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Ungleichheit
Demokratie

Grunderwerbssteuer in Österreich: Lieber reformieren statt abschaffen

Eigentum ist für die meisten unleistbar geworden. Die ÖVP will nun die Grunderwerbssteuer in Österreich für den ersten Eigentumskauf abschaffen. Warum das nach hinten losgehen kann, erklärt Ökonom Joel Tölgyes.

Die Grunderwerbsteuer in Österreich zu senken oder gar abzuschaffen wäre ein Fehler. Schuld an den steigenden Wohnkosten sind starke Preissteigerungen am Immobilienmarkt und nicht die Grunderwerbsteuer. Profitieren würden von einer Abschaffung vor allem reichere Haushalte. Damit Wohnen wieder leistbarer wird, braucht es Mietbremsen und mehr Platz für sozialen Wohnbau. Statt die Grunderwerbsteuer zu senken, sollte sie für Zweitwohnungen und für Unternehmen deutlich angehoben werden.

Die Ausgaben fürs Wohnen steigen immer weiter. Im Schnitt gaben die Österreicher:innen im Jahr 2022 rund 570 Euro mehr fürs Heizen und Wohnen aus als im Jahr davor. Davon angetrieben kam der ÖVP-Finanzminister in den vergangenen Wochen mit einem Vorschlag um die Ecke: Die Grunderwerbsteuer soll für die erste Eigentumswohnung bzw. das erste Eigentumshaus abgeschafft werden. 

Abschaffung der Grunderwerbsteuer wäre verteilungspolitisch problematisch

Dabei geht die Forderung an der Lebensrealität vieler Menschen in Österreich vorbei. In Wien zahlte man im Jahr 2021 auch ohne Grundsteuer im Schnitt 375.000 Euro für eine 80 Quadratmeterwohnung. Um das dafür nötige Geld anzusparen, müsste man mit einem mittleren Einkommen (ca. 31.400 Euro pro Jahr) rund 68 Jahre sparen – unter der Annahme, dass man 2 Prozent Zinsen pro Jahr bekommt und pro Monat ca. 8 Prozent des Einkommens zur Seite legt. Menschen mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen können sich deshalb schon lange keine Eigentumswohnung mehr leisten.

Gerade einmal ein Viertel der Haushalte im niedrigsten Einkommensfünftel wohnt im Eigenheim. Sie sind gleichzeitig am stärksten von der Teuerung betroffen. Von einer Abschaffung der Grunderwerbssteuer profitieren sie aber am wenigsten, während vor allem Haushalte, die sich jetzt schon eine Wohnung leisten können am stärksten profitieren würden. Tatsächlich helfen würde man ihnen mit einer Mietbremse, wie in Portugal oder Spanien. Dort dürfen die Mieten pro Jahr nur mehr einmal um 2 Prozent angehoben werden. 
 

 
Grunderwerbssteuer in Österreich

Spekulation und Anleger treiben die Immobilienpreise nach oben

Selbst wenn man von der Verteilungsproblematik absieht, löst die Abschaffung der Grunderwerbsteuer kein Problem. Dass Eigentumswohnungen heute so teuer sind, liegt in erster Linie an den explodierenden Immobilienpreisen der letzten Jahre. Im Jahr 2015 zahlte man für eine 80 Quadratmeterwohnung in Wien noch um 145.000 Euro weniger als heute – das ist 10-mal mehr als die Grunderwerbsteuer heute ausmacht. Mitschuld daran ist ein Nachfrageboom am Immobilienmarkt. Wohnungen werden – gerade von reicheren Menschen – oft als Wertanlage gehalten. Das bedeutet, Wohnungen werden gekauft, um anschließend durch Vermietung Gewinne zu generieren, oder um die Wohnung später wieder teurer zu verkaufen.

Über ein Viertel der Haushalte im reichsten Einkommensfünftel besitzen zusätzlich zu ihrer Eigentumswohnung noch weitere Immobilien. Die davon getriebene hohe Nachfrage sorgt dafür, dass Wohnungen auch für jene Haushalte teurer werden, die darin tatsächlich gerne wohnen würden. Auch die Mieten steigen damit weiter, denn die höheren Kaufpreise sollen ja durch steigende Mieteinnahmen wieder ausgeglichen werden. 

 
Man sieht eine Grafik, die den Immobilienpreisanstieg der letzten Jahre in Österreich zeigt

Reformen für leistbares Wohnen

Die Grunderwerbsteuer abzuschaffen, würde keine Probleme lösen. Wichtig wäre eine Reform des Immobilienmarkts. Das Ziel sollte dabei leistbares Wohnen für möglichst viele Menschen sein. Am besten erreicht werden könnte das über einen Ausbau des sozialen (öffentlichen) Wohnbaus. Dafür könnten soziale Bauvorhaben bei Flächenwidmungen bevorzugt werden. So wird sichergestellt, dass für sozialen Wohnbau genügend Platz, möglichst im innerstädtischen Bereich, bleibt.

Statt die Grundsteuer abzuschaffen, sollte sie für Zweitwohnungen angehoben werden, von derzeit 3,5 Prozent auf 5 Prozent. Sind die Käufer Unternehmen, dann könnte die Steuer noch deutlicher angehoben werden, etwa auf 10 Prozent des Kaufpreises. Damit würde die „Wertanlage-Wohnung“ teurer werden, die Nachfrage nach Wohnungen – und damit auch die Preise fürs erste Eigenheim – würden sinken.

Auch für Klima und Umwelt wäre das vorteilhaft. Denn die extreme Flächenversiegelung in Österreich wird zunehmend zum Problem. Jeden Tag wird eine Fläche von acht Fußballfeldern versiegelt. Das führt zu mehr Überschwemmungen und befeuert die Klimakrise. Wichtig wäre hier zwar in erster Linie eine umweltfreundlichere Widmungspolitik. Mit Bauland sollte dabei möglichst platzschonend umgegangen werden, Wohnungen sollten vor allem in der Nähe von Stadtzentren und öffentlichen Verkehrsanbindungen entstehen. Aber auch eine reformierte Grunderwerbsteuer könnte hier helfen, indem Flächenverbrauch in abgelegenen Gebieten stärker besteuert wird.

Mehr dazu:

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