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Ungleichheit

FerialpraktikantInnen entschieden über Corona-Geld für Familien

Das Familienministerium ist mit der Abwicklung des Familienhärtefallfonds heillos überfordert. Verzweifelte Familien warten seit Monaten auf das Corona-Geld. 20 FerialpraktikantInnen haben zumindest im Juli die Beamten unterstützt. Laut Ausschreibung hatten sie Entscheidungsbefugnis.
Die Pannenserie rund um den Familienhärtefallfonds reißt nicht ab. Schnell und unbürokratisch sollte die finanzielle Hilfe für Familien sein, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind. Für gewöhnlich gehen Umfragewerte von PolitikerInnen, die Geld an Bedürftige verteilen, durch die Decke. Nicht so bei ÖVP-Familienministerin Christina Aschbacher.

 

Familienhärtefallfonds als PR-Desaster für Familienministerin

Bereits das Pressefoto, auf dem Aschbacher einem Baby mit einer Zange einen Hundert-Euro-Schein gibt, kam bei der Bevölkerung gar nicht gut an und sorgte für Negativ-Schlagzeilen. Und die Tatsache, dass nun zehntausende Familien in Not seit Monaten auf das versprochene Geld warten, sorgt ebenfalls nicht gerade für wohlwollende Berichterstattung.

Mittlerweile hat sich sogar eine Facebook-Gruppe mit über 3.300 wütenden und verzweifelten Eltern gebildet, die sich gegenseitig Rat und Zuspruch geben. Ein Tipp etwa lautete: Frag nicht ständig nach, wo das Geld bleibt oder ob du überhaupt etwas bekommst. Wer die Behörden nervt, wartet nämlich noch länger.

 

Zehntausende Familien warten seit Monaten auf Geld

Dass die MitarbeiterInnen mit der Bearbeitung des Familienhärtefallfonds vollkommen überfordert sind, überrascht nicht: Für gewöhnlich bearbeiten zehn MitarbeiterInnen im Familienministerium rund 300 Anträge pro Jahr. Nun haben rund 65.000 Familien um Geld aus dem Familienhärtefallfonds angesucht. Kein Wunder, dass erst ein Drittel des Fonds ausbezahlt wurde, der mit 60 Millionen veranschlagt ist – und angesichts der vielen Ansuchen nicht ausreichen wird.

 

PraktikantInnen bearbeiteten Anträge

Dass das Familienministerium dringend mehr Personal brauchte, um die Anträge zu bearbeiten ist klar. Woher jedoch so schnell und für einen begrenzten Zeitraum qualifiziertes Personal bekommen? In einem Beamtenstaat wie Österreich sollte es möglich sein, MitarbeiterInnen aus anderen Ministerien oder Ämter dafür abstellen zu können. Doch das Familienministerium setzte lieber auf FerialpraktikantInnen. Zwanzig halfen im Juli, die Anträge für den Corona-Familienhärtefallfonds zu bearbeiten. Zumindest wurde diese Anzahl an FerialpraktikantInnen über das AMS gesucht, wie diese Stellenausschreibung belegt.

 

 
Stellenangebot des AMS: Das Familienministerium sucht FerialpraktikantInnen

Entscheidungsbefugnis für MaturantInnen

Doch das Aufgabengebiet, das für ein relativ mickriges Gehalt von rund 1.035 Euro Brutto (für MaturantInnen) beziehungsweise 1.390 Euro (AkademikerInnen) beackert wurde, hat es in sich: Die Entscheidung, ob ein Antrag abgelehnt oder angenommen wird, stehen ebenso auf der To-Do-Liste, wie die “Interpretation des Einkommensnachweises” oder die “Berechnung der Zuwendungshöhe”.

Und bereits das Rechenbeispiel für die Berechnung der Zuwendung erinnert an eine Mathe-Matura. Doch hier geht es nicht um eine Note, sondern um Geld für Familien in Not.

 

 
Rechenbeispiel: Der Auszahlungsbetrag des Familienhärtefallfonds wird mit einem Punktesystem berechnet. Die AntragstellerIn bekommt 1 Punkt, der zweite Elternteil 0,6 Punkte, Kinder unter 10 Jahren jeweils 0,4 Punkte, Kinder zwischen 10 und 15 0,6 Punkte. Kinder über 15 erhalten 0,8 Punkte. Die Gesamtzahl wird mit 300 multipliziert, was den Auszahlungsbetrag ergibt, der mit 1200 Euro pro Monat begrenzt ist.

In der Facebook-Gruppe kommt die Nachricht, dass FerialpraktikantInnen darüber entscheiden, wer etwas aus dem Corona-Topf bekommt, jedenfalls nicht gut an. “FerialpraktikantInnen entscheiden über die Anträge? Kriegen die einen Crash-Kurs? So was kannst ned erfinden!”, schreibt etwa ein Familienvater. Eine andere schreibt: “Dann wundert mich nämlich bei den unterschiedlichen Auszahlungsbeträgen und Negativentscheidungen gar nichts mehr.”

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