Etikettenschwindel? Warum Gütesiegel zu Fairtrade, Umwelt- und Tierschutz oft nicht halten, was sie versprechen
Wer bewusst einkaufen möchte, greift im Supermarkt gerne zu nachhaltigen Produkten. Laut der jüngsten Umfrage der Umweltschutzorganisation Greenpeace zu dem Thema achten 47 Prozent der ÖsterreicherInnen beim Einkauf auf entsprechende Produktkennzeichnungen.
Doch wofür stehen Gütesiegel überhaupt? Bereits hier gibt es viele Missverständnisse, da sich manche Zertifikate auf die Herkunft berufen, andere auf eine gentechnikfreie Produktion, wieder andere garantieren eine faire Bezahlung der BäuerInnen.
Das tut zum Beispiel das bekannte Fairtraide-Gütesiegel, das ebenfalls verbesserungswürdig aber noch als eines der besten Siegel abgeschnitten hat. Es sorgt für bessere Preise und Bedingungen für Bauern und Bäuerinnen, hat auch einige soziale und ökologische Aspekte. Viele glauben jedoch, dass es auch eine biologische Herstellung garantiert. Der Einsatz von Pestiziden ist für dieses Siegel aber zum Beispiel nicht grundsätzlich verboten.
Industrie und Unternehmen erfinden oft selbst Gütesiegel
Wie vertrauenswürdig sind solche Gütesiegel? Manche leider gar nicht, musste Greenpeace bei einer Überprüfung feststellen. Denn viele Zertifikate und Gütesiegel sind von Unternehmen selbst kreiert worden, oder sie sitzen in den entsprechenden Gremien oder Vereinen. Das heißt, dass sich Firmen selbst direkt oder indirekt Qualitätsstandards auferlegen und die Überprüfung meist auch selbst in die Wege leiten. Gütesiegel erwecken eben schnell Vertrauen bei KonsumentInnen, die gerne für Qualität tiefer ins Geldbörsel greifen.
Das Problem lässt sich am Beispiel des in Österreich bekanntesten Gütesiegels verdeutlichen: Greenpeace stellt dem AMA-Gütesiegel nur ein “bedingt vertrauenswürdig” aus. Denn obwohl das Siegel verspricht, dass die Produkte einer höheren Qualität als gesetzlich vorgegeben entsprechen, weist die Umweltschutzorganisation auf massive Schwachpunkte hin: Fleischprodukte mit AMA-Gütesiegel schließen etwa nicht aus, dass die Tiere gentechnisch veränderte Futtermittel und Antibiotika bekommen haben. Generell lasse der Tierschutz bei AMA zu wünschen übrig, vor allem bei der Schweinefleischproduktion.
Viele Gütesiegel sind tatsächlich nur eine Marke
In allen großen Supermarktketten sind Bio-Produktlinien zu finden. Bei Merkur und Billa heißen diese “Ja! Natürlich”, bei Spar “Natur pur”, bei Hofer “Zurück zum Ursprung”. Viele KonsumentInnen glauben, dass es sich hier um Gütesiegel handelt.
Tatsächlich handelt es sich aber hier zuerst einmal um Markennamen. Sie wurden im Sinne von verkaufsförderndem Marketing erfunden und sollen einen Wiedererkennungswert schaffen und bei KonsumentInnen Vertrauen erwecken. Diese Produkte unterliegen aber der EU-Bioverordnung und müssen daher gewissen qualitativen Kriterien entsprechen.
Nicht alle Gütesiegel betreiben Greenwashing. Es gibt durchaus sehr vertrauenswürdige. Um sich in diesem Dschungel der Zertifizierungen und Marken zurechtzufinden hat Greenpeace sogar zwei Ratgeber erstellt. Einen für Lebensmittel:
Und einen eigenen Ratgeber für Kosmetik- und Hygieneartikel.
