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Klimakrise
Demokratie
Gesundheit

Fridays for Future: "Keine Staatshilfe für Klimazerstörer wie die AUA"

Heute ist weltweiter Klimastreiktag, wegen des Coronavirus vor allem im Internet. Aaron Wölfling von Fridays For Future spricht über die Klimakrise, die gerade jetzt nicht aus dem Auge gelassen werden darf, über Luftfahrtunternehmen, die jetzt nicht mit Staatsgeld gerettet werden dürften und über die bisher enttäuschende Klimapolitik der Grünen in der österreichischen Regierung.

MOMENT: Heute ist weltweiter Klimastreiktag, unter extremen Umständen: Aufgrund der Coronavirus-Pandemie ist natürlich keine öffentliche Demonstration möglich. Wie wollt Ihr dennoch für Klimaschutz protestieren?

Aaron Wölfling: Den Umständen entsprechend ist das natürlich alles ein bisschen komplizierter. Uns ist wichtig, dass die Corona-Krise ernstgenommen wird, als die Krise, die sie ist. Aber wir dürfen die Klimakrise nicht vergessen. Wir haben überlegt, wie man jetzt trotzdem zeigen kann: Ich stehe hinter dem Klimastreik. Man bastelt sich ein Schild mit einer klimapolitischen Aussage, hängt es ans Haus, ins Fenster oder an den Gartenzaun. Man kann das fotografieren und unter dem Hashtag #netzstreikfürsklima in sozialen Medien posten. Dazu haben wir online eine Aktion, bei der wir diese Bilder zeigen und auch streamen. Aber das wird natürlich auch offline sichtbar sein: Wenn Leute draußen an den Häusern vorbeigehen und so ein Schild sehen, wundern sie sich vielleicht, denken darüber nach, informieren sich. Das wäre schon sehr cool.

MOMENT: Die Coronavirus-Pandemie hat unseren Alltag im Griff. Besteht die Gefahr, dass die ebenfalls dringende Klimakrise dabei aus den Augen verloren wird?

Wölfling: Es sind zwei große Krisensituationen. Das Coronavirus ist viel akuter. Das passiert jetzt gerade in seinem vollen Ausmaß. Die Klimakrise zieht sich dagegen langfristig hin. Wichtig ist, dass wir beide Krisen wirklich wie Krisen behandeln. Sie werden jetzt aber oft gegeneinander ausgespielt: Österreichs diskutiert über Hilfspakete für Konzerne. Daneben steht die Frage: Soll man jetzt das Wirtschaftssystem ökologisieren oder setzt man das aus, weil man diese Wirtschaftskrise bekämpfen will?

MOMENT: Die Diskussion darum brennt: Wie soll der Wirtschaft jetzt auf die Beine geholfen werden?

Wölfling: Das muss ökosozial passieren. Wir dürfen jetzt keine Unternehmen und Konzerne mit Hilfsgeldern unterstützen, die verantwortlich dafür sind, dass die Klimakrise passiert. Das ist für uns von Fridays for Future einer der wichtigsten Punkte. Es gibt die Corona-Krise, aber wir müssen bei der Klimakrise weiter voranschreiten und sie bekämpfen.

   
MOMENT: Da steht ganz vorne die Luftfahrt, die jetzt buchstäblich am Boden ist, aber als klimaschädlich gilt. Austrian Airlines fordert jetzt hunderte Millionen Euro Staatshilfen. Darf die AUA diese bekommen?

Wölfling: Nein! Die Flugkonzerne sind fossile Großkonzerne, die dafür verantwortlich sind, dass unser Klima zerstört wird. Dabei ist es so, dass nur ein ganz kleiner Prozentsatz der Menschen überhaupt fliegt. Extrem wenige Menschen aus dem globalen Süden fliegen. Die leiden aber als erste unter den Folgen der Klimakrise. Das ist nicht gerecht. Wir haben alle eine klimagerechte Welt verdient. Deshalb darf man ein Luftfahrtunternehmen wie die AUA nicht mit Staatshilfen unterstützen.

MOMENT: Viele Unternehmen könnten dadurch in Konkurs gehen oder müssten zumindest sehr viele MitarbeiterInnen entlassen müssten. Das wird immer wieder gegen Maßnahmen für den Klimaschutz eingewandt: Diese würden ArbeitnehmerInnen treffen, die Jobs verlieren.

Wölfling: Es braucht einen sozialen Ausweg aus der Krise. Dafür braucht es aber einen Staat, der sehr aktiv ist und sich Mittel überlegt, wie wir aus der Klimakrise sozial gerecht herauskommen. Bei Corona klappt das ja: Der Staat stellt Förderpakete bereit. Der Staat überlegt, wie wir großflächig dafür sorgen können, dass trotz des Lockdowns alles noch rennt in diesem Land. Dasselbe brauchen wir auch für die Klimakrise. Da muss man auch die Arbeitsplätze bedenken.

MOMENT: Wie soll man das Klima schützen und dabei trotzdem Arbeitsplätze erhalten?

