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Ungleichheit

Flüchtlinge aufnehmen aus Griechenland? Nicht mit Österreich

Woche für Woche holen EU-Länder wie Deutschland minderjährige Flüchtlinge aus den überfüllten Notlagern in Griechenland heraus. Österreich lehnt das ab und greift anders ein: mit ein wenig Geld und militärischem Personal und Material.

Die Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln sind völlig überfüllt. Einige EU-Länder nehmen Hunderte geflüchtete Minderjährige von dort auf. Erst am Donnerstag flogen 175 Menschen von Athen nach Deutschland. Österreich lehnt das weiterhin ab, schickt stattdessen ein bisschen Geld und militärisches Personal und Gerät für den Grenzschutz.

Es ist ein Drama im Schatten der Coronavirus-Pandemie: Auf den griechischen Inseln der Ägäis harren seit Monaten Zehntausende Flüchtlinge in Lagern aus. Zuletzt 32.500 Menschen hausen auf Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos in Camps, die nur für ein Viertel so viele Menschen ausgelegt sind. In ganz Griechenland leben derzeit mehr als 100.000 geflüchtete Personen in Lagern – darunter fast 5.000 unbegleitete Minderjährige.

Jetzt nimmt Deutschland erneut zahlreiche erkrankte Minderjährige sowie deren Familienmitglieder auf, insgesamt 175 Menschen. Bereits in der vergangenen Woche waren 85 AsylwerberInnen aus den Camps auf den griechischen Inseln nach Deutschland evakuiert worden. Insgesamt mehr als 300 Personen will Österreichs Nachbar in diesen Wochen aufnehmen. Auch andere EU-Staaten und die Schweiz haben zugesagt, minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen.

Einige EU-Staaten wollen helfen. Österreich schließt das aus

Damit soll die angespannte Lage in den Notlagern mit katastrophalen hygienischen Bedingungen zumindest ein wenig gelindert werden. Die Türkei hatte im Februar ihre Grenzen Richtung EU für geöffnet erklärt. Tausende Menschen versuchten seitdem nach Griechenland zu gelangen. Einige EU-Staaten haben bereits vor der Coronavirus-Pandemie zugesagt, insgesamt 1.600 minderjährige Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Österreich beteiligt sich nicht daran.

Mit vehementen Worten hat Bundeskanzler Sebastian Kurz bereits Ende März und im Angesicht der Corona-Pandemie ausgeschlossen, hier zu helfen. „Meine Position hat sich nicht verändert, ich würde sagen, sie ist sogar noch verschärft worden“, sagte er.

Zahlreiche humanitäre Organisationen appellierten inzwischen an Österreichs Regierung, Flüchtlinge aufzunehmen. „Diese Menschen brauchen dringend unsere Solidarität“, sagte Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer im April. „Gerade in schwierigen Zeiten dürfen wir unsere Augen nicht vor der Not anderer verschließen.“ Reinhard Hundsmüller, Bundesgeschäftsführer des Samariterbundes, sagte im Juni, die Regierung müsse „endlich zeigen, dass sie die Situation ernst nimmt, und sollte eine starke Stimme der Menschlichkeit werden“.

Kurz kündigt an „Engagement“ zu erweitern. Passiert ist seitdem nichts

Österreich greift auf andere Weise ein: Mit etwas Geld und militärischer Ausrüstung. Eine Million Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds sollen helfen, die Flüchtlinge auf den Inseln zu versorgen, kündigte Kurz im März an. Er stellte in Aussicht, dieses „Engagement“ zu erweitern. Passiert ist seitdem jedoch nichts. MOMENT fragte beim dafür zuständigen Außenamt an, was Österreich hier plant, erhielt allerdings bis zum Redaktionsschluss keine Auskunft. (Nachtrag 11.8.2020: Das Außenministerium hat MOMENT Rückmeldung gegeben: „Die eine Million Euro wurden an das UNHCR ausgezahlt. Derzeit sind keine weitere Hilfen geplant“, sagt Sprecher Johannes Strasser.)

Dafür schickte Österreich schon im März und unverzüglich 13 Cobra-Beamte, darunter zwei Piloten, zwei Drohnen und ein gepanzertes Fahrzeug nach Griechenland. Auch Nachtsichtausrüstung und Wärmebildkameras aus Österreich sind dort jetzt im Grenzschutzeinsatz. Rund 20 österreichische Beamte sind am Einsatz der EU-Grenzschutzagentur Frontex in Griechenland beteiligt. Europa stehe „geschlossen hinter und an der Seite Griechenlands“, sagte Sebastian Kurz. Was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht, gilt das für Österreich allerdings nicht.

 

Lesetipp

Spiegel Online: Loch im Herzen – Fotoreportage über das Leben minderjähriger Flüchtlinge im Camp Moria auf Lesbos

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