Immer mehr Milch – immer weniger Bauern
Milchrebellen üben heftige Kritik an Molkereien
Doch das Projekt ist nun gescheitert. Schuld seien die offenen und versteckten Drohungen von den Molkereien, wie IG-Milch-Obmann Ewald Grünzweil behauptet: “Es kann sich niemand vorstellen, was wir die letzten Jahre erlebt haben. Wir haben nicht geglaubt, was in Österreich möglich ist.” Die IG-Milch fordert nun sogar die Bundeswettbewerbsbehörde auf, die Milchwirtschaft genau zu überprüfen – hier gäbe es “zu viele missbräuchliche Anwendungen der Marktmacht”.
Das Problem: Milch muss sofort verarbeitet werden. Den Bauern stehen aber nur einige Molkereien gegenüber. Und diesen noch weniger Abnehmer im Lebensmittelhandel.
Die IG-Milch hatte mit der Molkerei Alpenmilch einen Abnehmer ihrer Rohmilch. Doch als diese 2017 nicht mehr weitermachen wollte, waren rund 160 Bauern gezwungen, zu ihrer alten Molkerei zurückzukehren. Und die ließen die Abtrünnigen büßen: Vielen wurde die Rückkehr zu den alten Konditionen verweigert, andere erhielten Strafzahlungen oder einfach keine Zuschläge für Biomilch.
Aufständische Bauern werden nun von Abnehmern geknebelt
Die Vorwürfe der IG-Milch streitet Johann Költringer, Geschäftsführer der Vereinigung österreichischer Milchverarbeiter, jedoch ab. “Die Bauern wollten schließlich in einer Zeit der Milchüberproduktion und des niedrigen Milchpreises zurück. Kein Wunder, dass sie da nicht die besten Konditionen bekommen,” so Költringer. Und schließlich werden Molkereien als Genossenschaft betrieben: Die beteiligten Bauern bringen Kapital ein, etwa für technologische Erneuerungen. Wer in guten Zeiten nur kritisieren und nichts beisteuern würde, brauche sich also nicht wundern, wenn er dann in Krisenzeiten vor verschlossenen Türen stehen würde.
Milchbauern haben oft keine Wahl
Tatsächlich genießen die wenigen Molkereien in vielen Regionen Österreichs eine Monopolstellung, wie uns eine niederösterreichische Biobäuerin schildert: “Bei uns holt nur die Molkerei NÖM die Milch ab. Es gäbe noch eine andere, doch da fährt der Milchwagen nur bis ins Nachbartal, unser Betrieb ist für sie zu weit weg. Die würden aber 20 Cent pro Liter mehr für unsere Bio-Heumilch bezahlen. Das tut schon weh.”
Zu viel Milch in Österreich und ganz Europa
Der gescheiterte Aufstand der rebellischen Bauern gegen den niedrigen Milchpreis zeigt aber ein systematisches Problem auf. In Österreich wird einfach viel zu viel Milch produziert. Der Selbstversorgungsgrad liegt bereits bei 163 Prozent. Doch jedes Jahr wird noch mehr Milch an die Molkereien geliefert.
Milchbauern könnten ohne Förderungen nicht überleben
Tatsächlich können bei den niedrigen Milchpreisen Bauern kaum vom Verkauf ihrer landwirtschaftlichen Produkte leben. Ohne Förderungen kämen wohl nur einige wenige Großbetriebe über die Runden. Das durchschnittliche Einkommen eines Bauern setzt sich zu zwei Dritteln aus Fördergeldern zusammen.
Die Landwirtschaft ist der größte Posten im EU-Budget. Die EU gibt pro Jahr 56,5 Milliarden Euro dafür aus. Österreichs Agrarbudget beträgt 1,9 Milliarden Euro. Dieses setzt sich so zusammen: 61 Prozent kommen aus dem EU-Budget, 17 Prozent vom Bund und 22 Prozent von den Ländern. Insgesamt gehen 70 Prozent der gesamten EU-Mittel, die Österreich erhält, in die Landwirtschaft.