Wölfling: Ich halte es nicht für legitim, Arbeitsplätze gegen den Klimaschutz auszuspielen. Die Klimakrise bedeutet nicht, dass es weniger Arbeitsplätze geben wird. Sie bedeutet nur, dass wir ändern müssen, wie wir leben und wirtschaften. Das betrifft alle. Und das betrifft auch die großen Konzerne, die in einigen Branchen gar nicht mehr aktiv werden dürften. Denn ihre Geschäftsfelder dürfte es in Zukunft gar nicht mehr geben. Das ist hart, aber das ist die Realität und notwendig. Wir müssen klimaschädliche Praktiken aufgeben.

MOMENT: In dieser Krise zeigt sich, dass der Staat handlungsfähig ist und wirksame Maßnahmen setzen kann. Ist das etwas, was man auch für den Kampf gegen die Klimakrise mitnehmen kann?

Wölfling: Wenn es irgendetwas an der Corona-Krise gibt, das einen positiven Einfluss auf die Zeit danach hat, dann die Art, wie wir jetzt mit der Krise umgehen. Von den meisten Politikmachern wird diese Krise ernstgenommen. Es gibt aber auch Leute wie Donald Trump, die das gar nicht ernst genommen haben, mit katastrophalen Folgen. Die wissenschaftliche Sachlage wird ernstgenommen. Das klingt so banal, aber das ist ein Punkt.

Es gibt den Leitsatz von “flatten the curve”, jeder kennt das Bild. Es zeigt, wie wir unser Gesundheitssystem am Laufen halten können, indem wir die Kurve der Neuansteckungen durch Social Distancing abflachen. Das ist eine wissenschaftliche Wahrheit. Die gibt es bei der Klimakrise auch. Nur dafür scheinen sich viele Politikmacherinnen nicht zu interessieren. Man sieht aber bei der Corona-Krise, wie wichtig es ist, hart durchzugreifen, wenn die Krise akut wird.

MOMENT: Daneben zeigt sich: Die Menschen tragen notwendige Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus mit und sie handeln solidarisch miteinander.

Wölfling: Die zwischenmenschliche Solidarität der Zivilgesellschaft ist groß. Ich war beeindruckt davon, dass Leute in ihren Häusern Zettel aufhängen und denen Unterstützung anbieten, die am stärksten vom Coronavirus betroffen und gefährdet sind. Das lässt mich hoffen und kann ein wunderbarer Präzedenzfall sein, wie wir mit der Klimakrise umgehen.

MOMENT: Die Debatte ums Klima wird scharf geführt: Greta Thunberg ist für viele eine wahre Hassfigur. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden negiert. Auch um die Gefahr des Coronavirus wird heftig gestritten. Wie kann man dem begegnen und konstruktiv diskutieren?

Wölfling: Im Diskurs gibt es viel Hass im Netz, viel Widerspruch und viel ungute Kommunikation. Für mich als Aktivist ist es oft schwer. Wir wollen alle eigentlich etwas voranbringen in der österreichischen Politik. Wir werden aber dafür angegriffen, dass wir etwas ändern wollen und uns am politischen Diskurs beteiligen. Ich kann dafür keine Lösung anbieten.

Ich kann nur dafür plädieren, dass alle Menschen am Diskurs teilnehmen sollten. Demokratie erfordert Beteiligung. Diskussion ist wichtig, aber sie soll auch respektvoll ablaufen. Jede Meinung sollte als legitime Meinung angesehen werden. Wenn wir einen kultivierten demokratischen öffentlichen Diskurs haben, können wir all diesen Krisen als Menschheit super begegnen.

MOMENT: Inzwischen sind die Grünen in der Regierung. Passiert jetzt mehr im Kampf gegen die Klimakrise als vorher?

Wölfling: Mehr passiert auf jeden Fall. Es gibt einige Punkte im Regierungsprogramm. Es gibt das Klimaministerium, da ist schon etwas dahinter. Aber das reicht natürlich nicht. Die Ziele, die gesetzt wurden, sind nicht ambitioniert genug. Dazu braucht es einen klaren Fahrplan, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Den gibt es nicht, zumindest noch nicht. Ich kann nicht sagen, dass ich zufrieden bin. Aber da gebe ich ihnen schon einen Vertrauensvorschuss.

MOMENT: Was war aus klimapolitischer Sicht für Dich besonders enttäuschend?

Wölfling: Sehr schade ist, dass es keine Finanzierung des Klimaschutzes gibt. Es gibt ein Ziel mit der Klimaneutralität bis 2040. Aber es braucht Schritte dorthin und Maßnahmen. Und das ist alles ein bisschen schwammig. Es gibt ein Klimabudget für einen Teil des Verkehrs. Aber wenn kein Geld dafür da ist, frage ich mich, wie das umgesetzt werden soll. Oder ob uns da nur Honig ums Maul geschmiert wird. Da muss also noch viel mehr passieren.

 

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