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Anna-Laura Kummer über faire Mode: "Das nachhaltigste Kleidungsstück befindet sich bereits im Kleiderschrank"

"Faire Mode" will eine Lösung für die vielen Probleme der Industrie sein. Anna Laura Kummer will damit auch unternehmerischen Erfolg haben. Geht das?

Kürzlich war die “Fashion Revolution Week”. Zahlreiche Aktivisten und Mode-Interessierte fragten dabei die großen Ketten: „Wer macht eigentliche meine Kleidung?“ Denn vieles, was Zara, H&M und Co tun, ist für unseren Planeten alles andere als positiv. Viele Ketten produzieren in Ländern, wo sie Arbeitskräfte nicht fair bezahlen und kaum auf die Umwelt achten müssen.

Als Alternative etabliert sich “faire Mode”. Sogenannte “Fair Fashion”-Labels wollen das Klima schonen und sich aktiv dafür einsetzen, dass die Arbeit an den Kleidungsstücken entsprechend entlohnt wird. 

Eine die sich bestens damit auskennt, ist Anna-Laura Kummer. Die Österreicherin ist Gründerin von The Slow Label und YouTuberin. Auf ihrem Kanal nimmt sie ihre Zuschauer mit durch ihren Alltag und nutzt ihre Reichweite, um auf einen bewussten und nachhaltigen Lebensstil aufmerksam zu machen. Wir haben mit Anna über die “Fair Fashion”-Bewegung gesprochen.

MOMENT: Was bedeutet es, wenn Mode “fair” ist?

Anna-Laura Kummer: Zur “Fair Fashion” gehören drei Bereiche: nachhaltige Materialien, eine faire und nachhaltige Produktion und ein nachhaltiges Wirtschaften. Anstelle vieler sich immer wechselnder Kollektionen legen faire Modeunternehmen Wert auf die Langlebigkeit ihrer Kleidung. Das gilt sowohl für die Qualität als auch für das Design. Es ist außerdem das Ziel, Kleidung zu entwerfen, die am Ende ihres Lebens kaum Spuren hinterlässt.

Worin besteht der Unterschied zur gängigen Mode, oft auch “Fast Fashion” genannt?

Fast Fashion ist intransparent: Die Lieferkette ist kaum rückverfolgbar. Zum Teil wissen große Modehäuser nicht einmal, woher der Stoff kommt. Es wird wenig Wert auf die Nachhaltigkeit der Stoffe gelegt und die Produktionsbedingungen in den Fabriken sind so menschenunwürdig, dass sie zu so schrecklichen Ereignissen wie dem Gebäudeeinsturz Rana Plaza führen können. (Anm. der Redaktion: das war Einsturz eines Textil-Fabriksgebäudes 2013 in Bangladesch, dem über 3500 Menschen zum Opfer fielen)
 

Woran erkenne ich faire Mode? Viele große Modeketten werben ja mit einzelnen Kollektionen, die fair sind.

Mit „Sustainable Collections“ wird dem Kunden eine praktische, günstige und schöne Lösung auf dem Silbertablett serviert. Aber man kann sich kein gutes Gewissen erkaufen. Ja, H&M und Co. verwenden teilweise zertifizierte Bio-Baumwolle. Aber macht sie das automatisch zu einem nachhaltigen Unternehmen? Nein. Tatsächliche Fair Fashion Labels sind in allen Aspekten und Kollektionen nachhaltig, nicht nur in einem. Leider kann man sich auch nicht immer nur auf Gütesiegel verlassen. Viele kleine Labels haben beispielsweise (noch) kein Siegel, obwohl sie eigentlich alles richtig machen. 

Was hat dich dazu bewegt dein Label zu gründen? 

Als ich zu einem bewussteren Lebensstil wechselte, fiel es mir wirklich schwer, Kleidung zu finden, die alle Kriterien erfüllte. Einige Marken arbeiten mit synthetischen Fasern, andere geben ihre Lieferkette nicht bekannt, wieder andere verwenden nachhaltige Materialien, produzieren aber unter schlechten Bedingungen. Natürlich kann man nicht alles haben, kein Label ist 100% perfekt. Aber ich wollte daran arbeiten, ein Modelabel zu erstellen, das alle für mich wichtigen Kriterien erfüllt. Mit “The Slow Label” – daher der Name – möchte ich die Modebranche bremsen, den “Fast Fashion”-Wahnsinn boykottieren und mehr Momentum für nachhaltige Herstellungsprozesse schaffen.

Wie schwierig ist es eine nachhaltige, faire Produktionsmöglichkeit zu finden? 

Das ist in meinen Augen die größte Herausforderung. Es gibt ein paar Webseiten, auf denen man sich anmelden und Produzenten finden kann. Aber es ist wirklich nicht so leicht. Ich bin durch Zufall auf meinen Produzenten in Deutschland gestoßen und es hat auf Anhieb gepasst. Es ist ein sehr kleiner Betrieb, lichtdurchflutet, genug Platz, talentierte Näher und das Beste: Sie teilen meine Begeisterung für Nachhaltigkeit. Gemeinsam feilen wir an der kommenden Kollektion und finden nachhaltige Alternativen für Stoffe und diverse Zutaten.

Was ist dir an Materialien wichtig?

Die kommende Kollektion besteht zum Großteil aus Lyocellfasern, die in Österreich sehr umweltschonend hergestellt werden. Mir ist wichtig, dass die Stoffe, mit denen wir arbeiten, einen geringen ökologischen Fußabdruck haben – wir verwenden keine Stoffe aus Polyester und versuchen den Einsatz von Elastan zu vermeiden, auch wenn das oft nicht möglich ist. Die Stoffe werden in Spanien in einem nachhaltigen Betrieb hergestellt. Für die kommende Kollektion verwenden wir außerdem Gummibänder von einem österreichischen Hersteller aus Naturkautschuk und Bio-Baumwolle.

Wie bewertest du große Abverkäufe am Ende einer Saison?

In vielen Fällen sind das Marketingstrategien. Ich bin gegen weltweite Sale-Aktionen wie den “Black Friday”, die Menschen zu noch mehr Konsum anregen. Daher machen wir bei derartigen Aktionen nicht mit. Allerdings ist es auch eine Möglichkeit, überschüssigen und falsch kalkulierten Vorrat loszuwerden. Deshalb haben wir uns kürzlich überwunden und tatsächlich zum ersten Mal einen Abverkauf gestartet. Wir verkaufen aktuell ein paar unserer Produkte um 10 bis 20% günstiger, weil wir von der alten Kollektionen noch ein paar Teile in L und XL übrig haben. 

Hast du einen Tipp bzw. eine Alternative für Menschen, die ihre Kleidung umstellen möchten, aber noch nicht so viel Geld für Fair Fashion ausgeben können oder möchten?

Behalte die Kleidung, die du momentan hast und die dir gefällt. Wenn etwas kaputt ist, dann repariere es. Solltest du wirklich etwas Neues brauchen, nimm dir etwas Zeit für die Suche und gehe zuerst mal in einen Second-Hand Store. Wenn du dort nicht fündig wirst, dann kaufe es eben von einem Fair Fashion-Label. Nachdem ich den Film „The True Cost“ gesehen hatte, war ich angewidert von den Fast Fashion-Teilen. Ich habe danach vieles in meinem Kleiderschrank aussortiert, das mir eigentlich noch gefallen hatte. Das habe ich dann durch teure Fair Fashion-Teile ersetzt. Doch genau da liegt das Problem: Das nachhaltigste Kleidungsstück ist das, das sich bereits in unserem Kleiderschrank befindet.

 

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