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Arbeitswelt

Die Arbeitsagenden nicht im Sozialministerium: Warum das ein Problem sein kann

Unter Schwarz-Blau I wurden zum ersten Mal in der Geschichte der 2. Republik die Arbeitsagenden aus dem Sozialministerium herausgelöst und dem Wirtschaftsministerium zugeschlagen. Jetzt werden sie wieder vom Sozialen getrennt.

Unter Schwarz-Blau I wurden zum ersten Mal in der Geschichte der 2. Republik die Arbeitsagenden aus dem Sozialministerium herausgelöst und dem Wirtschaftsministerium zugeschlagen. Erst unter Bundeskanzler Faymann kam der wichtige Bereich, der aus Arbeitsmarkt (inklusive Arbeitsmarktservice) und dem Arbeitsrecht besteht zurück ins Sozialministerium. Nun steht erneut eine Trennung an. Neue Arbeitsministerin wird eine steirische von der ÖVP nominierte Unternehmerin und Unternehmensberaterin, die soweit bekannt weder etwas mit dem Thema, noch mit der christlich-sozialen Arbeitnehmervertretung (FCG) oder dem Arbeitnehmerbund der Volkspartei (ÖAAB) zu tun. Warum kann das problematisch sein?

Die Arbeitsministerin gibt die grundsätzliche Linie in den Arbeitsinspektoraten vor. Gerade die konservative Linie „Beraten vor Strafen“ deutet auf eine laxe Auslegung des Arbeitnehmerschutzgesetzes hin, die den Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz gefährden kann. Zwar bedarf eine Gesetzesänderung der Zustimmung der Grünen im Nationalrat, doch für Verordnungen unter alleiniger Kontrolle der Arbeitsministerin ist das nicht der Fall. Ein sperrig klingendes Beispiel: Die „Lastenhandhabungsverordnung“. Sie legt einfach nur fest, wieviel Gewicht der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in welchem Alter wie oft und wie lange tragen lassen darf – damit junge Menschen nicht schon mit 25 den ersten Bandscheibenvorfall haben, nur weil der Unternehmer (Trage-)Personal sparen will. Ein noch ernsteres Beispiel: Die Grenzwerteverordnung legt eine maximal erlaubte Konzentration von giftigen (beispielsweise krebserregenden) Stoffen am Arbeitsplatz fest. Die Arbeitsministerin muss diese schützenden Verordnungen nicht ändern. Aber sie kann es tun, wenn bestimmte Branchen aus der eigenen, der Unternehmerschaft nahestehenden Partei zwecks Profitgier Druck auf sie ausüben.

AMS unter Unternehmenskontrolle

Das Förderbudget des AMS kommt unter die Kontrolle der Unternehmervertretungen. Sie bevorzugen, dass staatliches Geld zur Beschäftigung und Qualifizierung von Arbeitslosen in Form von „Eingliederungsbeihilfen“ an UnternehmerInnen ausbezahlt wird. Der Mitnahmeeffekt ist dabei sehr hoch: Obwohl der Job auch ohne sie geschaffen worden wäre, streicht der Unternehmer eine Förderung ein. Die Budgetkürzungen bei der individuelle Förderung der ArbeitnehmerInnen zur Qualifizierung (Fachkräftestipendium) und auch konkrete öffentlich geförderte Jobs, die wirklich zusätzlich und ohne Mitnahmeeffekte geschaffen wurden und die Arbeitslosigkeit effektiv gesenkt haben, bleiben auf der Strecke (laut Regierungsprogramm: Aktion 20.000 trotz großen Erfolgs weiterhin abgeschafft, Kürzungen am „zweiten“ Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose bei sozial-ökonomischen Betrieben werden nicht zurückgenommen).

