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Gut, aber nicht genug: Was die Leitzinssenkung der EZB für uns bedeutet

Gut, aber nicht genug: Was die Leitzinssenkung der EZB für uns bedeutet
Sitz der EZB in Frankfurt/Main. Die Senkung des Leitzins geht nicht schnell genug, sagen Ökonom:innen.
Die EZB hat die Leitzinsen gesenkt. Doch Expert:innen kritisieren: Die Zinsen sinken zu langsam. Damit die Wirtschaft endlich in Fahrt kommt, braucht es mehr. Warum das so ist und wie Leitzins, Inflation und Wachstum zusammenhängen, erklären wir hier.

Die Zeiten der hohen Zinsen sind langsam vorbei. Die Europäische Zentralbank senkte am Donnerstag den sogenannten Leitzins von 3,4 Prozent auf 3,15 Prozent. Aber: Das geht zu langsam, sagt eine Mehrheit von Ökonom:innen, die dazu befragt wurden. Es brauche schnell weitere Zinssenkungen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Was bewirken sinkende Leitzinsen? Warum wäre es gut, sie schneller zu senken?  Wieso werden höhere Leitzinsen als Waffe gegen die Inflation eingesetzt? Und was macht das mit der Wirtschaft? Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Die vor allem in Österreich enorme und lang anhaltende Teuerung mit ihren krisenhaften Auswirkungen für alle Menschen scheint überwunden. Die Inflationsrate hat sich auch in Österreich bei rund zwei Prozent eingependelt. Heißt: Waren und Dienstleistungen werden weiterhin teurer, aber nicht mehr so extrem schnell wie in der Teuerungskrise.

Was ist der Leitzins und warum ist er wichtig?

Der sogenannte Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) steuert, wie hoch die Zinssätze sind, die Banken für Kredite verlangen. Und wie hoch die Zinsen auf Bankkonten, Sparbücher aber auch Staatsanleihen sind.

Dabei hat sich gezeigt: Die Banken reichen Leitzinserhöhungen gerne schnell weiter auf fällige Zinsen für Kredite. Auf Guthaben erhöhen sie die Zinsen eher träge und nicht annähernd so stark. Das erklärt zu einem großen Teil die sprudelnden Übergewinne der Banken in den vergangenen Jahren, während die Menschen sich immer weniger leisten konnten.

Was passiert, wenn die Leitzinsen erhöht werden?

Die Leitzinsen zu erhöhen, ist für die Zentralbanken die Waffe, um eine galoppierende Inflation wieder einzufangen. Als Reaktion auf die explodierende Inflation der vergangenen Jahre, erhöhte die EZB immer wieder die Leitzinsen. Von 0 Prozent ging es auf 4,5 Prozent in der Spitze. 

Die Überlegung dahinter an einem Beispiel erläutert: Nehmen wir an, ein Unternehmen muss sich entscheiden, ob es Geld investiert – etwa in neue Maschinen, Güter, Mitarbeiter:innen oder Dienstleistungen. Oder, ob es die Gewinne lieber auf die hohe Kante legt und von Zinsen profitiert.

In Zeiten niedriger Zinsen – vor der Krise wurden teilweise sogar Negativzinsen auf Guthaben fällig – erscheint es lohnender, das Geld zu investieren. Es ist wahrscheinlich, dass die Erträge daraus höher sein werden als die Zinsen auf Guthaben. Machen das alle Unternehmen und geben auch Haushalte lieber Geld aus, als zu sparen, dann steigt die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen.

Es sind aber nicht zwingend mehr Maschinen, Arbeitskräfte oder Immobilien da. Das Angebot kann mit der Nachfrage nicht Schritt halten. Die Folge: Die Preise dafür steigen. Steigen die Preise, müssen in der Folge auch die Löhne steigen, damit sich die Menschen die gestiegenen Preise noch leisten können. Damit sind wir mittendrin in der Inflation.

Warum helfen höhere Leitzinsen gegen die Inflation?

Die Zentralbank reagiert, indem sie versucht, die gestiegene Nachfrage zu drosseln. Wenn die Zinsen steigen, wird es teurer für die Unternehmen, Investitionen mit Krediten zu finanzieren. Gleichzeitig erscheint es lohnender, Guthaben auf der Bank zu lassen und Zinsgewinne mitzunehmen – auch für Privathaushalte. 

Dadurch sinkt die Nachfrage und in der Folge sollen damit auch die Preise wieder sinken. Die Teuerung kann so wieder eingefangen werden. Der schlechte Nebeneffekt: Die Wirtschaft wird damit praktisch abgewürgt. Das ist auch jetzt wieder passiert. Österreichs Wirtschaft steckt seit Jahren in der Krise.

Sinkt der Leitzins schnell genug?

Die Financial Times befragte Anfang Jänner 2025 72 Volkswirt:innen, ob die Zinserhöhungen der EZB im richtigen Tempo passieren oder hinterherhinken. Eine knappe Mehrheit von ihnen sagte, die EZB agiere zu zögerlich. Niemand sagte, dass die EZB die Zinsen langsamer senken sollte. 

„Bei hohen Zinsen müssen viele potenzielle Kreditnehmer:innen, etwa Unternehmen mit Investitionswunsch oder Haushalte mit dem Wunsch nach Eigentumshäusern, ihre Pläne hintanstellen“, erklärt Oliver Picek, Chefökonom des Momentum Institut.

Warum sollten die Zinsen schneller sinken?

Auch er fordert: Die EZB sollte die Zinsen schneller senken. Derzeit sind die Leitzinsen viel höher als die Inflation. Das ist Gift für die Wirtschaft. Was in der Hochzinsphase gut war, um Preissteigerungen zu drosseln, verhindert jetzt notwendige Investitionen. Laut Momentum Institut ist die Inflation besiegt. Deshalb sollten die Leitzinsen spürbar gesenkt werden. „Der Bau und auch Teile der heimischen Industrie lassen sich nur ankurbeln, wenn die Zinsen wieder stark sinken“, sagt Momentum-Chefökonom Picek.

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