hier ist jede Menge zu tun, nur eines nicht: Sparen.  Außerdem macht uns der Ausbau von Erneuerbaren weniger abhängig von Gasimporten, die, wie 2022 gezeigt hat, teuer werden können.

 Aus der Geschichte und wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs als export-orientiertes Land wissen wir: Die Kombination aus einem starken Sozial- sowie Bildungsstaat und visionären, in Fortschritt investierende Unternehmen funktioniert hervorragend. Dazu gilt es noch Grünstrom anzubieten, um die Industrie dabei zu unterstützen möglichst emissionsarm zu produzieren. Das sind die Politikmaßnahmen, die uns unseren Wirtschaftsstandort weiterhin sichern, nicht die Versteifung auf Kostensenkungsmaßnahmen im Sinne einer Preis-Wettbewerbsfähigkeit, die wir weder haben noch wollen. 

 Anna Hehenberger ist Doktorandin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln und forscht zum Thema Industrietransformation und die Unterschiede in der globalen wirtschaftlichen Integration von Volkswirtschaften im Kontext der Klimakrise. Im Rahmen Ihrer Dissertation hat sie Forschungsaufenthalte an der Brown University, Copenhagen Business School und Universität Wien absolviert. 

 

 Quellenverweise :

  • Ornston, Darius. 2012. When Small States Make Big Leaps: Institutional Innovation and High-Tech Competition in Western Europe. Cornell studies in political economy. Ithaca: Cornell university press.
  • Polyak, Palma. 2022. “External Enablers of Eurozone Austerity: Exploring the Link between the Ease of Suppressing Domestic Spending and Trading Partners’ Demand.” New Political Economy 27 (5). Routledge: 754–70.
  • Verpoort, Philipp C., Lukas Gast, Anke Hofmann, and Falko Ueckerdt. 2024. “Impact of Global Heterogeneity of Renewable Energy Supply on Heavy Industrial Production and Green Value Chains.” Nature Energy 9 (4). Nature Publishing Group: 491–503. 

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  • soki3456
    18.02.2025
    Danke!
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  • frizzdog
    18.02.2025
    danke für diesen klartext! - der sich angenehm deutlich vom üblichen boulevardgewäsch abhebt!!
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