Feindbild links – wie sich die FPÖ mit einer neuen Kampagne als „einzige Alternative“ inszeniert
Langatmig und mit viel Holter-di-Polter-Pathos erklärte die FPÖ am Mittwoch bei einer Pressekonferenz, wie furchtbar die linksextreme Szene sei. Mit dabei in dieser Szene und ihrem Unterstützerkreis sind aus Sicht der FPÖ freilich alle: vom Bundespräsidenten über die Grünen, die SPÖ, die KPÖ und die Medien bis zum DÖW und Verfassungsschutz. FPÖ-Klubvorsitzender Christian Hafenecker und seine Stellvertreterin Susanne Fürst führten einen Rundumschlag am Sprecherpult aus, der bis zum ÖVP-Parlamentspräsidenten Wolfgang Sobotka reichte.
Dahinter steckt eine Strategie. Begriffe werden entwertet und dem demokratischen Diskurs entzogen. Man versucht einen Begriff so aufzublasen, dass im Endeffekt nichts mehr dahinter steckt. Und: Wenn Linksextremismus so beliebig ist, dann ist es Rechtsextremismus auch. Wenn man damit dann selbst in Berührung kommt, ist es plötzlich nicht mehr so schlimm.
„Die FPÖ gegen alle“
Die FPÖ – und ihr mediales und organisatorisches Umfeld – inszeniert sich dann als einzig stabiles Gegenstück zum allgemeinen Linksextremismus. Alle Gegner der FPÖ werden praktisch zur Einheitspartei gedeutet. Die FPÖ gegen alle.
Das ist eine beliebte Strategie, um jede Wut, jeden Frust und jedes unbestimmte Unbehagen mit dem Status Quo auf sich zu versammeln. Das funktioniert aber nur, weil alle anderen das ein ums andere Mal zulassen. Die FPÖ wird auch in diesem Wahlkampf mit „Wir gegen alle Anderen“ gehen, sowie es auch schon fast mit dem Wahlkampf zum Bundespräsidenten von Norbert Hofer geklappt hat.
Gegen DÖW und Verfassungsschutz
Der skurrile Auftritt der beiden Politiker:innen hatte aber auch einen weiteren Sinn: die volle Breitseite gegen den Verfassungsschutz. Selbstverständlich sehen sie die FPÖ als Opfer des Verfassungsschutzes. Der nicht besonders witzige Treppenwitz ist, dass das Gegenteil richtig ist. Schließlich war Herbert Kickl Innenminister, als die Polizei den Verfassungsschutz stürmte und sensible Daten nach außen drangen, weil sie unsachgemäß behandelt wurden. Jahrelang stellten andere Geheimdienste die Kooperation mit Österreich ein.
Der neueste Angriff hat auch damit zu tun, dass der Verfassungsschutz angekündigt hat, ein Online-Video der FPÖ-Jugend zur Anzeige zu bringen. Darin werden Journalist:innen und Wissenschaftler:innen an den Pranger gestellt (u.a. ich).
Das zweite große Feindbild ist das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW). Es ist ein besonderes Hassobjekt, weil es renommiert wissenschaftliche Aufarbeitung zum Thema liefert und ein großes Archiv an schriftlichen und medialen Zeugnissen von Opfern des Holocausts beinhaltet. Es wurde von Überlebenden des Holocausts gegründet. Die FPÖ wurde von Nazis gegründet.
Das Video der FPÖ-Jugend als Vorspiel
In bekannter Einschüchterungstaktik werden nun einzelne Personen des DÖW herausgegriffen, namentlich erwähnt und so markiert. Das wurde auch schon beim Video der FPÖ-Jugend gemacht. Dieses Video kann als Vorspiel zur jetzt stattfinden Kampagne der FPÖ begriffen werden.
Flankiert wird die Partei dabei von der rechtsextremen Nischen-Medien-Szene. Die brachte einen Tag zuvor einen Artikel über die angeblichen „Rechtsextremismusmacher“ heraus. Unter diesem Begriff werden Forscher:innen und Journalist:innen an den Pranger gestellt, weil sie über den Rechtsextremismus berichten. (Mit zahlreichen sachlichen Fehlern, da sei nur am Rande erwähnt).
Dieselbe Formulierung verwendete Hafenecker wortwörtlich auch in der Pressekonferenz.
Schulterschluss in der extremen Rechten
Auffällig ist also auch, dass mittlerweile nicht mehr so getan wird, als gäbe es eine Distanz zum offenen Rechtsextremismus. Man hat sich auch in der Sprache voll angeglichen. Begriffe aus rechtsextremen Verschwörungsmythen wie der „Überfremdung“ sind schon so weit normalisiert, dass sie stolz verwendet werden können. Sie werden einfach als Tatsache hingestellt, Fürst nannte den „Bevölkerungsaustausch“ einen „emotionslosen und sachlichen Begriff“. Die Identitären wiederum seien etwa eine „NGO“. Die FPÖ folgt da dem Sprachduktus der Identitären. So bezeichneten die sich von Beginn an selbst.
Es ist auch eine bekannte Strategie, dass man sich besonders dumm stellt, wenn es um rechtsextreme Verbindungen und Symbole geht. Fackel-Aufmärsche seien dasselbe wie ein Lichtermeer. Der „Hitler-Balkon“ zum Heldenplatz (auf den man übrigens nicht einfach hinauf darf), der im Video der FPÖ-Jugend betont zu sehen ist, wird seiner geschichtlichen Bedeutung entzogen – ein Gebäude wie viele andere in Wien, behauptet Hafenecker.
Die FPÖ ist fest in der extremen Rechten verankert. Selten war der offene Schulterschluss so eng und deutlich wie jetzt. Daran ändern Umfragen und Wahlergebnisse nichts.