Die 6 größten Hürden zur Staatsbürgerschaft
Die Zahl der Einbürgerungen ist heute viel niedriger als am Anfang des Jahrtausends. Seither wurden die schon vorher anspruchsvollen Kriterien für die Verleihung der Staatsbürgerschaft noch mehrmals verschärft.
#1 Hier geboren und trotzdem Ausländer:in
In Österreich ist die Staatsbürgerschaft an die Eltern gekoppelt. Das führt zu der absurden Situation, dass zwischen einem Fünftel und einem Viertel der Kinder, die hierzulande auf die Welt kommen, als „AusländerInnen“ gelten. „In Deutschland, Finnland und Portugal war das früher auch so“, sagt Migrationsforscherin Sylvia Hahn. „Mittlerweile haben das diese Länder aber geändert. Die Staatsbürgerschaft kann dort auch durch Geburt erworben werden.“ Diese Länder sollten Vorbild für Österreich sein, sagt sie.
Im Jahr 2013 forderten die Grünen die Einführung des Geburtsortsprinzip. Im aktuellen Regierungsprogramm findet sich dazu allerdings nichts.
#2 Langer ununterbrochener Aufenthalt
In fast der Hälfte aller Staaten der Welt genügen 5 Jahre regulärer Aufenthalt, um sich für Einbürgerung zu qualifizieren. Nicht aber in Österreich. Hierzulande müssen sich AnwärterInnen 10 Jahre (in Sonderfällen 6 Jahre) rechtmäßig und ununterbrochen im Land aufhalten.
„Einwanderer, die für längere Zeit in ihr Herkunftsland zurückkehren müssen, etwa um sich um enge Familienangehörige zu kümmern, werden damit von der Staatsbürgerschaft auf lange Zeit ausgeschlossen“, schreibt Migrationsforscher Rainer Bauböck in einem Bericht über Migration und Integration in Europa.
#3 Eine Einkommensschwelle, die für manche nicht zu schaffen ist
Seit der Gesetzesänderung durch die erste schwarz-blaue Regierung im Jahr 2005 ist die Einkommensschwelle für Einbürgerungen gestiegen. Mittlerweile wird verlangt, dass eine Person zumindest 882 Euro verfügbares Einkommen hat – und zwar nach Miete und Unterhalt, wenn diese 282 Euro überschreiten.
„Wenn man bedenkt, dass Menschen aus Drittstaaten oft auf unsichere und schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse angewiesen sind und – solange sie nicht österreichische Staatsbürger sind – kaum Möglichkeiten für einen regelmäßiges, kontinuierlichen und gut bezahlten Job haben, so ist das eine Endlosschleife, aus der sie kaum herauskommen können“, sagt Sylvia Hahn.
Schwarz-blau schaffte außerdem die „Verschuldungsklausel“ ab, die mildere Regelungen vorsieht, wenn jemand etwa wegen einer Behinderung in eine soziale Notlage gerät. 2013 wurde diese nach einem Urteil des Verfassungsgerichts wieder eingeführt.
#4 Das Verfahren ist teuer
Das Einbürgerungsverfahren ist ganz schön teuer. An den Bund müssen AntragstellerInnen rund 1.150 Euro zahlen, dazu kommen Landesabgaben, die unterschiedlich hoch sind. In Tirol kann ein Verfahren für eine Familie bis zu 2.500 Euro kosten. Dazu kommen noch die Kosten fürs Übersetzen von Dokumenten.
#5 Schwammige Formulierungen zum Wohlverhalten
Die Wiener Zeitung berichtet im Juni von einer Frau, der die österreichische Staatsbürgerschaft zugesichert wurde, sollte sie die estnische rechtzeitig ablegen. Nachdem sie das getan hatte, entschieden die österreichischen Behörden doch anders – die Frau hatte nämlich zwei Verkehrsstrafen eingefahren. Sie ist nun staatenlos.
Seit 2005 fordert der Staat von den zukünftigen StaatsbürgerInnen „Wohlverhalten“. „Diese Formulierung ermöglicht einen breiten Interpretationsspielraum“, sagt Hahn. „Sie kann sehr streng ausgelegt werden, zum Nachteil für AntragstellerInnen.“
#6 Verbot von Doppelstaatsbürgerschaften
Viele Länder erlauben Doppelstaatsbürgerschaften. Österreich nicht. „So sehen sich die Menschen mit der Entscheidung eines ‘Entweder – Oder’ konfrontiert“, sagt Hahn. „Österreich gehört hier zu den wenigen konservativen und restriktiven Ländern in Europa.“
#Fazit
Viele Menschen stehen in Österreich vor einem Problem: Sie können die strengen Anforderungen für die Einbürgerung nicht erfüllen, auch wenn sie sogar hier geboren sind, möchten aber mitbestimmen, was um sie herum passiert. Das Wahlrecht für Landtag und Nationalrat ist an die Staatsbürgerschaft gekoppelt. Das führt dazu, dass beispielsweise in Wien rund ein Drittel der BewohnerInnen im wahlfähigen Alter nicht voll wahlberechtigt ist.
Einige Länder knüpfen das Wahlrecht an den Lebensmittelpunkt. Das wäre eine Möglichkeit, dieses Problem zu beheben. Eine andere Möglichkeit wäre, sich beim Staatsbürgerschaftsgesetz an fortschrittlicheren europäische Staaten zu orientieren und beispielsweise die Verschärfungen, die 2005 unter schwarz-blau eingeführt wurden, wieder rückgängig zu machen.