Sparpaket von FPÖ und ÖVP: Gift für Österreichs Wirtschaft
Warum muss Österreich sparen?
Österreich muss sparen. Aber warum eigentlich? Die Staatsverschuldung liegt derzeit bei rund vier Prozent unserer Wirtschaftsleistung und damit über der Maastricht-Grenze von drei Prozent. Wer die magische Grenze von drei Prozent überschreitet, der kriegt Ärger. Oder besser: Ein Defizitverfahren der Europäischen Union.
Was ist ein EU-Defizitverfahren und wie läuft es ab?
Ein EU-Defizitverfahren wird immer dann eingeleitet, wenn ein Mitgliedsstaat die Maastricht-Kriterien nicht erfüllt, also wenn das Budgetdefizit drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) überschreitet.
Der Prozess startet mit einem Bericht der EU-Kommission, in dem die übermäßige Verschuldung festgestellt wird. Dann müssen die EU-Finanzminister entscheiden, ob ein Verfahren eingeleitet wird. Ist das Verfahren erst einmal aktiv, bastelt die EU-Kommission gemeinsam mit dem betroffenen Land einen Plan, um das Minus wieder in den Griff zu kriegen.
Der Sparpfad sollte in vier Jahren dazu führen, dass die Verschuldung zurückgeht. Aber: Wenn das Land das möchte, kann der Sparpfad auch auf bis zu sieben Jahre gestreckt werden. Dann muss man weniger schnell sparen – die Einschnitte müssen also nicht ganz so radikal sein.
So gut wie alle Expert:innen in Österreich waren dafür, ein Verfahren zu starten. Eben, weil man die schwache Wirtschaft nicht zusätzlich durch drastische Sparmaßnahmen belasten will.
Blau-Türkises Sparpaket wird zum Bumerang
Die blau-türkisen Verhandler sehen das anders. Sie wollen kein Verfahren, das uns mehr Zeit gibt, sondern sofort so viel sparen, dass gar nicht erst ein Defizitverfahren eröffnet wird. Deshalb haben sie ein Sparpaket gebastelt, das noch allein heuer Einsparungen in Höhe von 6,4 Milliarden Euro bringen soll. Damit soll das Budgetdefizit wieder unter die magische 3-Prozent-Grenze gedrückt werden.
Dieser Sparkurs könnte aber zum Bumerang werden.
Gespart wird fast nur auf der Ausgabenseite. Das ist Gift für Österreichs Wirtschaft. Denn: Eine Wirtschaftskrise lässt sich nicht durch Sparen lösen. Wir stecken seit zwei Jahren in einer ausgewachsenen Wirtschaftskrise mit steigender Arbeitslosigkeit, zahlreichen Firmenpleiten und sinkenden Unternehmensgewinnen.
Ein harter Sparkurs dieser Größenordnung belastet die schwache Wirtschaft weiter. Anstelle von zartem Wachstum droht uns nun ein drittes Rezessionsjahr – und damit steigende Arbeitslosigkeit. Weniger Jobs bedeuten weniger Steuereinnahmen und höhere Ausgaben für Arbeitslosigkeit. Am Ende kann stehen, dass wir ein höheres Defizit bekommen, als wenn wir nur moderat gespart hätten.
Wie hat Österreich bisher das Budget saniert?
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass erfolgreiche Budgetsanierungen stets einen Mix aus Einnahmenerhöhungen und Ausgabenkürzungen beinhalteten. In den 80er-Jahren haben wir 4,4 Prozent des BIP eingespart, davon 43 Prozent durch Steuererhöhungen, in den 90er-Jahren haben wir immerhin noch ein Drittel durch höhere Einnahmen reingeholt.
Nach der Finanzkrise haben wir wieder gespart. 46 Prozent der Einsparungen wurden durch Mehreinnahmen erzielt, 54 Prozent durch geringere Ausgaben – ziemlich halbe, halbe also.
Blau-Türkis hat nun vorgerechnet, dass sie 85 Prozent der Sanierung rein ausgabenseitig hereinholen wollen. Ein riskanter Plan, wie viele Expert:innen sagen.
Wie sieht das Sparpaket von FPÖ und ÖVP konkret aus?
Das Sparpaket der Regierung wird vor allem über gekürzte Ausgaben finanziert. Nur 21 Prozent des Pakets sind Mehreinnahmen:

Das Sparpaket umfasst zahlreiche Maßnahmen. Die wichtigsten im Detail:
Klimabonus: Der Klimabonus wird komplett gestrichen. Dies trifft vor allem einkommensschwächere Haushalte, die nun die CO₂-Steuer ohne Ausgleich tragen müssen. Die ärmsten Haushalte verlieren fast zwei Prozent ihres Haushaltseinkommens.
Zwar ist die CO₂-Steuer mit oder ohne Klimabonus ein Anreiz zu umweltfreundlichem Verhalten, am unteren Ende der Einkommensskala fehlt dazu aber oft die Wahlfreiheit. Mieter:innen suchen sich nicht aus, womit sie ihr zu Hause beheizen, müssen aber für das Heizen mit Gas oder Öl die Steuer stemmen. Wer mit dem SUV täglich von der Villa im Grünen in die Arbeit pendelt, entscheidet sich hingegen sehr wohl dafür.
Ein komplettes Streichen des Klimabonus ist ein tiefer sozialer Einschnitt. Zumindest für die ärmeren Haushalte sollte er erhalten bleiben. Man könnte schlicht eine Einkommensgrenze ziehen. Wer mehr verdient, bekommt auch keinen Bonus ausgezahlt. Damit würden hunderte Millionen eingespart – und der soziale Ausgleich wäre trotzdem gesichert.

