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Demokratie

Wie Gerhard Karner den Austrofaschismus relativiert.

ÖVP-Innenminister Gerhard Karner betreibt ein Dollfuß-Museum und tut sich schwer damit, den Austrofaschismus als Faschismus zu bezeichnen.
ÖVP-Innenminister Gerhard Karner betreibt ein Engelbert Dollfuß-Museum. Wie Karner damit den Austrofaschismus relativiert, erklärt Politologin Natascha Strobl.
 

ÖVP-Innenminister Gerhard Karner tut sich schwer damit, den Austrofaschismus als Faschismus zu bezeichnen. Er beitreibt ein Dollfuß-Museum in seinem Heimatort. Um zu relativieren, wendet er eine beliebte Strategie an. Wie Gerhard Karner den Austrofaschismus relativiert, hat Natascha Strobl für uns analysiert.

 

Der neue Innenminister Gerhard Karner tut sich schwer damit, den Austrofaschismus als Faschismus zu bezeichnen. Um zu relativieren, bemüht er eine beliebte Strategie.

Karner betreibt Dollfuß-Museum

Gerhard Karner war lange Bürgermeister des kleinen Ortes Texingtal in Niederösterreich. Das ist auch das Heimatdorf von Engelbert Dollfuß, Karner betrieb dort eine als Museum getarnte Huldigungsstätte für Dollfuß. Er war Politiker der Christlichsozialen Partei, der Vorgängerpartei der ÖVP.

1933 schalteten er und die Christlichsozialen das Parlament und damit die Demokratie aus. Im selben Jahr wurden NSDAP und KPÖ verboten. Die Heimwehr, eine paramilitärische Organisation der Christlichsozialen Partei sorgte für Angst, Schrecken und Tote. Ein Jahr darauf wurde die Sozialdemokratie verboten, ein Bürgerkrieg angezettelt und die Gemeindebauten von Polizei, Militär und Heimwehr beschossen. So weit, so unstrittig die Geschichte. Die Zeit damals nennt die Geschichtswissenschaft heute Austrofaschismus.

Und eigentlich gibt es daran relativ wenig zu deuteln. Die ÖVP tut genau das seit jeher.

Wie relativiert Gerhard Karner den Austrofaschismus?

#1 False Balance

Karner sagt man kann so, aber auch so sagen und ignoriert damit den wissenschaftlichen, aktuellen Konsens. „Kanzlerdiktatur“ ist eine Wortneuschöpfung, die exklusiv nur auf Dollfuß angewandt werden soll. Es ist klar: Damit soll das böse Faschismus-Wort verhindert werden. Dabei werden rhetorische Verrenkungen wie eben „Kanzlerdiktatur“ gemacht. Der wissenschaftliche Konsens aber spricht von „Austrofaschismus“. Erst zuletzt erschien eine umfangreiche Publikation genau zu diesem Thema. 

#2 Schuldverteilung

Karner verteilt zudem die Schuld und spricht lapidar von „Bürgerkriegszeit“, die ganz schrecklich war. Das suggeriert, dass alle ein bisschen Schuld haben oder als wäre „Bürgerkrieg“ ein Naturereignis. Das verwischt Machtverhältnisse und wer Verantwortung dafür hat. Es war die autoritär-faschistische österreichische Bundesregierung, die gegen alle anderen Parteien vorging, auch die demokratischen. Es war auch kein Krieg von gleich gut bewaffneten Gegnern, sondern ein Vorgehen gegen Männer, Frauen und Kinder im Gemeindebau, gegen die man das Bundesheer eingesetzt hat.

#3 Naiver Rückzug

Karner tut so, als könnte er einen historischen Sachverhalt nicht beurteilen und als sei es derart kompliziert, dass nur Historiker dazu etwas sagen könnten. Damit bezieht er vermeintlich nicht Stellung, sät aber Zweifel am wissenschaftlichen Konsens. Diese Strategie ist gerade auch unter Rechtsextremen sehr beliebt. Es ist ein Rückzug auf „was weiß man schon“ und lässt bewusst alle Möglichkeiten offen. Bei historisch klar belegten Fakten. Das ist insofern ein Hohn, weil Karner ja tatsächlich bewusst das Dollfuß-Museum betrieben hat.

Die ÖVP hat ein Problem damit, sich ihrer faschistischen Vergangenheit zu stellen. Auch im Jahr 2021 reagiert sie auf Kritik mit Abwiegeln und Relativierung. Eine mehr als problematische Position für einen Innenminister, der für eine von zwei bewaffneten Einheiten, die Polizei, verantwortlich ist und die Demokratie schützen soll.

 

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