Landwirtschaft hauptsächlich Schuld an weltweiter Entwaldung
Neben den Gütesiegeln auf den Produkten im Supermarkt gibt es aber auch welche, die KonsumentInnen fast nie zu Gesicht bekommen, da sie nur für den Einkauf im Großhandel bestimmt sind. Greenpeace hat sich nun die neun größten in diesem Bereich angesehen. Sie gelten für ohnehin bereits problematische Produkte wie Sojaschrot und Palmöl.
Denn für diese Produkte wird weltweit viel Wald abgeholzt, um Anbauflächen zu schaffen. Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen ist die industrielle Landwirtschaft für 70 bis 80 Prozent der weltweiten Entwaldung verantwortlich. Hier insbesondere die Viehzucht, sowie die Soja- und Ölpalmenplantagen. Alleine zwischen 2015 und 2020 wurden weltweit 50 Millionen Hektar Wald gerodet. Das ist sechsmal die Fläche Österreichs in nur fünf Jahren.
Auch Österreich importiert viele dieser problematischen Produkte aus dem Ausland.
Gütesiegel im Großhandel betreiben Greenwashing
Das Ergebnis des Greenpeace-Reports fällt vernichtend aus: Gütesiegel, die garantieren wollen, dass für die importierten Produkte kein Wald zerstört und keine Menschenrechte verletzt wurden, halten bei weitem nicht, was sie versprechen. “Meist ist es die Industrie selbst, die sich hier selbst Standards setzt, die an sich schon unzureichend sind. Und dann kontrollieren nicht behördliche und unabhängige Stellen die Produktionen, sondern wiederum private Unternehmen, die wirtschaftliches Interesse haben”, erklärt Greenpeace-Wirtschaftsexpertin Ursula Bittner.
Zusammengefasst: Durch schwache Standards, unzureichende Kontrollen, Intransparenz und wirtschaftliche Eigeninteressen können Zertifikate keinerlei Waldschutz garantieren. Sie betreiben Greenwashing in dem sie KonsumentInnen Nachhaltigkeit vorgaukeln und Milliardengeschäfte einfahren.
Österreichische Unternehmen kaufen zertifizierte, aber problematische Rohstoffe ein
Viele Unternehmen in Österreich kaufen am Weltmarkt zertifizierte Ware ein. Das ist nicht nur gut für den Nachhaltigkeitsbericht, sondern suggeriert KonsumentInnen eben Umweltschutz.
Problematisch ist etwa Palmöl, dass mit RSPO zertifiziert ist. Diese Abkürzung steht übersetzt für “Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl”. Greenpeace deckte jedoch auf, dass das seit 2013 mit RSPO zertifizierte Unternehmen Bumitami in Indonesien zwischen 2005 und 2018 rund 11.100 Hektar Wald gerodet hat – 2.300 Hektar davon trotz Zertifizierung. Österreichische Unternehmen wie Manner, Tante Fanny und Ölz kaufen RSPO-zertifiziertes Palmöl ein.
Solche Vorgehensweisen konnte Greenpeace bei vielen zertifizierten Unternehmen nachweisen.
Es braucht ein europäisches Waldschutzgesetz
“Man sieht klar, dass Umweltschutz über den Weg der Gütesiegel in einer Sackgasse endet. Wir brauchen daher endlich ein Waldschutzgesetz auf EU-Ebene, das Produkte aus globaler Waldzerstörung am Binnenmarkt verbietet”, meint Ursula Bittner.
Ein politischer Vorschlag zur Lösung dieses Problems, der zuletzt immer öfter diskutiert wurde, sind Lieferkettengesetze. Damit werden Konzerne auch für die Zustände bei Zuliefer-Betrieben verantwortlich gemacht. BefürworterInnen halten das für das Ende der Ausreden für Konzerne.
Der Wildwuchs an Gütesiegeln genügt jedenfalls nicht, um uns die Produkte zu garantieren, die wir zu kaufen glauben.
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