Wie ein ÖVP-naher Verein Stimmung gegen staatliche Pensionen macht
„Unsere Pensionen sind nicht sicher“: Bereits der erste Satz auf der Website der „Aktion Generationengerechtigkeit“ verbreitet ein wenig Panik. Rasch müssten Maßnahmen ergriffen werden, um den „Kollaps“ des Pensionssystems zu vermeiden. Das Pensionsalter soll erhöht, das Frauenpensionsalter noch früher als geplant an jenes der Männer angeglichen werden und mehr in kapitalgedeckte Vorsorge investiert werden, sagt die Initiative.
In einem aktuellen „Kurier“-Artikel spricht sich die Generalsekretärin des Vereins für eine Bewusstseinsänderung unter den Menschen aus. Längeres Arbeiten soll akzeptiert werden. „Solange wir dieses Bewusstsein nicht haben, wird auch die Politik nichts tun“, wird sie als uneingeordnete Expertin im Artikel zitiert.
Auch sei „die staatliche Subvention als Grundlage des Pensionssystems“ überholt, argumentiert der Verein etwa auf seiner Website. Klingt einleuchtend? Höchstens deshalb, weil die Aussage überhaupt noch nie gestimmt hat: Die staatliche Subvention ist nicht die „Grundlage“ des Pensionssystems, sondern steuert einen relativ kleinen Teil bei. Für die Arbeitnehmer finanziert der Bund nur rund 12 Prozent der Pensionsausgaben, den Rest tragen Arbeitnehmer und -geber.
Aufgebrachte junge Menschen? Nein.
Doch wer steckt denn nun eigentlich hinter der „Aktion Generationengerechtigkeit“? Aufgebrachte Millennials, die Angst haben, im Generationenkonflikt leer auszugehen? Prekäre Selbstständige, die unter SVA-Beiträgen stöhnen? Überhaupt „die Jungen“, die sich selbstorganisiert zu Wort melden? MOMENT hat noch einmal nachgeschaut. Der vermeintliche Zusammenschluss engagierter BürgerInnen wirkt dann doch ein bisschen zu vertraut.
Die Büroadresse in der noblen Wipplingerstraße im ersten Wiener Gemeindebezirk gibt schon einen Hinweis darauf, dass man es hier nicht mit einer kleinen Bürgerinitiative zu tun hat. Ein Blick auf das Personal bestätigt diesen Eindruck:
Obmann Georg Feith (57) ist Vorstand einer österreichischen Industriegruppe und Präsident des Österreichischen Cartellverbands, ist gegen die „Ehe für alle“ und gegen Sexualerziehung, fürchtet sich aber auch vor zu wenig katholischen Geburten in Wien.
ÖVP-Umfeld
Generalsekretärin Ingrid Nemec ist Pensionistin. Sie hat lange bei der ÖVP gearbeitet, wurde Anfang 2019 von der damaligen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein zur kommissarischen Leiterin der neu eingerichteten Österreichischen Gesundheitskasse eingesetzt. Zuvor war sie ein Jahrzehnt Pressesprecherin von ÖVP-Minister Martin Bartenstein und Sektionschefin im ÖVP-geführten Familienministerium.
Aber auch die weitere Liste der Beteiligten liest sich interessant: Peter Neuböck ist im Cartellverband aktiv, Christian Gehrer ist PR-Berater und Lobbyist, Bernhard Breulich war Vorstand der Raiffeisen-Pensionsversicherungsfirma Valida.
Therese Niss sitzt für die ÖVP im Nationalrat, war aktiv bei der „Jugendorganisation“ der Industriellenvereinigung und sitzt im Vorstand der elterlichen Industriegruppe Mitterbauer. Ihr Vater spendete in den letzten zwei Jahren rund 300.000 Euro an die ÖVP.
Helwig Aubauer kennen wir als Bereichsleiter Arbeit und Soziales der Industriellenvereinigung. Mit dem Sozialrechtler Wolfgang Mazal verbindet Obmann Feith die Mitgliedschaft im CV.
Man muss den Pensionsbewegten zugutehalten, dass sie nicht so tun, als wären sie eine spontan gegründete Graswurzelbewegung, sondern offen auftreten. In den Medien wird trotzdem kaum eingeordnet, woher sie politisch und ideologisch stammen. Und warum sich ausgerechnet zum Thema „Generationengerechtigkeits“, so wie sie das verstehen wollen, so gar keine Menschen unter 40 finden, bleibt rätselhaft.
Warum ist das „unverantwortliche“ österreichische Pensionssystem eigentlich vor allem unter Industriellen so unbeliebt, deren Wohlstand (und der ihrer Kinder) am wenigsten davon abhängt?