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Kapitalismus
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Keine neuen Steuern? Was „ausgabenseitiges Sparen“ wirklich heißt

Keine neuen Steuern? Was „ausgabenseitiges Sparen“ wirklich heißt
In den vergangenen Wochen ist ein grundlegender Unterschied zwischen Parteien offensichtlich geworden. Die einen wollen einnahmenseitig das Budget sanieren, die anderen ausgabenseitig. Doch was heißt das eigentlich genau? Natascha Strobl analysiert.

Die Koalitionsverhandlungen zwischen der SPÖ auf der einen und der Allianz ÖVP-Neos auf der anderen Seite offenbaren einen grundlegenden politischen Unterschied. Ein Unterschied, der auch für die deutschen Koalitionsverhandlungen relevant sein wird.

Was einnahmenseitiges Sparen heißt

„Einnahmenseitiges Sparen“ ist den meisten Menschen klar. Es bedeute, das Staatsbudget über zusätzliche Steuereinnahmen von Schulden und Defiziten zu befreien. So wie man spart, indem man sein Einkommen auf ein Konto legt. Geht sich das nicht aus, verhandelt man vielleicht um einen besseren Lohn. Etwa diese Idee kommt in der Politik heute gerne mit dem Schlagwort der Vermögenssteuern daher. Weil es davon einfach noch keine gibt und die Vermögen von sehr wenigen Menschen, denen es extrem gut geht, ständig anwachsen.

Allerdings könnte man es auch anders machen. Etwa durch die Erhöhung von Massensteuern „sparen“, etwa der Mehrwertsteuer oder der Grundsteuer. Diese einnahmenseitigen Maßnahmen zum Budget-Ausgleich wären auch im Sinne von ÖVP und Neos gewesen. Sie wollten kein einnahmenseitiges Sparen, das Vermögende oder Unternehmen betrifft. Sie lehnten Übergewinnsteuern für Energieunternehmen oder Bankenabgaben ab. 

Was ausgabenseitiges Sparen heißt

„Ausgabenseitiges Sparen“ heißt logischerweise, dass der Staat weniger ausgibt als bisher. Das erscheint völlig klar, schließlich macht man das als Privathaushalt auch, wenn man sparen muss. Zuerst spart man bei „Luxusausgaben“, geht nicht mehr ins Restaurant essen, macht keinen Urlaub mehr, wägt größere Anschaffungen ab. Wenn das nicht mehr genügt, geht man dazu über, direkt im Alltag zu sparen – bei Lebensmitteln, Energie oder Wohnen. Das ist die gegenwärtige Realität vieler Menschen.

Dementsprechend scheint es nur recht, dass der Staat gefälligst genauso handelt und sich zumindest einmal von überbordenden Luxus trennt. Sparsamkeit und Genügsamkeit sind eben universelle Tugenden.

Warum ein Staat und ein Privathaushalt nicht dasselbe sind

Der absichtliche Fehlschluss, der hier passiert, ist, den Staat mit einem Privathaushalt zu vergleichen. Was mein einzelner Familienhaushalt tut, hat zuerst einmal nur Auswirkungen auf mich und meine Familie. Die Auswirkungen auf andere sind begrenzt. Andere in der Wirtschaft spüren das erst, wenn sehr viele Menschen bestimmte Produkte nicht mehr kaufen oder Dienstleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen.

Ein Staatshaushalt ist anders. Staatsausgaben haben Auswirkungen auf vieles. Und es ist sehr bedeutend, welche Ausgaben der Staat tätigt. Das anschaulichste Beispiel sind Umverteilungsprozesse. Jeder Euro, der an Menschen mit niedrigen Einkommen geht, geht fast unmittelbar wieder in die Wirtschaft, weil diese Menschen kaum Sparen oder langfristige Investitionen haben. Das Geld liegt also nicht rum, sondern geht sofort wieder an die Bäckerei, in den Supermarkt oder das Bekleidungsgeschäft. So eine staatliche Unterstützung fördert auch die Wirtschaft – und damit in der Folge wieder die Steuereinnahmen.

Täuschend verständlich

Diese Effekte müssen bei staatlichen Ausgaben immer mitbedacht werden. Umgekehrt bedeutet es also auch: wenn der Staat kürzt, verändern das auch diese Kennzahlen. Kürzt man also bei Sozialleistungen, hat das negative Auswirkungen auf die Person, die weniger Geld bekommt – aber eben auch auf Bäckerei, Gewandgeschäft oder Supermarkt. Auch dort kommt das Geld nicht mehr an. Dasselbe gilt, wenn man öffentlich Bedienstete entlässt oder schlechter bezahlt. Oder wenn man Pensionen kürzt. 

Ausgabenseitiges Sparen klingt im ersten Moment logisch. Wir denken an unsere Alltagserfahrung mit privaten Ausgaben und glauben zu verstehen, warum man Ausgaben stoppt. Dieses Bild wird bewusst erzeugt und angesprochen. So eine Politik hat aber massive Folgewirkungen. 

Sparen im System

Was „ausgabenseitige Sparer“ dann gerne versprechen, ist ein „Sparen im System“. Sie unterstellen, dass es in der Verwaltung so viele unnötige Ausgaben gibt, die man nicht bemerken würde. Das ist einer der langlebigsten politischen Mythen. Es ist allerdings sehr naiv zu glauben, dass so viele Redundanzen und Leerläufe “im System” zu finden sind.

Es ist einfach, das Bild der faulen Beamten zu zeichnen, die die meiste Zeit schlafen und um 11 Uhr auf ein ausgedehntes Mittagessen gehen. Wer einzelne Erfahrungen mit solchen Beamten gemacht oder entsprechende Fernsehkomödien gesehen hat, glaubt sofort, dass das ein riesiges Problem sei. 