Immer mehr Milchbauern geben auf
Doch auch wenn dieses Summen auf den ersten Blick üppig aussehen – für Milchbauern rentiert sich der Betrieb trotz all dieser Gelder kaum mehr. 30 Prozent halten sich nur noch zum Nebenerwerb Kühe. Jedes Jahr geben 3,5 bis 5 Prozent der Milchbauern auf. Zu mühsam ist die harte Arbeit im Stall – Kühe müssen schließlich auch am Wochenende wie jeden Tag im Jahr zweimal täglich gemolken werden.
Was sich in der Milchwirtschaft daher wirklich dringend ändern müsste:
- Fördergelder sinnvoll verteilen. Bis 2003 hing die Fördersumme vom Output eines Bauern ab. Kühe wurden mit Kraftfutter vollgepumpt, damit sie mehr Milch gaben. Seit 2003 sind die Förderungen an die Flächengrößen gebunden. Kleine Bauern hatten es danach schwer. Viele gaben auf und verpachteten die Flächen an Großbauern, die eben aufgrund dieser Fördermaßnahme entsprechend wachsen wollten. Für Bergbauern wurden hingegen etwa Zuschläge für Steilhänge abgeschafft – dabei leisten gerade solche kleinen Betriebe in Alpenregionen einen wichtigen Beitrag zur Landschaftspflege. 80 Prozent der Landesfläche Österreichs liegt übrigens in sogenanntem benachteiligtem, weil schwer zugänglichem Gebiet. Förderungen sollten jedoch qualitativ vergeben werden: Für nachhaltige Bio-Bauernhöfe oder Betriebsmodernisierungen – das Geld sollte nicht für unkontrollierte Betriebsvergrößerungen verwendet werden können.
- Der Preis für Bio- und Heumilch darf nicht von konventioneller Milch abhängen. In Deutschland ist das bereits so. In Österreich gibt es für Bio- oder Heumilch nur Aufschläge. Ein stabilerer, besserer Preis für biologische Milch könnte mehr Landwirte zu einer nachhaltigen Produktion motivieren. Biobauern dürfen nicht die Leidtragenden sein, wenn die konventionellen Milchbauern eine Überproduktion und dadurch einen Preisverfall generieren.
- Tierwohl muss im Fokus stehen. Heute gibt es so überzüchtete Tiere, dass ihre Gesundheit an der enormen Milchproduktion leidet. Tierärzte mahnen: Diese Hochleistungskühe kämpfen mit Unfruchtbarkeit, entzündeten Eutern, kaputten Klauen und würden nur noch Fressen, um zu überleben und genügend Energie für die enorme Milchproduktion zu haben. Nach drei qualvollen Lebensjahren ist ein solches Tier reif fürs Schlachthaus. Eine Kuh aus Biohaltung hingegen lebt mitunter dreimal so lange und kann ihr Leben auch auf einer Wiese genießen.
- Weniger Kühe für ein besseres Klima. Kühe rülpsen und pupsen Methan. Dieses Gas hat eine weitaus stärkere Treibhauswirkung als Kohlendioxid. Deshalb wird das Rind auch gerne als Klima-Killer bezeichnet. Rund 80 Prozent aller landwirtschaftlicher Fläche Österreichs entfällt auf die Nutztierhaltung. Österreich produziert nicht nur zu viel Milch, sondern auch Fleisch. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat in einem neuen Report errechnet, dass der sogenannte Selbstversorgungsgrad von Fleisch in Österreich bei 109 Prozent liegt. Und das, obwohl die Österreicher dreimal so viel Fleisch essen, wie gesundheitlich empfohlen wird. Doch nur 58 Prozent des hierzulande konsumierten Gemüses stammt aus regionaler Selbstversorgung. Bei Obst sind es nur 46 Prozent. Greenpeace kritisiert, dass dieses Ungleichgewicht zulasten der Umwelt geht und einer ausreichenden Selbstversorgung mit gesunden Lebensmitteln im Krisenfall entgegensteht.
- KonsumentIn ist gefordert. Trotz der enormen Überproduktion werden 30 Prozent der Milchprodukte in Österreich importiert. In manchen Ländern kann eben noch günstiger Milch produziert werden – jedoch zu niedrigeren Standards. Deshalb lieber das Produkt im Supermarkt genau überprüfen: Woher kommt es? Gibt es Gütesiegel? Warum nicht zu einem teureren Bio-Produkt greifen?