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Arbeitswelt

Putzkräfte im Web buchen: "Was übrig bleibt, ist oft eine Frechheit"

Veronika Bohrn Mena im Porträt mit vor der Brust verschränkten Armen.
Die Situationen von Putzkräften in Österreich ist schlecht: eine Plattform, die 20 Prozent einbehält, anstrengende und gefährliche Arbeit, Subunternehmen, die mitschneiden und ein Bruttolohn von 5 Euro die Stunde. Die “Gig Economy” verstärkt die Probleme noch. Über Ansehen und anständige Bezahlung spricht Gewerkschafterin und Expertin für prekäre Arbeitsverhältnisse Veronika Bohrn Mena im Interview mit MOMENT.

MOMENT: Wenn wir über prekäre Arbeit, neue Selbstständige und die Gig Economy sprechen, geht es oft um Paketboten und Essenzulieferinnen. Du sagst, Putzkräfte sind besonders betroffen. Wieso?

Veronika Bohrn Mena: In Firmen werden Reinigungskräfte schon lange ausgelagert. Sie werden nicht als Teil der Belegschaft wahrgenommen, weil sie zu anderen Zeiten da sind als alle anderen. Sie kommen in der Nacht oder sehr früh. Dementsprechend werden sie nicht als KollegInnen wahrgenommen und es ist leichter für Unternehmen, sie auszulagern oder in unsichere Vertragskonstruktionen abzuschieben. Mit einer Kollegin, die du jeden Tag sieht und mit der du plauderst, hast du eine andere Empathie. Das lässt sich erstmal dadurch bekämpfen, dass wir uns bewusst machen, wer jeden Morgen die Blumen gießt und den Papierkübel ausleert.
 

Reinigungskräfte sind also unsichtbar.

Genau. Die EssensauslieferInnen sehen wir auf der Straße mit ihren bunten, großen Rucksäcken. Wer im Uber fährt, verbringt zwangsläufig Zeit mit den FahrerInnen. Wer eine Haushaltshilfe hat, verlässt aber zumindest das Zimmer, während sie reinigt. Zur Gig Economy lese ich mehrmals die Woche Artikel. Zur Arbeitssituation von Reinigungskräften vielleicht zwei, drei Mal im Jahr. Aber sie sind genauso betroffen von der Gig Economy wie der Uber-Fahrer.
 

Du hast dich besonders mit der Plattform Extrasauber beschäftigt. Wie funktioniert sie?

Extrasauber ist eine von mehreren Plattformen, auf der man online eine Reinigungskraft buchen kann. Das geht ganz einfach. Man muss nur angeben, wie groß die Wohnung ist, in welchem Bezirk und was man geputzt haben möchte. Sofort bekommt man konkrete Angebote von Reinigungskräften und kann sich das günstigste aussuchen. Im Vorfeld ist also fix vereinbart, wie viel die gesamte Reinigung kosten wird. Das ist ein Problem, weil die Reinigungskraft ja nicht weiß, in was für einem Zustand die Wohnung ist. Ist sie komplett verdreckt oder wurde sie letzte Woche schon gereinigt? Für beide Fälle hat sie gleich viel Zeit und bekommt gleich viel Geld.
 

Ich habe mir das für meine Wohnung mal angeschaut, das geht bei etwa 70 Euro los.

Der Preis unterscheidet sich eben nach Wohnungsgröße. Aber die Reinigungskraft bekommt ja die 70 Euro nicht. Die Plattform verlangt 20 Prozent Kommission. Bleiben 56 Euro. Im Normalfall können wir hier rund 30 Prozent für Sozialversicherung abziehen, bleiben rund 39 Euro. Speziell bei Extrasauber ist oft der Fall, dass noch ein Subunternehmen dahinter steht. Die Reinigungskraft nimmt also Aufträge vom Subunternehmen an, dieses schaltet die Anzeige auf der Plattform – beide bekommen Kommission. Bei einigen steht eine Telefonnummer dabei, ich habe mich da einmal durchtelefoniert. Die Putzkräfte haben mir erzählt, dass ihnen teilweise am Ende ein Bruttolohn von 5 Euro die Stunde bleibt. Das ist eine Frechheit.
 

Auch bei anderen Plattformen sind die Preise so niedrig, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie man davon leben soll.

Zumindest für die Plattformen zahlt es sich aus. Ich schaue mir das alle drei bis sechs Monate an und jedes Mal gibt es neue Anbieter. Die sprießen aus dem Boden.
 

Bei vielen solchen Seiten haben Putzkräfte Profile mit Foto und Bewertungen. Als Kundin brauche ich das nicht.

Ich finde die Profilfotos sehr heikel. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie sich manche Leute attraktive junge Frauen zu sich nach Hause bestellen. Auch das Bewertungssystem ist meiner Meinung nach nicht in Ordnung.
 

Was ist das Problem?

Es gibt sowohl Bewertungen mittels Sternen als auch einen Kommentarbereich. Da schreiben die KundInnen, wie was sauber gemacht wurde. Aber es gibt auch Kommentare über die Deutschkenntnisse oder das Aussehen der Reinigungskräfte. Das finde ich heftig.
 

Laut neuem Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer geben zwei Drittel der Reinigungskräfte an, dass sie nicht glauben, bis zur Pension in dem Job durchzuhalten.

Das glaube ich sofort. Der Job ist nicht nur mies bezahlt, er ist auch körperlich extrem anstrengend. Man macht sich den Rücken kaputt, arbeitet täglich mit Giftstoffen. Länger als 10, 20 Jahre geht das nicht. Und das ist auch volkswirtschaftlich ein Desaster. Das sind Menschen, die so schlecht bezahlt werden, dass sie wenig ins System einzahlen können und nach einem halben Erwerbsleben arbeitsunfähig werden durch die Belastungen.
 

Was können die KundInnen tun, damit die Arbeitsbedingungen für Putzkräfte besser werden?

Die Arbeit anständig bezahlen, das ist das wichtigste. Bei einer selbstständigen Putzkraft kostet die Stunde etwa 18 Euro, damit netto 10 Euro für sie übrig bleiben. Man kann sich auch überlegen, sie geringfügig anzustellen, wenn sie das möchte. Sonst sind auch Dienstleistungsschecks eine gute Sache, auch wenn sie etwas kompliziert in der Anwendung sind. Und man sollte darauf achten, dass sie würdevoll ihre Arbeit erledigen können.

 

Veronika Bohrn Mena ist in der Gewerkschaft für atypische Beschäftigung zuständig. Sie ist Expertin für Gig Economy und neue Selbstständige und befasst sich spezifisch unter anderem mit den Arbeitsbedingungen von Reinigungskräften, die ihre Arbeit über Plattformen finden.

 
 

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