Die Wahrheit über den öffentlichen Dienst

In Wahrheit funktioniert die Verwaltung in Österreich allerdings sehr gut. Die Verwaltung macht bei den Kosten staatlicher Pensionen nur etwa 0,7% aus. Zum Vergleich: Bei den angeblich privaten Pensionen in der angeblich so effizienten Privatwirtschaft sind es 7,1%.

Es ist bösartig zu unterstellen, dass die öffentlich Bediensteten massenhaft so faul und nutzlos wären, dass man sie einfach einsparen könnte. Die meisten sind nicht einmal Beamte, sondern Vertragsbedienstete (also Lehrer:innen, Polizist:innen, Pfleger:innen usw.). Ihre Jobs lassen sich schwer nach den Parametern von Hedgefonds-Managern und Unternehmensberatern messen. Das macht diese Jobs nicht weniger wertvoll, im Gegenteil – diese Jobs braucht es wirklich für eine funktionierende Gesellschaft wirklich.

“Sparen im System” bedeutet also, Geld aus diesen Bereichen herauszunehmen. Der Schaden liegt nicht nur an der Kaufkraft, sondern an der Zukunft von Kindern und der Versorgung von kranken Menschen. 

Und Sparen bei den Förderungen?

Alternativ bedeutet ausgabenseitiges Sparen auch Subventionen und Förderungen zu kürzen. Nachdem diese Parteien nur für neue Steuern für alle, nicht aber für Vermögende bereit waren, kann man sich vorstellen, welche Förderungen gekürzt werden: Nicht die, die Unternehmen betreffen, sondern die, die alle betreffen.

Trifft es dabei Förderungen zur Bekämpfung der Klimakrise, ist der Schaden gleich noch einmal höher. Dann betrifft es unsere Umwelt. Aber natürlich auch Betriebe und Handwerker:innen, die die technischen Maßnahmen umsetzen sollen. Irgendwer baut die Wärmepumpen, die besseren Heizanlagen, die Wärmedämmung oder die PV-Anlagen ja auch auf. (Deshalb fordert sogar die Wirtschaftskammer etwa die Fortführung der Heizungstausch-Förderung). 

Kürzen bei der sozialen Absicherung

Bleiben also noch die Versicherungsleistungen. Pension-, Kranken-, Unfalls- und Arbeitslosenleistungen sind Versicherungsleistungen, in die Menschen Zeit ihres Arbeitslebens eingezahlt haben. Dabei vertrauen sie darauf, im Anlassfall auch etwas daraus zu bekommen. Werden diese Leistungen nun verschlechtert (und Kürzungen sind Verschlechterungen) dann braucht man sich über den Vertrauensverlust und die erheblichen Folgeeffekte (mehr Krankenstände, mehr Armut) nicht wundern, die wiederum mehr Geld kosten.

Wenn also so lapidar vom ausgabenseitigen Sparen die Rede ist, dann sollen wir uns das Bild einer sparsamen Hausfrau vorstellen, die jetzt nicht zum Spar, sondern zum Lidl einkaufen geht. Das ist aber ein Trugbild. Richtiger wäre es zu überlegen, welche Bereiche aus gutem Grund von den wankelmütigen Marktlogiken ausgeschlossen sind: Bildung, Gesundheit, Soziales, Kunst und Kultur und was es uns als zivilisierte Gesellschaft wert ist, diese Bereiche aufrechtzuerhalten. 

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    Kommentare 3 Kommentare
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  • frizzdog
    15.01.2025
    soeben erzählt uns der herr Hafenegger per direktübertragung im ORF (!!!), das "FPÖ medienhaus" werde künftig ALLES selber machen, sodass bei ihren veranstaltungen keine "verdeckten filmereien a la DDR" mit "fremden kameraleuten" mehr stattfinden müssen. sie werden das "alles selbst zur verfügung stellen". heißt im klartext: sie akkreditieren keine "fremden medien" mehr, wir sehen nur mehr durch ihre FPÖ-brille. FPÖ-PR-berater Pöchinger und wienchef Nepp träumen schon von der einstellung von "scheiss medien". wer jetzt noch nicht begreift, dass mit diesen leuten tunlichst kein staat zu machen ist, wird das bald an seinen persönlichen "freiheitlichen einschränkungen" zu spüren bekommen. FPÖ-TV als staatsfernsehen?
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  • frizzdog
    15.01.2025
    ganz ohne befassung unseres ebenfalls lästigen parlaments wird ein von der gestik deutlich erkennbarer neurotiker nach Brüssel geschickt und macht einen demokratisch durch nichts vertretbaren kotau vor einem selbst aufgebauten popanz EU - und berichtet postwendend, dass "Brüssel das auch akzeptiert" habe. eine blosse absichtserklärung eines ersatzfinanzbeamten der übergangsregierung im auftrag der hintermänner einer noch nicht einmal im amt möglichen nächsten regierung. eine groteske kasperliade zu unser aller schaden. man kann sich nur mehr genieren, unglaublich!
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  • frizzdog
    15.01.2025
    eigentlich könnten wir uns den staat ja überhaupt ganz sparen. diese lästigen vorschriften und all die gesetze - sie behindern uns doch nur beim freien leben. seit tagen betonen auch alle fachleute und vor allem sämtliche ORF-jounalisten (!!) ganz ausdrücklich, dass wir sparen müssen, um die "VORGABEN dieser EU zu erfüllen". was also liegt näher, als die befreiung von diesen FESSELN. lasst uns frei leben und steirisch volxtanzen mit mittelalterlichen landeshymnen, stacheldrahtzäune errichten und alle burgmauern nostalgieren!
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