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Demokratie

Erhöhung des Pensionsalters: Plötzlich Koalitionsbedingung, aber nicht im Wahlprogramm

Erhöhung des Pensionsalters: Plötzlich Koalitionsbedingung, aber nicht im Wahlprogramm
Die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS sind auch an einem höheren gesetzlichen Pensionsantrittsalter gescheitert. Von der Forderung gingen ÖVP und NEOS nicht ab - obwohl sie dafür nicht gewählt wurden.

Die Hackeln in Österreichs Innenpolitik fliegen wesentlich tiefer als üblich. ÖVP, SPÖ und NEOS geben einander die Schuld für das Ende der Koalitionsverhandlungen. Als Ergebnis des Scheiterns wird es wohl bald den ersten rechtsextremen Kanzler der Zweiten Republik geben. Eine Zeitenwende.

Fast eine halbe Stunde lang erklärte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger am 3. Jänner, warum ihre Partei die Koalitionsgespräche mit ÖVP und SPÖ beendet hatte. Es waren wortreiche Ausführungen, in denen Meinl-Reisinger ungewohnt wenig gesagt hat. Konkreter wurde sie bei einem Punkt: den Pensionen. Beim gesetzlichen Pensionsantrittsalter müsse etwas geschehen.

Die NEOS waren vom Tisch, die ÖVP setzte sich am Samstag nochmals mit der SPÖ daran. Was folgte, war eine österreichische Farce. Die damit endete, dass das SPÖ-Verhandlungsteam in ein geleertes und gereinigtes Zimmer zurückkehrte. Von der ÖVP war da keine Spur mehr, der künftige Ex-Kanzler Karl Nehammer war da bereits mit der Aufnahme seines Abschiedsvideos beschäftigt.

Nach und nach kamen Details über das Scheitern der Verhandlungen zu einer kleinen großen Koalition zum Vorschein. Auch zwischen ÖVP und SPÖ gab es einen wichtigen Streitpunkt: das gesetzliche Pensionsantrittsalter. Die ÖVP war laut SPÖ für eine gesetzliche Erhöhung, die SPÖ wiederum lehnte das weiterhin ab.

Wenn unterschiedliche politische Vorstellungen aufeinandertreffen, gibt es eben unüberwindbare Differenzen. So könnte man diese Auseinandersetzung abtun. Ein Blick in die Wahlprogramme zeigt aber: Weder NEOS noch ÖVP schritten mit dieser Forderung zur Wahl.

Pensionsalter anheben: Plötzlich Pflicht

Erst im August 2024 wurde genau über dieses Thema politisch diskutiert. Das Pensionsantrittsalter sollte schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden, so die Chefin der Alterssicherungskommission, Christine Mayrhuber. Die Reaktion der Parteien? Die NEOS sprachen sich grundsätzlich für “große Reformen” aus. Ein höheres gesetzliches Pensionsantrittsalter war aber kein Vorschlag ihres Wahlprogramms. Man kann ihnen aber zumindest zugutehalten, dass sie es in Interviews im Wahlkampf offen gefordert haben.

Auch die ÖVP sprach sich dafür aus, erstmal das tatsächliche Pensionsalter an das gesetzliche anzupassen. Schon im “Österreichplan” von Karl Nehammer wollte sie Menschen das spätere Pensionsantrittsalter attraktiv machen oder sie sogar dazu zu bringen, darüber hinaus zu arbeiten. Aber eine gesetzliche Anhebung? Fehlanzeige. Noch im Sommer lehnte die Partei das sogar recht offen ab.

Ein höheres gesetzliches Pensionsantrittsalter ist ein schwerwiegender Eingriff in Rechte der Bevölkerung. Für die NEOS war diese Forderung aber nicht einmal einen Eintrag im eigenen Wahlprogramm wert. Die ÖVP lehnte sie im Wahlkampf sogar ab. In den Koalitionsverhandlungen war das aber dann plötzlich anscheinend eine wichtige Forderung. Zumindest laut SPÖ war das einer der Punkte, an dem man sich am Ende auch nur mit der ÖVP nicht einig wurde.

Die Regierungsbildung abseits einer rechtsextremen Koalition scheiterte demnach auch an einer Forderung, die den Wähler:innen nie präsentiert wurde.

Leidiges Pensionsthema

Man könnte meinen, dass ein höheres Pensionsantrittsalter das Budget sofort sanieren würde, so wichtig scheint es den beiden Parteien plötzlich zu sein. Tatsächlich würde die Maßnahme aber das nach der Wahl “überraschend” aufgetauchte Budgetloch auf keinen Fall stopfen.

Es würde Jahrzehnte dauern, bis sich dadurch tatsächlich etwas ändern würde. Man kann einem 65 -jährigen nicht plötzlich sagen, dass er nun doch zwei Jahre länger arbeiten muss. Die Pension ist eine Versicherungsleistung. Wir alle zahlen dafür ein und erwerben einen Anspruch damit – und mit dem planen wir unser Leben.

Wenn die rechten Parteien uns diese Rechte zu schnell oder willkürlich wegnehmen möchte, kriegen sie völlig zurecht Probleme mit dem Gesetz. Zum Vergleich: Die Angleichung des Pensionsalters von Frauen an jenes der Männer wurde 1992 erstmals gesetzlich beschlossen. 2024 wurde damit begonnen. 2033 wird man damit fertig sein.

Man könnte übrigens viel einfacher Geld sparen, wenn man stattdessen etwas für die Bevölkerung tut. 2022 hatte fast ein Drittel der Menschen in Österreich vor ihrer Pensionierung keine Erwerbsarbeit. Das “faktische” Pensionsantrittsalter ist auch deshalb weit vom “gesetzlichen” entfernt. Etwa, weil ältere Menschen entlassen werden und nach einem Jobverlust oft keinen mehr finden. Oder auch, weil wir in Österreich früher krank werden als Menschen in anderen Ländern.

Den Menschen in Österreich zu helfen, länger zu arbeiten, würde viel mehr Kosten einsparen, als das Antrittstalter anzuheben. Und nebenbei für mehr Zufriedenheit sorgen. Diesen Plan hatten tatsächlich alle Parteien im Wahlprogramm.

Geht es wirklich um Pensionen?

Interessant wird übrigens, was jetzt kommt. Denn auch die FPÖ hat erst im November in einer Aussendung verkündet: “Das klare Nein der FPÖ zur Anhebung des Pensionsantrittsalters ist ungebrochen!“

Wird auch die FPÖ sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass sie uns über ihre Pensionspolitik im Wahlkampf belogen hat? Oder lässt die ÖVP die Forderung, an der sie eine Koalition mit der SPÖ noch scheitern ließ, für einen rechtsextremen Koalitionspartner plötzlich fallen – weil es am Ende gar nicht um die Pensionen ging?

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    Kommentare 1 Kommentar
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  • Karl Lehofer
    12.01.2025
    Hier geht es sicher nicht um eine Erhöhung des Pensionsantritsalters sondern um eine weitere Kürzung der Pensionen, den umso früher in Pension umso höher die Abschläge. Nur darum geht's den Politikern. Den unseren Politik geht's nur ums Lügen, das sind alle Schmarotzer die sich unser Steuergeld unter den Nagel reißen.
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