Klimabonus abschaffen? Keine gute Idee.

Update der Redaktion – 13.1.2025 : Die Verhandler:innen der Blau-Schwarzen-Koalition haben am 13.1. bekanntgegeben, dass sie zur Budgetsanierung 6,3 Milliarden Euro einsparen wollen. Nach dem Klimabonus gefragt, sagte man, man brauche „keine Glaskugel“ um zu sehen, was damit passiert. Er dürfte demnach stark gekürzt oder vollends gestrichen werden.
Der ursprüngliche Beitrag ist vom 24.10.2024 und beginnt hier: Kaum ist klar, dass die Grünen aus der Regierung fliegen werden, sägen Wirtschaftsliberale schon fleißig am klimapolitischen Nachlass der grün eingefärbten Bundesregierung: Vor allem am Klimabonus. Das „Trio wirtschaftsliberale“ Holger Bonin, Gabriel Felbermayr, Christoph Badelt will diesem Bonus an den Kragen – beschränken, besteuern, aussetzen oder überhaupt ganz abschaffen.
Als Antwort entgegnete der Grünen-Abgeordnete Jakob Schwarz: „Wer heute den Klimabonus streicht, verabschiedet sich morgen vom CO2-Preis und damit auch von unseren Klimazielen.“
Damit hat er Recht.
Ohne Klimabonus wird die CO2-Steuer zum finanziellen Albtraum für manche
Der Klimabonus soll die CO2 Steuer ausgleichen, die wir fürs (fossile) Heizen und Tanken zahlen müssen, also für klimaschädliches Verhalten. Die CO2-Steuer alleine ist problematisch. Sie wirkt regressiv: Die Steuer nimmt Menschen mit wenig Geld (anteilig an ihrem Einkommen) mehr weg. Ärmere trifft es härter. Reiche mit genug Geld müssen ihr Verhalten aber nicht ändern, sie können es sich leisten.
Nur der Klimabonus macht die CO2-Steuer sozial erträglich. Er stellt die eigentlich katastrophale Verteilungswirkung auf den Kopf. Ärmere bekommen nun netto im Durchschnitt mehr Geld heraus als sie bezahlen, eine Mehrheit im Land gewinnt sogar. Eine komplette Abschaffung wäre daher unerfreulich. Viele Menschen und Familien im Land können ihre 145 bis 290 Euro Klimabonus gut gebrauchen, gerade angesichts noch immer steigender Armutszahlen.
Der Klimabonus wird sogar immer wichtiger
Dazu kommt: Die CO2-Steuer wird steigen. Nächstes Jahr planmäßig auf 55 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2. Danach soll der Preis im Emissionshandelssystem der EU festgelegt werden, wo er durchaus schon an der 100-Euro-Marke kratzte. Das ist zwar nicht so gescheit, denn dadurch sind der Spekulation Tür und Tor geöffnet. Und mit einem unbekannten künftigen Marktpreis können sich die Menschen und Firmen schlechter auf die Zukunft einstellen.
Dennoch: Klimaökonom:innen schätzen, dass ein CO2-Preis von 150 Euro das Minimum ist, um die Klimaziele ernsthaft anzugehen. Eine CO2-Steuer wird sich politisch aber nicht halten lassen, ohne den Klimabonus, der die Einnahmen an die Bevölkerung rückverteilt.
Klimabonus für alle erhöht politische Akzeptanz
Studien zeigen grundsätzlich, dass die Akzeptanz, klimaschädliches Verhalten zu besteuern, steigt, wenn es eine Rückverteilung der Einnahmen gibt. Dass ihn jede:r gleichermaßen kriege, stört aber die genannten Ökonomen. „Ich brauche den Bonus nicht“, tönte etwa der wirtschaftsliberale IHS-Chef Bonin im Fernsehen. Kein Wunder, gehört er ja sicherlich zu den Topverdiener:innen im Land. Der Bonus sei nicht sozial treffsicher. Doch zu befürchten ist, dass die Akzeptanz der Kombi aus CO2-Steuer und Klimabonus zurückgeht, wenn die obere Mittelschicht und die Reichen im Land den Klimabonus nicht mehr bekommen. Sie sind die Meinungsmacher im Land, sie machen und prägen Stimmungen.