Krankenversicherungsbeiträge: Pensionist:innen müssen zukünftig höhere Beiträge leisten, was kleine Pensionen besonders belastet. Eine Pensionistin bekommt durchschnittlich 1.409 Euro – brutto. Durch die Anhebung des Krankenversicherungsbeitrags bekommt sie knapp 14 Euro im Monat weniger. Hochgerechnet auf die gesamte Pensionszeit ist das eine Pensionskürzung von 4.537 Euro.
Für einen Mann ist es noch teurer, der bekommt durchschnittlich nämlich mehr Pension. Ein durchschnittlicher Pensionist bekommt jetzt 23,74 Euro im Monat weniger. Aufs Leben gerechnet ein Minus von 4.653 Euro weniger Pension.
Bildungskarenz: Ihre Abschaffung spart fast 400 Millionen Euro – ist aber insbesondere für Frauen echt schlecht. Eine Studie des WIFO zeigt, wie wertvoll die Bildungskarenz für Mütter ist. Frauen, die aus der Elternkarenz in die Bildungskarenz wechseln, sind sowohl kurz- als auch langfristig seltener arbeitslos. Außerdem steigt das Gehalt von Frauen schneller, die im Anschluss an die Elternkarenz in Bildungskarenz gehen.
Ebenso zeigen die Daten: Mütter, die in Bildungskarenz waren, sind danach mehr Stunden erwerbstätig als Mütter, die nach der Elternkarenz direkt wieder in den Job eingestiegen sind. Das bedeutet in Summe auch ein höheres Jahreseinkommen. Auffallend ist, dass vor allem jene Leute die Karenz nützen, die bereits gut ausgebildet sind – und einen guten Job haben.
Insofern wäre ein Reformieren der Bildungskarenz wünschenswert. Wie kriegen wir eine Bildungskarenz hin, die wirklich alle nutzen können? Ein ersatzloses Abschaffen hingegen geht zu Lasten von Frauen – vor allem von Müttern. Und macht Weiterbildung für niemanden zugänglicher.
Die Zuverdienstmöglichkeit für arbeitssuchende Leute wird abgeschafft. Wer seinen Job verloren hat, durfte bisher geringfügig dazuverdienen. Das ist für viele auch dringend nötig, denn das Arbeitslosengeld reicht hinten und vorne nicht. Wer seinen Job verliert, muss mit nur mehr der Hälfte seines bisherigen Einkommens immer noch hundert Prozent seiner Rechnungen zahlen.
Im Schnitt haben arbeitslose Menschen unter 1.000 Euro netto monatlich zur Verfügung. Nur jeder zweite arbeitssuchende Mensch hat Ersparnisse, auf die er zurückgreifen kann. Für alle anderen heißt es: Gürtel ganz eng schnallen – und Schulden machen. Jede:r Vierte gerät mit seiner Miete in Rückstand. Eine geringfügige Beschäftigung hilft über die ärgsten Nöte hinweg und kann ein Einstieg in einen neuen Job sein.
Wer etwas dazuverdient, sucht genauso intensiv nach einer neuen Anstellung wie jemand ohne Zuverdienst. Knapp jede:r zehnte Arbeitslose nutzt den Zuverdienst, um über die Runden zu kommen. Höher liegt der Anteil unter Frauen, Personen ohne österreichischer Staatsbürgerschaft und Arbeitslosen in Haushalten mit Kindern.
Warum soll dann der Zuverdienst abgeschafft werden? Weil es den Druck auf arbeitssuchende Menschen erhöht, wirklich jeden Job anzunehmen – egal wie mau die Bezahlung oder wie schlecht die Arbeitsbedingungen sind.
Welche Alternativen gäbe es?
Die einseitige Belastung einkommensschwacher Haushalte und der Verzicht auf wichtige Klimaschutzmaßnahmen könnten langfristig sozialen und wirtschaftlichen Schaden anrichten. Eine ausgewogenere Strategie, die sowohl Einnahmen als auch Ausgaben in den Blick nimmt, wäre der bessere Weg.
Eine gute Richtlinie für ein verteilungsgerechtes Sparpaket wäre, dass jene einen Beitrag leisten, die das Budgetloch mitverursacht haben. Gerade während Corona und der Energiekrise gingen milliardenschwere Hilfen an die Unternehmen, auch wenn diese vielfach gar nicht nötig waren.

Ein wesentlicher Beitrag der Unternehmen zur Budgetsanierung ist nicht vorgesehen. Weder wird die Senkung der Körperschaftsteuer zurückgenommen, noch die Lohnnebenkosten erhöht. Österreich verlangt derzeit nur 23 Prozent Steuer auf Unternehmensgewinne. Deutschland liegt bei knapp 30 Prozent, besteuert also deutlich höher. Der internationale Trend geht in Richtung eines größeren Beitrags der Konzerne.
Unsere Nachbarn Slowakei und Slowenien haben beide im Zuge von Hochwassern und Sparpaketen ihre Gewinnsteuern für Konzerne angehoben. Eine Bankenabgabe auf die Übergewinne der Banken fehlt im Paket ebenfalls. Anders in der EU: Auf Bankengewinne haben sogar zwölf EU-Länder neue Steuern eingeführt oder bestehende Bankenabgaben erhöht.

Auf all diese Maßnahmen verzichtet die Regierung. Sie holt sich das Geld lieber fast ausschließlich bei den privaten Haushalten. Sparen mit Augenmaß ist das keines – sondern ein Sparen an unserer Zukunft.