Der AMS-Algorithmus kommt. Ein (grüner) Arbeitsminister hätte ihn per Minister-Weisung verhindern können. Stattdessen bestimmt ein türkis dominierter Verwaltungsrat, wie Arbeitslose künftig von einem Computerprogramm harsch in drei Gruppen eingeteilt werden. Für die mit „niedrigen“ Chancen am Arbeitsmarkt, die nicht das Glück haben in eine spezielle Fördergruppe zu fallen, gibt es in Zukunft de facto kein Geld für Ausbildungen und sonstige Förderungen mehr – die Unternehmerschaft kann diese Leute nicht mehr gebrauchen, deswegen sollen erst sie auch gar keine Fördermittel bekommen. Unter dem Vorwand der „Effizienz“ wird so eine – pointiert formuliert – menschenverachtende Arbeitsmarktpolitik legitimiert.

Mehr Sanktionen vom AMS

Die ohnehin bereits harten Sanktionen des AMS werden härter – Sperren des Arbeitslosengeldes oder der Notstandshilfe bedeuten dabei für Familien, dass sechs bis acht Wochen lang das nötigste Geld zum Leben fehlt. Bereits unter Türkis-Blau gab es einen massiven Anstieg der Sanktionen von knapp über 100.000 auf rund 140.000. „Generelle Arbeitsunwilligkeit“ war dabei nur bei jeder 250. Sperre der Grund. Häufiger kommt ein tageweises Fernbleiben von Schulungen vor, bei dem Arbeitslose es leid sind, den „Wie bewerbe ich mich richtig?“ Kurs zum dritten Mal zu besuchen oder längerfristige, aber zum Teil sinnlose Schulungen aufzunehmen, nur um die Langzeitarbeitslosenquote für die Regierung zu senken.

Die anekdotische Evidenz wird von einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts wissenschaftlich bestätigt: Dieser zufolge führen Sperren auf einem Arbeitsmarkt mit zu wenig verfügbaren offenen Stellen lediglich dazu, dass sich Menschen vom AMS abmelden – mehr Arbeitsaufnahmen hingegen werden nicht erreicht, weil die Arbeitsplätze fehlen. Ein grüner Arbeitsminister hätte hier zumindest das gröbste abfedern können.

Einseitiger Fokus

Der einseitigen Fokus auf einen Mangel an „Fachkräften“ wird sich wohl fortsetzen. Anstatt sicherzustellen, dass in die Löhne in betroffenen Branchen endlich einmal kräftig steigen dürfen und die Arbeitsbedingungen sich verbessern, so wie es die freie Marktwirtschaft verlangen würde, finden sich im Regierungsprogramm eine weitere Ausweitung des Arbeitskräfteangebots. Doch ohne eine gesunde Arbeitskräfteknappheit im Land werden sich die eher mauen realen Lohnerhöhungen der letzten Jahre nicht viel verändern. Konkret findet sich eine Reform der Rot-Weiß-Rot Karte im Regierungsprogramm, die mit einer Senkung der geltenden Gehaltsgrenze von 2.610 Euro nicht mehr nur Höherqualifizierte aus Drittstaaten ins Land lassen will, sondern auch mittel- und niedrig Qualifizierte. Die Fachkräfteverordnung (Mangelberufe) macht sich in Zukunft die ÖVP mit sich selbst aus: Die Arbeitsministerin wird in der Wirtschaftsministerin wohl eine willige Verbündete finden, um die Anzahl der erlaubten Berufe für Ausländer aus Drittstaaten weiter hochzutreiben. Das geschieht, obwohl den österreichischen UnternehmerInnen ohnehin der gesamte Arbeitsmarkt der Europäischen Union mit Millionen von migrationswilligen ArbeitnehmerInnen zur Verfügung steht.

Untergegangen im Regierungsprogramm sind aber auch die problematischen Aspekte des türkis-blauen Arbeitszeitgesetze (Stichwort: „12-Stunden-Tag“) sowie die langsam notwendigen modernen Antworten auf zukünftige Fragen des Arbeitsrechts in einer sich ändernden Arbeitswelt (Home Office, Regulierung der sich langsam ausbreitenden Arbeit auf und für Plattformen, rechtliche Absicherung von kleinen Selbstständigen oder „Scheinselbsständigen“). Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeitsministerin wenigstens ein paar fortschrittliche Akzente setzt, um nicht eine volle Legislaturperiode für die Weiterentwicklung des Arbeitsbereich zu verlieren.

 

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