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Kapitalismus
Klimakrise

Kann die Wirtschaft wachsen, während unser Verbrauch sinkt?

Kann die Wirtschaft wachsen, während unser Verbrauch sinkt?
Ist Wirtschaftswachstum mit Umweltschutz vereinbar? Diese Frage stellen sich WissenschaftlerInnen seit Jahrzehnten. Eine neue Studie mit Beteiligung von ForscherInnen der Universität für Bodenkultur hat 835 Studien zu diesem Thema gesichtet. Das sind die wichtigsten Ergebnisse. 

Wenn sich WissenschaftlerInnen mit der Verbindung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch beschäftigen, ist oft von „Entkopplung“ die Rede. Grundsätzlich gibt es dabei zwei Arten: eine „relative“ und eine „absolute“ Entkopplung. Bei relativer Entkopplung wächst der Verbrauch von Ressourcen (z.B. Material, Energie) oder der Ausstoß von Treibhausgas zwar immer noch. Aber er tut das langsamer als die Wirtschaft (gemessen am Bruttoinlandsprodukt). Bei absoluter Entkopplung wächst die Wirtschaft weiter, aber der Ressourcenverbrauch oder die Emissionen sinken. In den westlichen Industriestaaten müssten wir genau das schaffen: eine absolute Entkopplung und zwar in einem ziemlich starken Ausmaß. Wir verbrauchen viel zu viele Ressourcen. Die Emissionen müssen schnell und stark genug sinken, um das Klimaziel von maximal 1.5 Grad Erderhitzung zu erreichen.

Was sagt die Wissenschaft?

Soweit die Hoffnung. Die AutorInnen haben 835 relevante Studien zum Thema Entkopplung von Wirtschaftswachstum, Energie, Materialverbrauch und Treibhausgasemissionen in verschiedenen Ländern und Regionen für verschiedene Zeiträume ausgewertet.

Dabei zeigt sich deutlich, was in der Wirklichkeit passiert ist:

  1. Energiekonsum und Materialverbrauch haben sich bestenfalls relativ oder aber auch gar nicht vom Wirtschaftswachstum entkoppelt.
  2. Der Ausstoß von Treibhausgasen hat sich oft relativ aber nur in seltenen Fällen absolut vom Wirtschaftswachstum entkoppelt. Und sogar die Fälle von absoluter Entkopplung waren bis jetzt nicht stark genug, um die Klimaziele zu erreichen.

Wichtig ist auch, welche Werte man sich dabei ansieht. Werden Autos im Ausland produziert und nach Österreich importiert, dann wird ein bedeutender Teil der Ressourcen nicht in den “österreichischen Materialverbrauch” mit eingerechnet. Etwa die fossilen Energieträger, die bei der Produktion verbraucht werden. In der Berechnung des „materiellen Fußabdrucks“ wird hingegen versucht, das mitzudenken.

Die Ergebnisse der Statistik könnten nicht unterschiedlicher sein: Der „österreichische Materialverbrauch“ hat sich zwar leicht reduziert, der näher an der Wahrheit liegende „materielle Fußabdruck“ ist aber teilweise sogar stärker als die Wirtschaft gewachsen. Wir verbrauchen also weiterhin immer mehr, aber lagern die Folgen dafür in andere Länder aus.

Alte Rezepte oder neuer Weg?

Die Strategie vom “Grünen Wachstum” sagt, dass Wirtschaftswachstum mit Umweltschutz vereinbar ist. Viele internationale Organisationen wie die OECD, die Weltbank oder die UNO verfolgen sie deshalb. Auch der österreichische Bundeskanzler bekannte sich im heurigen Weltwirtschaftsforum in Davos zu dieser Idee. Die bisherige Forschung zeigt jedoch eindeutig: eine genügend starke absolute Entkopplung von Wirtschaftswachstum, Ressourcenverbrauch und Emissionen hat es bis heute in den westlichen Industrieländern nicht gegeben.

Das heißt nicht, dass es diese Entkopplung in der Zukunft nicht geben könnte. Schließlich ist Umweltschutz erst seit kurzer Zeit wieder mehr im Gespräch und die Auswirkungen der Klimakrise werden immer deutlicher. Doch gleichzeitig rennt uns die Zeit davon: bis 2050 müssen die Emissionen weltweit auf Null sinken, um das 1.5 Grad Ziel zu erreichen. Auch die EU und Österreich müssen dazu einen Beitrag leisten. Wenn alte Rezepte also nicht funktionieren, warum nicht neue Wege einschlagen?

Es gibt keine Blaupause für einen Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Produktionsweise ohne fortlaufendes Wirtschaftswachstum. Aber es sind bereits viele Ideen im Umlauf die zu einer nachhaltigen, sozial gerechten und wirtschaftlich stabilen Gesellschaft beitragen können. Das beginnt mit der Umverteilung von Arbeit, Freizeit und Wohlstand, Arbeitszeitverkürzungen, einem Verbot von Kohlenutzung oder auch der Schaffung von neuen Infrastrukturen (z.B. öffentlicher Verkehr, Ausbau von Rad- und Gehwegen), der Gründung einer europäischen Aufsichtsagentur für Handelswaren oder neuen Institutionen die soziale Sicherheit schaffen. Und geht bis zu einer Orientierung der Wirtschaft an neuen Messwerten: etwa einer breiten Palette von Wohlstandsindikatoren.

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