Klimakiller Nummer Eins: Reichtum und Finanzen
Eine neue Studie des World Inequality Labs (WID) zum CO2-Fußabdruck von Kapital präsentiert genauere Schätzungen über die Ungleichheit zwischen den Vermögensgruppen in den USA, Deutschland und Frankreich. Werden neben den Emissionen aus Konsum und Lebensstil auch jene durch Besitz und Vermögen berücksichtigt, ist die Klimabelastung der reichsten 10 Prozent zwei bis drei Mal höher als bisher angenommen. Reichtum bleibt Klimakiller Nummer Eins.
Verzerrtes Bild
Die Ergebnisse zeigen, dass unsere Wahrnehmung der Emissionsverteilung bis jetzt verzerrt war. Denn bisher hat man vor allem untersucht, wie schädlich sich Konsum auswirkt. Die Emissionen von Vermögen und Anlageprodukten wurden hingegen kaum miteinbezogen. Die Studie des WID macht genau das und erzeugt so ein vollständigeres Bild darüber, wie viel größer der Beitrag von Wohlhabenden zur Klimakrise wirklich ist. Berücksichtigt werden unter anderem Immobilien, Aktien oder Pensionsfonds.
Die Wissenschaftler berechnen, dass die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in Deutschland fast 50 Tonnen CO2-Äquivalente pro Kopf und Jahr emittieren. Zum Vergleich: Im Durchschnitt verursacht eine Person in Deutschland 13,5 Tonnen. In Frankreich und den USA ist der Unterschied ähnlich groß. Würde man das globale CO2-Budget zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens gleichmäßig auf die Weltbevölkerung aufteilen, dürfte jede Person überhaupt nur etwa zwei Tonnen CO2-Äquivalente erzeugen.
Wo liegt das Problem?
Passives Einkommen ist besonders CO2-intensiv. Darunter versteht man zum Beispiel Aktien, mit denen man ohne viel Aufwand Geld verdient. Klimaschädliche Anlageprodukte befeuern die Ungleichheit, sie sind für mehr als die Hälfte der ohnehin viel höheren Emissionen der reichsten Haushalte verantwortlich. Reiche profitieren auch noch von den Treibern der Klimakrise, während ärmere Menschen die Auswirkungen davon viel heftiger und früher spüren und sich oft weniger dagegen wehren können.
Aktien haben die höchsten Emissionen der untersuchten Anlageklassen der WID-Studie in allen drei Ländern. Sie verursachen 75-150 Tonnen CO2-Äquivalente pro Million Euro oder Dollar.
Auch Pensionsanlagen und -fonds sind meist sehr klimaschädlich. Vor allem die deutschen Rentensysteme sind stark auf den fossilen Energiesektor angewiesen. Zur Einordnung: Der Besitz von 100.000 Euro an Pensionsfonds ist in Deutschland mit 14-15 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr verbunden. Das ist mehr als der durchschnittliche CO2-Fußabdruck pro Kopf.
Böse Aktien
Die Klimawirkung von Aktien hängt hauptsächlich von den konkreten Unternehmen und deren Geschäftspraktiken ab. Aktien von Firmen, die klimaschädliche Aktivitäten betreiben oder sich nicht um Umweltschutz und Nachhaltigkeit kümmern, tragen zur Klimakrise bei. Offensichtlich ist das im Bereich der fossilen Brennstoffe: Investiert man in solche Aktien, unterstützt man jene Industrie, die einen erheblichen Beitrag zu den globalen CO2-Emissionen leistet.
Aber auch Investitionen in andere Sektoren wie Bergbau, Landwirtschaft, Automobilproduktion oder Schwerindustrie können negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben. Dabei geht es nicht nur um direkte CO2-Emissionen, sondern auch um die Zerstörung von Ökosystemen, Ressourcenverbrauch, Wasserverschmutzung und Entwaldung.
“Es geht dabei auch um konkrete Auswirkungen auf Menschen etwa im Globalen Süden, zum Beispiel durch die ökologischen Auswirkungen durch den Bergbau für ‘grüne’ Technologien oder den Landverlust”, sagt Lukas Schmidt, Geschäftsleiter von der Menschenrechtsorganisation Fian Österreich. “Es leiden vor allem jene, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen. Dabei geht es auch um die ungleiche Teilhabe an Entscheidungsprozesse: Wer über mehr Kapital verfügt, kann auch dementsprechend mehr Einfluss ausüben und entscheidet, in welche Richtung die Entwicklungen gehen sollen.”
