Gegengelesen: Die Kronen Zeitung will den Klimabonus nicht verstehen
Wo die Krone noch recht hat: 2022 führte die türkis-grüne Regierung den CO2-Preis ein. Die Einnahmen daraus sollten mit dem Klimabonus wieder an die Bevölkerung zurückgezahlt werden. Wer viel CO2 verursacht, zahlt drauf. Wer weniger CO2 verursacht, dem bleibt mehr über. Gleich nach diesen grundlegenden Fakten wird es spaßig.
Warum die Regionalisierung kein Skandal ist
“So kam es aber nicht. Zunächst wurde eine Regionalisierung eingeführt”, attestiert die Boulevardzeitung. Aber: eine Regionalisierung ergibt durchaus Sinn. Denn wer viel mit dem Auto fährt, zahlt mehr CO2-Steuer. Nur kann sich das nicht jede:r Mensch selbst aussuchen. Ob es Öffis gibt oder nicht, das ist eine politische Entscheidung. Dass der Klimabonus darauf Rücksicht nimmt, ist kein grundsätzlicher Fehler.
Die Krone kritisiert, dass dadurch “teils groteske Situationen” entstehen. So erhielten Menschen, die links und rechts von einer Straße wohnen, die zwischen Wien und Niederösterreich verläuft, unterschiedliche Summen. Das mag in manchem Einzelfall seltsam erscheinen, aber irgendwo muss die Grenze einer Region nun einmal gezogen werden.
Unterstützungen können entweder mit der Gießkanne auch an Menschen verteilt werden, die keine brauchen, oder sie versuchen, treffsicher zu sein. Dann braucht es Grenzen – und irgendjemand wird immer knapp darunter und knapp darüber sein. Wichtig ist, die Leistungen und Grenzen so zu gestalten, dass diese vermeintlichen Ungerechtigkeiten so gering wie möglich sind. Ganz verhindern lassen sie sich aber nicht.
Die Steuerpflicht für Topverdiener:innen ist das Mindeste und kein Skandal
Was tatsächlich ein Problem ist: Der Klimabonus versucht, über die Geographie treffsicher zu sein. Aber er wird in anderen Fragen nicht oder nicht ausreichend gestaffelt. Etwa beim Einkommen. Würden der ärmste und reichste Mensch Österreichs in derselben Region wohnen, bekämen sie trotzdem dieselbe Unterstützung.
Die Regierung hat daran 2024 minimal etwas geändert. Nun müssen Top-Verdiener:innen den Klimabonus versteuern. Wer also nach allen Abzügen (netto) über 66.612 Euro an Einkommen hat, der bekommt den Klimabonus auch – aber er zählt zum Einkommen dazu.
Worin genau “die Chuzpe” dabei liegt, wird im Text nicht erklärt. Spitzeneinkommen zu versteuern, das ist Skandal genug. Dabei ist das durchaus auch im Rahmen von Klimapolitik zu rechtfertigen. Die Reichsten tragen am meisten zur Klimakrise bei. Sie kaufen mehr, leben in größeren Häusern, haben mehr und größere Autos und verursachen einfach mehr Treibhausgase. Das ist umfangreich erforscht.
Dass sie nicht auf den Klimabonus angewiesen sind, kommt noch dazu. Wer über 66.600 Euro steuerliches Jahreseinkommen hat, merkt die paar Euro Unterschied durch die Steuer nicht einmal. Aus diesem Grund gibt es auch Initiativen von Leuten, die ihren Klimabonus für wohltätige Zwecke spenden.
Entgegen der Aufregung des Boulevards wäre es sogar sinnvoll, noch einen Schritt weiterzugehen. Tatsächlich grotesk ist nämlich, dass oft Regionen mit den wohlhabendsten Menschen einen höheren Klimabonus erhalten als Menschen in ärmeren Gegenden. Es wäre aber sinnvoll, zu unterscheiden, ob man freiwillig in einer Gegend lebt, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht angebunden ist – beispielsweise im Einfamilienhaus mit Garten am Speckgürtel – oder ob man in einer Gegend wohnt, weil man kaum eine andere Wahl hat.
Wenn die Reichsten mehr bekommen: Es braucht Einkommensgrenzen
Seit diesem Jahr wird auch Wien regional in zwei Kategorien unterteilt. 145 Euro oder 195 Euro bekommen die Menschen in der Bundeshauptstadt. Auch hier ortet die Kronen Zeitung einen Skandal. Auch wenn sie keinen Grund dafür nennt.
