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EPUs in der Corona-Krise: "Domino-Effekt, der viel kaputt machen wird"

Sonja Lauterbach ist selbstständige Unternehmensberaterin. Wegen der Corona-Krise fallen sämtliche Aufträge weg, Geld aus den Hilfstöpfen für EPUs (Ein-Personen-Unternehmen) bekommt sie aber nicht. Und damit ist sie nicht alleine. Die Kriterien sind nämlich so eng gefasst, dass die allermeisten keinen Anspruch auf staatliche Hilfe haben.

Noch bevor die Hilfe für die Wirtschaft beschlossen wurde, stampfte Lauterbach die Facebook-Gruppe „EPU Österreich“ aus dem Boden, die mittlerweile über 6.000 Mitglieder hat. Im Namen der Gruppe veröffentlichte sie einen offenen Brief an den ÖVP-Politiker und Generalsekretär der Wirtschaftskammer Karlheinz Kopf. Dort kritisiert sie die unzureichenden Maßnahmen der Regierung. MOMENT hat sie gefragt, womit Soloselbstständige aktuell zu kämpfen haben und was sie anders machen würde, wenn sie könnte.

MOMENT: Was läuft falsch bei der Verteilung des Krisengelds an EPUs?

Sonja Lauterbach: Ich kann kaum einzelne Punkte herausheben, weil es insgesamt an der gelebten Praxis von Alleinunternehmern vorbeigeht. Beinahe die Hälfte aller EPUs, die in der Wirtschaftskammer organisiert sind, arbeiten nebenbei auch unselbstständig. In der ersten Phase waren Doppeltversicherte ausgeschlossen. Fast die Hälfte hatte also keine Chance auf Unterstützung. Die Ober- und Untergrenzen des Nettoverdienstes als Kriterium sind ein Wahnsinn, weil das keine aussagekräftigen Größen sind. Das wurde zwar in der zweiten Phase des Härtefallfonds „korrigiert“, doch es hat zu Verschlimmbesserungen geführt. Auch ein gut gemeinter Pfusch bleibt ein Pfusch.

Was meinen Sie damit?

Wir Soloselbstständige sind bei der Phase 2 von der Zahlungsmoral der Kunden abhängig. Ob die sofort bezahlen oder erst nach einem halben Jahr, darüber haben wir keine Kontrolle. Wenn ein großer Kunde also einen Tag vor der Frist des sehr eng definierten Zeitfensters zahlt, habe ich Glück. Wenn er einen Tag später bezahlt, bekomme ich weniger Geld. Auch wenn ich die Leistung schon vor Monaten erbracht habe. Auch Alleinunternehmer investieren und haben unter anderem deswegen nicht zwingend einen positiven Jahresabschluss. Wenn ein Verlust ausgewiesen wird, hat man überhaupt keinen Anspruch auf Unterstützung. Die immer wieder betonten 2.000 Euro unbürokratische Hilfe kommen bei den allermeisten nicht an.

Sie haben sich die konkreten Zahlen sogar ausgerechnet.

Ja, anhand der kolportierten Zahlen der WKO haben 72 Prozent der Selbstständigen überhaupt keinen Anspruch. Bei den 28 Prozent, die Geld bekommen haben, waren es im Schnitt rund 800 Euro. Währenddessen türmen sich die betrieblichen Fixkosten für alle, die Miete bezahlen müssen, ihren Webshop weiter betreiben oder andere Ausgaben haben, die sie nicht aussetzen können. Und zwar Monat für Monat.

 

In der zweiten Phase der Auszahlung kommt Geld nach, Selbstständige können insgesamt bis zu 6.000 Euro erhalten.

Insgesamt stellt der Staat eine Milliarde Euro zur Verfügung für EPUs und Kleinstunternehmer. Wenn alle diese 6.000 Euro Almosen bekommen sollen, dann war von Anfang an viel zu wenig Geld da. Das würde zumindest drei Milliarden kosten.

Die Regierung spart jetzt an der Hilfe, Sie meinen, das wird langfristig umso teurer. Können Sie das erklären?

Den Schaden, der innerhalb von einem Monat entstanden ist, können wir jetzt schon kaum beziffern. Wenn Selbstständige in die Insolvenz gehen, löst das eine Kettenreaktion aus. Sie können die Miete nicht bezahlen, der Vermieter fällt um sein Geld um. Die Zulieferer werden nicht bezahlt und machen keine weiteren Geschäfte. Die Kaufkraft schrumpft. Das ist ein Domino-Effekt, der viel kaputt machen wird.

Wie hätten Sie die Auszahlungen organisiert?

Noch bevor die ersten Pläne offiziell wurden, habe ich mir genau das überlegt. Auf jeden Fall hätte die Auszahlung über das Finanzamt stattfinden sollen, das hat alle nötigen Daten. Jeder Steuernummer ist ein Branchencode zugeordnet. Meine Idee ist, das Umsatzvolumen der Branche zu ermitteln und das Verhältnis des Gewinns in dieser Branche. Diesen kann man dann auf die Steuernummern verteilen, das deckt zumindest die privaten Kosten der Krise. Eine Auszahlung, die sich am Umsatz orientiert, das wäre dann eine Art Krisengrundsicherung, die auch betriebliche Ausgaben einigermaßen abdeckt. Und es wäre konkret kalkulierbar.

Wie steht es um Ihre Selbstständigkeit?

Ich stehe drei Jahre vor der Pensionierung. Im schlimmsten Fall halte ich die auch noch durch. Das können die Jungen nicht sagen, die vielleicht gerade eine Familie gründen wollen. Was aus ihnen wird, ist unklar. Die gesamtgesellschaftlichen Folgen dieser schlecht-organisierten Hilfe werden dramatisch sein.

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