Dazu kommt der Energieverbrauch des Aktienhandels: Datenübertragung, Rechenzentren, deren Kühlung, Handelsplattformen und die Stromversorgung dieser Services sind ziemliche Energiefresser.
Und grüne Anlageprodukte?
Auch “nachhaltige” oder “grüne” Investitionen sind nicht unbedingt die Lösung, sie können das Problem sogar vergrößern. Selbst bei Green Finance geht es im Endeffekt um Profitmaximierung – es werden also dieselben strukturellen Probleme fortgesetzt, die es auch bei herkömmlichen Finanzprodukten gibt. Bereits wohlhabende Menschen bekommen noch mehr Geld und die ungleiche Verteilung wird weiter verstärkt.
Selbst wenn man in ein grünes Unternehmen investiert – zum Beispiel im Bereich der Erneuerbaren – erzeugt das nicht automatisch mehr saubere Energie. “Dann verkauft halt jemand anderes seine Aktien. Die Preise solcher Finanzinstrumente hängen nämlich nicht von uns ab, sondern von den zukünftigen Gewinnaussichten des Unternehmens”, erklärt Johannes Jäger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der FH des BFI Wien. Er hat sich auf kritische internationale politische Ökonomie und globale Verteilung spezialisiert. Im Gespräch meint er, dass der Finanzsektor allgemein umstrukturiert werden muss, es braucht mehr staatliche Regulierung.
“Gibt es staatlich festgelegte Ziele und gesicherte Abnahmemengen, kann die Firma diese in ihre Planung miteinbeziehen und wird aufgrund dessen mehr grüne Energie produzieren.” Dass man mit “nachhaltigen” Finanzinvestitionen allein das Klima schützen kann, sei ein Schmäh der Banken. Die verdienen nämlich jedenfalls daran, wenn wir vermehrt grüne Investmentfonds oder Aktien kaufen.
Potential für Gerechtigkeit
Die neuen Zahlen der WID-Studie zeigen auch, wie man CO2 einsparen könnte. Sieht man sich die Gesamtemissionen der wohlhabendsten 10% an, wird ersichtlich: 75-80 Prozent davon kommen von ihren Vermögenswerten und Anlageprodukten. Dagegen kommt der kleinere Teil aus Konsum und Lebensstil. Will die Politik CO2 einsparen, sollte sie also den CO2-Gehalt von Vermögenswerten einschränken. Zum Beispiel durch ein Verbot von oder Steuern auf bestimmte Arten von umweltschädlichen Investitionen.
Reichtum ist allgemein sehr ungleich verteilt. Die Studie belegt, dass die Ungleichheit bezogen auf die Emissionen von Vermögen aber sogar noch größer ist. Die Vermögenswerte von Wohlhabenden sind nämlich besonders CO2-intensiv. Daraus lässt sich eine wichtige Erkenntnis für eine fairere CO2-Besteuerung ziehen: Steuern auf Konsum belasten vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen – die tragen aber viel weniger zur Klimakrise bei. Eine Steuer auf den CO2-Gehalt von Anlageprodukten und Vermögen würde hingegen hauptsächlich jene treffen, die auch viel CO2 verursachen: reiche Menschen.
Was braucht es?
Ein Oxfam-Bericht zeigt, dass Milliardär:innen die Emissionen ihrer Investitionen schon allein dadurch auf ein Viertel reduzieren könnten, wenn sie diese in Fonds mit strengeren Umwelt- und Sozialstandards verlagern würden. Die maßgebliche Rolle extremer sozialer Ungleichheit und die enorme Verantwortung der Superreichen für die Klimakrise werden in der Politik kaum berücksichtigt. Höhere Steuern für Reiche und strengere Regulierung von Konzernen und Investitionen wären laut Oxfam auch Maßnahmen für mehr Klimaschutz.
Eine CO2-Steuer, die an die Höhe der Emissionen von Investitionen und Anlagen geknüpft ist, soll Druck auf die Personen erzeugen, die am meisten Einfluss auf Entscheidungsträger:innen haben. Sie könnte dazu führen, dass Konzerne und Überreiche aus Eigeninteresse in klimafreundliche Anlagen investieren. Das kann eine weitaus größere Wirkung haben als Steuern auf Konsum. Bei denen müssen einkommensschwache Menschen unverhältnismäßig mehr zahlen, während Reiche wenig davon spüren. Der Profit aus einer solchen Steuer könnte wiederum dafür eingesetzt werden, Länder für die Schäden durch die Klimakrise zu entschädigen und die Anpassung daran zu fördern.