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Ungleichheit

Ein Lieferkettengesetz für Österreich soll das Ende der Ausreden für Konzerne sein

Konzerne sollen entlang ihrer weltweiten Lieferketten zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichtet werden. Weil das freiwillig zu selten gut funktioniert, soll ein Lieferkettengesetz dafür sorgen. Was ist das? Und welche Auswirkungen hätte es?
In der ersten Welle der Corona-Pandemie stornierten viele Unternehmen Aufträge bei Ihren Zulieferbetrieben oder ließen diese auf bereits produzierter Ware sitzen.  Das wurde unter anderem von großen Textil-Betrieben wie C&A und Primark und deren Zulieferbetrieben in Bangladesch bekannt. Und als die Herstellung im Sommer wieder losging? Da gab es für die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen in den ausgelagerten Produktionsstätten auch keinen ausreichenden Infektionsschutz.

“Wenn es umfassende Lieferkettengesetze geben würde, hätten es sich Unternehmen nicht so einfach machen können”, erklärt Bettina Rosenberger. Sie ist Koordinatorin der  Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze!“ und Geschäftsführerin des Netzwerks Soziale Verantwortung (NeSoVe)  und fordert genau ein solches “Lieferkettengesetz”. 

Die zugrundeliegende Idee ist simpel: Unternehmen werden dazu verpflichtet, Verantwortung zu übernehmen für die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten entlang globaler Lieferketten. 

Globale Lieferketten betreffen viele Produkte

“Lieferketten” klingen abstrakt, sind es aber nicht, erklärt Rosenberger. Die Zusammenhänge zwischen Umweltstandards und Menschenrechten zeigen sich etwa am Beispiel des Palmöls: durch umweltschädigende Rodungen wird Platz für Palmölplantagen geschaffen. Dort werden ArbeiterInnen mit Akkordlöhnen für schwere körperliche Arbeit ausgebeutet. Und das bei alldem eingesetzte Pestizid Paraquat ist zwar in der EU verboten, aber nicht in globalen Lieferketten. 

Die meisten von uns konsumieren täglich betroffene Produkte. Die Verantwortung sollte aber nicht rein auf die KonsumentInnen abgeschoben werden. Sie können die Lieferketten nicht selbstständig zurückverfolgen. Und besonders in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit können sich viele den Kauf der heute oft noch teureren nachhaltigen Produkte auch nicht leisten. Würden ganze Branchen statt nur einzelne Unternehmen nachhaltig agieren, könnten heutige nachhaltige Produkte sogar billiger werden. Insgesamt würden sich die Preissteigerungen für bisher nicht-nachhaltige Produkte in Grenzen halten, sagen von BefürworterInnen zitierte Schätzungen. Eine Vollmilchschokolade würde zum Beispiel um 5 Cent teurer werden. 

 
Eine Palmöl-Plantage von oben. Die Palmöl-Industrie ist ein Beispiel für problematische globale Lieferketten.

Die Palmöl-Industrie ist ein Beispiel für problematische globale Lieferketten.

Foto: Nazarizal Mohammad/Unsplash

Es geht um Rechte, Umweltstandards und Lebensrettung

Aber Lieferketten betreffen noch ganz andere Dinge. Etwa in der Textilindustrie steht auch Kinderarbeit noch immer an der Tagesordnung. Dazu kommen mangelnde Sicherheitsvorkehrungen, wie beim Einsturz des Gebäudes der Textilfabrik Rana Plaza im Jahr 2013 erschreckend deutlich wurde. 1.229 Menschen starben, 2,500 wurden verletzt.

“Ein Lieferkettengesetz muss dazu führen, dass nie wieder Menschen in einstürzenden oder brennenden Textilfabriken ihr Leben verlieren”, erklärt Rosenberger. Hierfür brauche es auch freie gewerkschaftliche Organisation und existenzsichernde Einkommen.