Natürlich: Solidarisch ist ein wirtschaftspolitischer Vorschlag, wenn er ärmeren Menschen stärker hilft als Reicheren. Doch bei dem, was Lobbygruppen in der Politik in letzter Zeit durchsetzen, ist eine annähernd gleich große Zahlung schon ein Fortschritt.
Bei anderen Steuern ist es ihnen egal
Die Senkung der Einkommensteuer durch die Abschaffung der Kalten Progression etwa brachte dem Generaldirektor rund fünf Mal mehr Geld als der Putzfrau. Trotzdem feierte WIFO-Chef Felbermayr die Regierung mehrfach für diese Maßnahme für Besserverdiener:innen – die uns jetzt zudem in große Budgetschwierigkeiten bringt.
Gleiches gilt für die Erbschaftsteuer. Die stört die Armen gar nicht, denn sie haben nichts zu vererben. Die Mittelschicht zahlt nur moderat, und die Reichen viel. Ideal. Doch Bonin redet die Erbschaftsteuer klein, und Felbermayr ortet gar eine Spaltung im Land, die doch den Streit gar „nicht wert“ sei – obwohl die Steuer fast gleich viel einbrächte wie der Klimabonus kostet.
Verteilungsmäßig noch ungleicher wird es bei den Unternehmen: bei der Senkung der Gewinnsteuern für große Unternehmen und der Sozialstaatsbeiträge (Lohnnebenkosten). Den Löwenanteil solcher Steuersenkungen bekommen die reichsten Menschen im Land. Der Klimabonus, der alle gleich behandelt, ist dagegen ein Traum. Doch böse Worte zu solch ungleichen Steuersenkungen hört man von den beiden „führenden Ökonomen“ nicht.
Schwache Argumente gegen den Klimabonus
Bisweilen kommen sogar recht spezielle Argumente gegen den Klimabonus. Felbermayr argumentiert: Wenn die Arbeitnehmer:innen eine Lohnerhöhung erkämpfen, bekämen sie ohnehin die höheren Preise ausgeglichen. Einen Klimabonus braucht es dann nicht. Naja, den Klimabonus gibt es generell vor der nächsten Erhöhung der CO2-Steuer. Im September und Oktober wird er ausbezahlt für das kommende Jahr. Lohnerhöhungen gibt es aber immer erst im Nachhinein. Mit deutlicher Verspätung, nachdem Unternehmen ihre Preise erhöht haben. Zudem sind höhere Löhne nicht garantiert. Raiffeisen etwa fordert bereits Lohnabschlüsse unter der Inflationsrate, auch Bonin spricht sich für „Lohnzurückhaltung“ aus.
Ein anderer Mythos: „Mit dem Klimabonus hackeln die Leute nichts mehr“. Tatsächlich, mitten in der Wirtschaftsflaute arbeiten die Österreicher:innen derzeit weniger. Aber das tun sie nicht, weil sie sich auf dem Klimabonus ausruhen. Sondern, weil den Firmen die Aufträge fehlen und sie ihre Mitarbeiter:innen vor die Türe befördern. Es dürfte in Österreich auch recht schwierig werden, mit knapp 150 Euro ein Jahr lang durchzukommen.
CO2-Steuer aussetzen?
Eine weitere Kritik kommt von links: „Wir müssen den Klimaschutz anders machen, jedenfalls nicht so, dass wir das Leben der Menschen teurer machen.“ Bisher hat die Österreichische Nationalbank keine Hinweise auf eine solche „grüne“ Inflation gefunden, die CO2-Steuer hat die Preise nur um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte erhöht – also fast nichts. Es ist auch verständlich, warum: Die CO2-Steuer ist lächerlich gering im Vergleich zu den normalen Schwankungen der Benzin- und Dieselpreise, oder gar zur Versechsfachung des Gaspreises und damit der Heizkosten im Winter 2022/23.