Ganz gerecht ist das tatsächlich nicht. Eine Analyse des Momentum Instituts zeigt, dass drei von den fünf Bezirken mit den höchsten Einkommen und dem meisten Eigentumsbesitz den höheren Klimabonus erhalten. Personen in Hietzing, Döbling und Währing bekommen 50 Euro mehr als beispielsweise Menschen in Favoriten oder Brigittenau – die Bezirke mit den niedrigsten Einkommen und am wenigsten privaten Gebäudebesitz. Die Menschen dort wohnen tendenziell in Miete. Was ein weiteres Problem ist.
Mieter:innen können selbst nicht entscheiden, womit sie heizen, zahlen aber die teuren Heizkosten und damit auch den entsprechenden CO2-Preis. Deswegen empfiehlt das Momentum Institut zusätzlich, die CO2-Steuer zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen aufzuteilen. Das würde tatsächlich Sinn machen.
Warum Asylwerber:innen den Klimabonus bekommen und ihn bekommen sollen
Auch über den Klimabonus für Asylwerber:innen regt sich die Krone auf. Sie greift dabei die Wahlkampf-Empörung der FPÖ auf. Es wird schon wieder die neunköpfige syrische Familie genannt, die eine bei genauem Hinsehen nicht besonders hohe Mindestsicherung von 4.600 Euro bekommt und damit seit Wochen für den Wahlkampf missbraucht wird. Dabei vermischt die Kronen Zeitung ein paar Sachen. Bringen wir Ordnung rein.
Nur ganz kurz, damit alles korrekt ist: Asylwerber:innen haben keinen Anspruch auf Mindestsicherung oder Sozialhilfe. Da die Familie die Unterstützung bekommt, hat sie offenbar einen Asylprozess durchlaufen und die Behörden haben festgestellt, dass sie in ihrer Heimat nicht sicher sind und in Österreich Schutz gewährt bekommen. Wir haben bereits darüber berichtet: hier, hier und hier. Die betroffene Familie hat mit dem ganzen Thema also absolut nichts zu tun.
Im Gegensatz zur Mindestsicherung haben Asylwerber:innen Anspruch auf den Klimabonus. Das ist aber nur logisch. Der Klimabonus ist eine Rückverteilung des CO2-Preises. Den zahlen alle Menschen in Österreich durch ihren Konsum – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft oder Herkunft.
Hier entgegnet die rechte Seite oft, dass Schutzsuchende in Asylunterkünften leben und keine Wohn- und Heizkosten bezahlen müssen. Das stimmt zum Teil, oft aber auch nicht. Gerade in Städten – und Asylwerbende leben meist in Städten – leben sie oft zur Miete in privaten Wohnungen. (Wie sie dabei ausgebeutet werden, zeigt unsere Doku hier.)
Und auch Menschen, denen Wohnraum zur Verfügung gestellt wird, zahlen indirekt über ihren Konsum CO2-Preis. Denn der ist in allen Produkten im Preis enthalten, die wir täglich kaufen. Wenn ein Bauer ihn für den Sprit seines Traktors mehr bezahlt, dann muss er den Mais von seinem Feld ein wenig teurer verkaufen. Wenn der Supermarkt mehr Energiekosten für seine Kühlregale hat, müssen wir alle das für Kühlwaren bezahlen.
Dass Asylwerber:innen meist so wenig Geld haben, dass sie sich wenig kaufen können und deshalb vielleicht manche sogar ein paar Euro mehr aus dem Klimabonus bekommen, als sie an Klimasteuer zahlen, das macht die kleinliche, menschenfeindliche Neiddebatte nur noch grausamer.
Mit diesen Nebensächlichkeiten treten die Rechten nach unten und spalten die Gesellschaft. Und der Boulevard macht mit. Über die großen Krisen und mögliche Lösungen sprechen wir nicht. Dabei wäre das so wichtig.
- Die Auszahlung des Klimabonus startet: Wer kriegt wieviel und ist das gerecht?
- 5 Fragen zur CO2-Steuer: Wie wirkt sie gut und sozial gerecht?
- CO2-Steuern: Klimafrage damit endlich gelöst?
Anmerkung: In der ursprünglichen Fassung stand 66.600 Euro netto Jahreseinkommen. Es handelt sich allerdings um die steuerliche Bemessungsgrundlage, die sich aus dem Bruttogehalt abzüglich Sozialversicherungsbeitrag, Pendlerpauschale, Gewerkschaftsbeitrag, Freibeträgen ergibt. Das wurde korrigiert auf steuerliches Jahreseinkommen korrigiert.