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Klimakrise
Kapitalismus

Der Streit um Sinn und Unsinn von Geschenken

Foto: Robin Higgins / Pixabay

Geschenke sind ein echtes Problem. Oder?

Das Kind reißt das Geschenk unter dem Baum auf. Es lacht glücklich und drückt seinen neuen Teddybär an sich. Genau den hatte es sich gewünscht!

Der Opa zieht seine neuen Socken aus dem Paket. Perfekt! Genau dieses Zehnerpack hätte er sich vergangene Woche gekauft, hätte er nicht sein Portmonaie vergessen!

Papa und Mama freuen sich über die Virtual Reality-Brille. Die haben sie sich als gemeinsames, lang ersehntes Geschenk gekauft, weil das Sonderangebot diesmal aber so ganz genau gepasst hat! 

Alle haben an diesem superidyllischen Weihnachten genau das bekommen, was sie wirklich unbedingt wollten.

 

Eine reine Fantasie.

Realitätscheck: So wunderbar funktioniert das Schenken in der Regel einfach nicht! Auch wenn wir uns noch so viel Mühe geben und noch so kreativ sind. Nicht alle Geschenke sind perfekt. Manche freuen sich zwar schon über das, was sie bekommen haben – aber sie hätten es gar nicht wirklich gebraucht. Andere hätten zumindest nie so viel Geld dafür ausgegeben. Und natürlich gibt es eine ganze Menge Geschenke, die völlig unpassend sind und im Schrank und Regal verstauben. Etwa Geschenke, die von unachtsamen FreundInnen und Verwandten erdacht oder bei der Firmenweihnachtsfeier eher pflichtgemäß ausgetauscht werden und kaum Rücksicht auf die Wünsche des Beschenkten nehmen. 

 

Falsche Geschenke sind teuer

Der Ökonom Joel Waldfogel hat schon in den 1990er-Jahren erkannt, dass falsche Geschenke nicht nur ärgerlich, sondern ein gesamtwirtschaftliches Problem sind. Er fragte seine Studierenden nach Weihnachten, was sie bekommen haben und was sie selbst für diese Geschenke ausgegeben hätten. Das Ergebnis war klar: Im Durchschnitt wären die Studierenden viel knausriger mit sich gewesen, als es ihre Verwandten und Bekannten mit ihnen waren. Sie hätten viel weniger Geld ausgegeben, also wohl auch viel weniger von dem verschenkten Zeug gekauft.

Das passiert aus vielfältigen Gründen. Wenn wir für andere Leute etwas kaufen, wissen wir nicht so genau über ihre Bedürfnisse Bescheid, wie sie selbst. Wir geben uns vielleicht auch gerne etwas großzügiger. Eigennutz ist da auch dabei: Wenn wir etwas verschenken, wollen wir uns oft dabei auch gut fühlen. Die Forschung zeigt, dass wir beim Schenken viel Wert darauf legen, wie jemand im ersten Moment darauf reagiert und wenig darauf, ob das Geschenk hinterher auch gebraucht wird. Und als Schenkende legen wir mehr Wert darauf, dass ein Geschenk etwas „Besonderes“ ist, während wir als Beschenkte eher den praktischen Nutzen eines Geschenkes schätzen.

„Unnötig“ ausgegebenes Geld ist auf einer persönlichen Ebene bitter, weil man es meist hart verdient hat und sicher besser verwenden könnte. Bedenkt man aber, wie oft das rund um die Welt an verschiedenen Gelegenheiten passiert, kommen auch gesamtwirtschaftlich gesehen enorme Summen zusammen, die „falsch“ investiert werden. Geschätzt bis zu 30 Prozent der Summen, die für Geschenke ausgegeben werden, gehen „verloren“. Mit diesen Summen ließe sich eine Menge Gutes tun.

Alle leiden – auch das Marktideal

Das Dilemma nennt man einen „volkswirtschaftlichen Verlust“ (englisch: „Deadweight Loss“). Durch diesen Prozess werden falsche Signale an die Wirtschaft gesendet. HerstellerInnen verschwenden ihr Zeit und Ressourcen auf Produkte, die niemand braucht; KonsumentInnen verschwenden Zeit und Geld für Dinge, die niemand will; und im besten Fall verschwenden die Beschenkten wenigstens ihre Zeit damit, es umzutauschen. Angebot und Nachfrage stimmen nicht mehr zusammen, also werden auch die Preise verzerrt. Überproduktion, überfüllte Lager, zu hohe Preise und unzufriedene KonsumentInnen können Folgen sein. 

Weihnachten, Geburtstage und andere Geschenkgelegenheiten hauen (neben anderen Phänomenen) den VerfechterInnen der freien Marktwirtschaft einfach so die schöne Theorie der perfekten Preise zusammen!

Neben der marktwirtschaftlichen Theorie ist aber auch unser Planet ein Leidtragender. Denn unnötiger Konsum bedeutet natürlich auch unnötigen Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoß. Und der trägt zur Klimakrise und anderer Umweltzerstörung bei.

Was ist ein Lachen wert?

Nicht alle wollen das Thema freilich gar so kühl sehen. Beim Schenken geht es schließlich den wenigsten Menschen um den korrekten Preis. Es geht ihnen auch um den Gedanken und die Freude beim anderen – und der Wert von diesen Dingen ist nun mal schwer zu beziffern. Wer weiß schon, was das Lächeln des Enkelkindes wirklich wert ist? Auch andere ÖkonomInnen sind da bei weitem nicht immer ganz so berechnend wie der Marktforscher Waldfogel.

Einander so oft wie möglich auch wirklich das zu schenken, was man auch wirklich haben will, ist trotzdem ein gutes Ziel. Ein kleines Kind hätte sich den erhaltenen Teddy vielleicht mit seinem Taschengeld nicht selbst gekauft. Trotzdem macht er es wahrscheinlich glücklich.

Ein geschenkter Pullover, den dann niemand wirklich anziehen möchte, muss aber nicht sein. Und mit dem Geld und CO2-Ausstoß ließe sich auch Sinnvolleres anstellen.

Was man tun kann? Manchmal wären die Beteiligten vielleicht besser dran, wenn sie sich einigen, dass sich jeder selbst oder auch gar niemand etwas kauft und man einfach nur eine nette Zeit miteinander verbringt. Manchmal wäre bloßes Geld vielleicht ein uninspiriertes Geschenk, aber eben auch ein ziemlich nützliches. Und wer doch ein unliebsames Geschenk erhält: Sucht doch jemanden, der vielleicht etwas damit anfangen kann, statt es verstauben zu lassen. Was aber immer ratsam ist: im Vorfeld so oft wie möglich über die Wünsche zu reden. Das kostet zumindest nix.

Lesetipps zum Thema

Joel Waldfogel: Scroogenomics – Why You Shouldn’t Buy Presents for the Holidays (2009)

NRP Planet Money: Why Economists Hate Gifts

Vice: Why Economists Hate (And Love) Christmans

The Atlantic: WhyYou’re Bad at Giving Gifts

The Atlantic: Why Is Everyone So Bad at Giving Gifts?

 

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