Lieferkettengesetz: Das soll passieren

Deswegen fordert die Treaty Alliance Österreich ein Branchen-übergreifendes Lieferkettengesetz für Österreich. Mit ihren Forderungen richten sie sich auf drei Handlungsebenen an die österreichische Regierung: 

  1. Ein nationales Gesetz, das Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang globaler Wertschöpfungsketten verpflichtet.
  2. Die Regierung soll sich in die laufenden Prozesse für einen europäischen Gesetzesentwurf konstruktiv einbringen. Der wurde von EU-Kommissar Didier Reynders für Anfang 2021 angekündigt. 
  3. Auch auf UN-Ebene soll sich Österreich aktiv dazu bekennen, Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass Österreich die Präsidentin des UN-Menschenrechtsrates stellt. 

Rosenberger erklärt, dass ein Lieferkettengesetz auf nationaler Ebene nicht wirklich an den nationalen Grenzen endet. Es beträfe alle Unternehmen, die ihre Produkte in Österreich anbieten. Wichtig ist zudem, dass die gesamte Lieferkette abgedeckt wird. Rosenberger erklärt: “Ohne Sanktionen und Strafen wird es nicht funktionieren. Wir haben jetzt seit Jahrzehnten gesehen, dass freiwillige Selbstverpflichtungen nicht ausreichen”. 

Künftig sollen Betroffene von Menschenrechtsverletzung die Möglichkeit haben, den Mutterkonzern zu verklagen. Der soll auf nationaler Ebene haften. „Es geht nicht nur darum, dass der Konzern an sich eine Strafe bekommt, weil er sich nicht verantwortungsvoll verhalten hat, sondern auch darum, dass Betroffene auch wirklich diese Entschädigung bekommen.” 

 
Eine Wand mit Fotos von Vermissten nach dem Gebäudeeinsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Sabhar. Ein <span class=Lieferkettengesetz soll solche Sicherheitsmängel verhindern." width="480" height="320" />

Eine Wand mit Fotos von Vermissten nach dem Gebäudeeinsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Sabhar. 

Saubere Lieferketten wären auch besser für Unternehmen

Langfristig zahlt sich verantwortungsbewusstes und nachhaltiges Handeln für Unternehmen aus. Eine Studie der Europäischen Kommission zeigt, dass Unternehmen mit besserer Leistung im Bereich Umwelt und Soziales im Schnitt auch besser durch die Krise kommen.

Damit Lieferketten aber auch bei zu kurzfristigem Denken umgestaltet werden, müssen sie transparent beobachtet werden können – und kontrolliert. Von einer neuen Kontrollinstanz, so Rosenberger. Komplexe globale Lieferketten gebe es zwar in allen Branchen, so die Expertin, aber: Ausbeutung passiere auch bei kurzen Lieferketten – etwa auf den österreichischen Gemüsefeldern.

 
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Bettina Rosenberger vom Netzwerk Soziale Verantwortung plädiert für ein Lieferkettengesetz

Foto: NeSoVe

Es gibt bereits Vorbilder für Lieferkettengesetze

Für ein Lieferkettengesetz kann man bereits auf internationale Vorbilder blicken. Frankreich  hat seit 2017 ein Gesetz, das die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen beinhaltet. Im Schadensfall haften sie gegenüber Betroffenen. Das bedeutet dann, dass sich Unternehmen schon im Vorfeld mit den Auswirkungen ihres Handelns auseinandersetzen müssen. 

In Deutschland gibt es intensive Regierungsdiskussionen und erste Eckpunkte eines Lieferkettengesetzes seien bereits durchgesickert, erzählt Rosenberger. Und auch in der Schweiz hat sich schon einiges getan. Im November stimmten bei einer Volksabstimmung sogar 50,7% der Schweizer StaatsbürgerInnen für eine Konzernverantwortungsinitiative – allerdings wurde diese aufgrund fehlender Mehrheit der Kantone trotzdem abgelehnt. Für Rosenberger war die Volksabstimmung dennoch ein Erfolg, da die breite Zustimmung in der Bevölkerung das Ergebnis jahrelanger Kampagnenarbeit ist. 

Und was ist mit Österreich? Auf nationaler Ebene wird die Debatte zum Lieferkettengesetz bisher noch nicht geführt, so Rosenberger. 

 

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