Gibt es nicht bessere Instrumente für den Klimaschutz, die das Leben nicht teurer machen? Natürlich. Eine bessere Raumplanung, keine Supermärkte mehr auf der grünen Wiese mit Riesenparkplatz. Bauen in die Höhe statt niedriger Einfamilienhäuser. Mehr Raum für Flüsse durch Renaturierung, weniger Bodenverbrauch und -versiegelung (vulgo: das Land zuzubetonieren), verpflichtender Heizungstausch (sofern möglich und leistbar), Privatjets verbieten. All das wäre eine bessere Klimapolitik ganz ohne unmittelbar teurere Preise, die noch wirksamer wäre. Doch Österreich macht sie nicht. Nicht einmal beim Hochwasserschutz – wo es um Eigentumsschutz statt um Klimaschutz geht – kam Österreich zügig genug voran.
Der Klimabonus geht aber noch besser
Mehr Sinn hat es, den Klimabonus zu verbessern, nicht zurückzustutzen. Wie? Nun, zum einen ist eine stärkere soziale Staffelung möglich. Damit man künftig nicht mehr im Wiener Nobelbezirk Döbling einen höheren Klimabonus bekommt als im Flächenbezirk Favoriten.
Zum anderen braucht es einen Ausgleich für Härtefälle. Für manche – etwa Pendler:innen mit wenig Gehalt und schlecht gedämmter Wohnung – braucht es einen höheren Bonus. Außerdem gehört die Heizung im Bonus berücksichtigt. Wenn sich etwa Vermieter:innen wehren, ein klimafreundlicheres Heizsystem einbauen zu lassen, dann sollten auch sie die CO2-Steuer der Mieter:innen bezahlen. Denn schließlich können diese gar nicht klimafreundlich heizen, wenn die ineffiziente, alte Gasheizung bleibt oder die notwendige Wärmedämmung der Mauern nicht gemacht wird.
Setzt man all das um, wird der Klimabonus sozial viel treffsicherer. 84 Prozent der Geringverdiener:innen würden positiv aussteigen.
Keine Budgetsanierung gegen das Klima
Für die Budgetsanierung draufgehen sollte der Klimabonus jedenfalls nicht. Wenn er schon stärker besteuert oder ausgesetzt wird, sollten die Einnahmen aus dem CO2-Preis jedenfalls verwendet werden, damit sich mehr Menschen klimafreundlich verhalten können. Etwa, um aus Ölheizungen auszusteigen. Oder, um die Öffis in ländlichen Regionen auszubauen, Bus- und Bahntakte zu verdichten. Dann müssen die Menschen künftig weniger CO2-Steuer bezahlen, weil sie auf brauchbare Alternativen ausweichen können.
Weniger sinnvoll ist, das Geld für Hochwasserschäden (statt vorbeugenden Schutz) herzunehmen. Werden solche Ereignisse zur Regel, laufen wir den Schäden hinterher, die die Klimakrise verursacht, anstatt proaktiv unser Leben klimafreundlicher auszurichten.
Die CO2-Besteuerung ist nicht perfekt, aber besser als nichts
Die CO2-Steuer ist kein perfektes Instrument gegen die Klimakrise. Wirklich nicht. Schon die Idee ist grundsätzlich seltsam, haben wir doch in der Vergangenheit unsere Umweltprobleme ganz anders gelöst. Indem wir klare Regeln aufgestellt haben, was erlaubt und was verboten ist. Dreck durfte nicht mehr in Flüsse geleitet werden. FCKW (wegen des Ozonlochs) nicht mehr in Kühlschränke verbaut werden. Umweltschädliche Gase wurden verboten, damit kein saurer Regen mehr den Wald zerstört.
Die CO2-Steuer dagegen erlaubt allen, die zahlungskräftig genug sind, ihr klimaschädliches Verhalten unvermindert fortzuführen. Nein, perfekt ist sie nicht. Aber sie trägt dazu bei, zumindest die ersten Trippelschritte in Richtung Klimaschutz zu machen. Denn letztlich schützen wir nicht das Klima. Der Planet kommt gut ohne uns Menschen aus. Wir schützen uns selbst.