“Aktion Generationengerechtigkeit”: Medien verschweigen, wer dahintersteckt
“Gerechtigkeit – Experte fordern höheres Pensionsantrittsalter” und “Was jetzt bei den Pensionen geschehen muss – Experten fordern Pensionsantritt mit 67 Jahren” titeln österreichische Tageszeitungen. So berichten sie ausführlich von einer Runde von Sozialexperten, die Pensionsreformen einfordern.
Deren Argumente und Schlussfolgerungen bleiben da unwidersprochen stehen: Wir müssten demnach alle länger arbeiten, die Gesellschaft werde immer älter, die Pensionen könnten wir uns in Zukunft nicht mehr leisten. Niemand würde solche unbequemen Wahrheiten aussprechen und Maßnahmen umsetzen wollen. Vieles davon sind Argumente, die ständig wiederholt werden – und mit irreführenden Zahlen untermauert werden.
Was Medien in ihren Berichten verschweigen: Wer diese Expertenrunde zusammengestellt hat. Denn hinter der “Aktion Generationengerechtigkeit” steckt ein Verein, der Lobbying aus einer klaren politischen Richtung betreibt. Das ist an sich nicht das Problem. Es ist aber der Auftrag von Medien, das klar einzustufen.
“Aktion Generationengerechtigkeit”: Angst um Pensionen
“Unsere Pensionen sind nicht sicher”. So titelt der Verein auf seiner Homepage. Ein Kollaps werde kommen, würde man nicht viel ändern. Und schreibt etwa davon, dass die Lebenserwartung jedes Jahr um 3 Monate steigt. Spätestens da sollten die Alarmglocken schrillen. Denn die Lebenserwartung stagniert seit mehr als zehn Jahren.
Auch bei anderen “Argumenten” sollte man genauer hinsehen. So schreibt die “Aktion Generationengerechtigkeit” von den enormen Zuschüssen aus dem Budget, um die Pensionen bezahlen zu können. Was sie dabei nicht erwähnt: die Menge, die der Bund zuschießt, ist seit Jahrzehnten bezogen auf das BIP stabil geblieben. Und tatsächlich zahlen vor allem die unselbständig Beschäftigten mehr Geld in die Pensionsversicherung ein als in Alterspensionen ausgezahlt werden. Steuergeld wird vor allem für die Pensionen von Bauern und Selbständigen gebraucht.
Wer steht hinter “Aktion Generationengerechtigkeit”?
Spätestens an diesem Punkt sollte man einen Blick darauf werfen, wer in dem Verein tätig ist. Denn was nach einem Zusammenschluss von jungen Menschen klingt, die Angst vor der Zukunft haben, ist das genaue Gegenteil.
Der Obmann des Vereins ist Georg Feith (62). Er ist CEO eines Herstellers für Aluminiumkomponenten. Und er war lange Zeit Vorsitzender des Cartellverbands (CV) – das sind konservativ-katholische Männerbünde. Als solcher hat er viele rechtskonservative Einstellungen – etwa gegen eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes und gegen die Ehe für Alle gekämpft. Der Cartellverband gilt als eine der Kaderschmieden der ÖVP. Auch Karl Nehammer ist dort Mitglied.
Die Generalsekretärin der “Aktion Generationsengerechtigkeit” ist Ingrid Nemec. Sie ist mittlerweile in Pension, hat davor lange bei der ÖVP gearbeitet. Sie war etwa Pressesprecherin von ÖVP-Minister Martin Bartenstein und Sektionschefin im Familienministerium.
Aber auch die weitere Liste der Beteiligten liest sich interessant: Peter Neuböck ist im Cartellverband aktiv, Christian Gehrer ist PR-Berater und Lobbyist, Bernhard Breulich war Vorstand der Raiffeisen-Pensionsversicherungsfirma Valida. Auch Wolfgang Mazal, einer der vom Verein geladenen Sozialexperten, ist Mitglied beim CV.
Mehr privat, weniger Staat
Zu diesem Personal vorrangig aus dem ÖVP-Umfeld passen dann eben auch die Forderungen, wer auf Podien sprechen darf und was überhaupt diskutiert wird. Eine weitere Forderung des Vereins ist die “Stärkung der zweiten und dritten Säule” – also betriebliche und private Pensionsvorsorge. Dazu passend: der Verantwortliche für die Redaktion der Vereinsseite, Gerhard Kantusch, ist Gründer von P&C Pension Consulting. Dort berät man Unternehmen bei der betrieblichen Altersvorsorge. Denn “der Generationenvertrag funktioniert nicht mehr”, wie auf der Seite zu lesen ist.
Das alles sind keine geheimen Informationen. Der Verein versucht nicht, sich zu verstecken. Es ist auch nicht das erste Mal, dass er in Erscheinung tritt. Doch Medien verabsäumen es trotzdem immer wieder, darauf hinzuweisen, dass dahinter vor allem wohlhabende Industrielle stecken, die keine Angst um ihre Pensionen oder die ihrer Kinder haben müssen – sondern die von den vorgeschlagenen Reformen vielleicht sogar profitieren könnten.