Eine Pflegerin erzählt: "Dann ist die Gefahr da, dass man lieblos wird"
Bei uns erzählt eine mobile Krankenpflegerin über die psychischen und physischen Belastungen ihres Berufes und warum eine Arbeitszeitverkürzung dazu führen würde, dass die positiven Aspekte wieder überwiegen könnten.
Immer häufiger wird von ArbeitnehmerverterterInnen eine generelle Arbeitszeitverkürzung gefordert. Elwira (55) arbeitet als mobile Krankenpflegerin. Für sie ist bereits jetzt eine Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche zu viel. In „Was ich wirklich denke“ erzählt sie über die psychischen und physischen Belastungen ihres Berufes und warum eine Arbeitszeitverkürzung dazu führen würde, dass die positiven Aspekte wieder in den Vordergrund treten könnten.
Ich arbeite in der mobilen Hauskrankenpflege. Meine Arbeitszeit habe ich schon vor vielen Jahren auf 35 Stunden reduzieren müssen, denn damit bin ich einfach am Limit. Meinen Kolleginnen und Kollegen geht es genauso, in meinem Team kann niemand Vollzeit arbeiten. Ich glaube, etwa 80% arbeiten in der mobilen Krankenpflege in Teilzeit.
Unser Beruf ist hart – wir reden, wir mobilisieren, oft sind wir allein. Wir haben ständig mit schwer Kranken, mit Leid und Trauer zu tun. Manchmal auch mit Aggressionen von KlientInnen und Angehörigen. Bei der Arbeit muss man immer 100% von sich geben. Ich kann zum Beispiel nicht sagen, dass ich etwas auf morgen verschieben möchte. Meine Rahmendienstzeiten sind von Montag bis Sonntag. Ich fange oft um 6 Uhr an, häufig arbeite ich bis 9 am Abend. Zumindest dazwischen habe ich etwas frei. Dann schlafe ich aber nur, weil ich fix und fertig bin.
Körperliche und emotionale Belastung
Die Mischung aus körperlicher und emotionaler Belastung ist gefährlich. Dazu kommt, dass ich kaum Freizeit habe – das raubt mir das Leben. Ich habe immer weniger Freunde, weil ich kaum Zeit habe, mich mit jemanden zu treffen. Immer wieder sage ich etwas ab, weil ich einfach zu müde bin. Oft bin ich auch einfach traurig oder emotional ausgelaugt, weil mir das Leid meiner KlientInnen nahe geht.
Ich will aber nicht, dass die Leute denken, dass der Beruf nur belastend ist. Ich bekomme wahnsinnig viel von meinen KlientInnen zurück. Viele von ihnen sind so dankbar, oft freuen sie sich auf mich und begrüßen mich mit: „Oh Elwi, du bist meine Retterin!“ Es sind wunderschöne Momente und es ist auch eine wundervolle Arbeit. Nur: In den Phasen, in denen es zu viel ist, verschwindet die Schönheit und es ist nur mehr Last.
Wenn mir jemand sagt, dass ich ein Engel bin, freue ich mich. Aber wenn ich ermüdet bin, wenn die Last zu groß ist und ich zu viele Stunden mache, dann kann ich mich darüber nicht mal freuen. Dann ist die Gefahr da, dass man lieblos wird. Ich habe das an mir selbst beobachten müssen. Wenn sich in mir nichts Gutes tut, kann ich nichts Gutes geben – von wo soll es kommen? Wir können zwar Supervision annehmen, aber auch dazu fehlt die Zeit.
Wichtige Änderungen durch die 35 Stunden Woche
Käme die allgemeine 35 Stunden Woche für die Pflege, würde sich vieles ändern. Wir würden einerseits mehr Geld bekommen. Man könnte aber auch Arbeitszeit reduzieren, ohne noch mehr Geld zu verlieren. Ich würde, wie viele andere, auch gerne weniger als 35 Stunden arbeiten. Dann würde ich nicht so belastet in die Arbeit gehen. Momentan kann ich mir das aber nicht leisten, weil ich sonst von meiner Pension nicht leben kann. So viele von uns arbeiten jetzt schon Teilzeit – das ist der direkte Weg zur Altersarmut.
Ich bin mir sicher, dass auch mehr Leute den Beruf ergreifen würden, weil er einfach attraktiver wäre. Man wäre ausgeglichener, dadurch könnte man den Beruf auch mit mehr Freude ausüben. Deswegen unterstütze ich die Streikpläne und engagiere mich auch dafür.
Die ArbeitgeberInnen verstehen unsere Probleme schon, aber sie denken, sie können sich diese Maßnahme nicht wirklich leisten. Aber die allgemeine Situation muss sich ändern. Denn wenn die Arbeit zu viel ist, macht sie einen fertig und wenn wir überlastet sind, leidet auch die Qualität. Natürlich bemühen wir uns trotzdem! Ich will nicht, dass jemand denkt, dass uns unsere KlientInnen egal sind. Aber um diesen Beruf gut zu machen, muss man sich selbst auch pflegen können.