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Klimakrise

Warum Österreich nicht zu klein ist, um das Klima zu retten

Klima-Ausrede: Länder wie Österreich tun gern so, als wären sie zu klein, um das Klima zu schützen Foto: Susanne Jutzeler / Pexels
In der Serie “Die Klima-Verkleber” entkräftet Lukas Bayer die beliebtesten Ausreden, mit denen Klimaschutz verzögert wird. Fast alle Länder reden ihre Verantwortung klein und sich auf andere raus, die angeblich schlimmer sind. Aber: kein Land allein könnte das Weltklima retten. Und viele Maßnahmen wären auch ohne Klimakrise sinnvoll.

Es ist ein Montagabend im Jänner. In der ZIB2 diskutiert ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm mit einer Klimaaktivistin. Österreich sei für nur 0,2 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich, sagt Plakolm, China dagegen für 30 Prozent. Dasselbe wiederholt sie in einigen Interviews und in einer Presseaussendung, die mehrere Medien zitieren, als Plakolm Kipferl an Autofahrer:innen im Frühverkehr verteilte.

Plakolm bleibt mit ihrer Aussage nicht allein. ÖVP-Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager, Bundeskanzler Karl Nehammer, FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer – sie und viele andere sagen in den letzten Monaten in etwa dasselbe: Österreich ist zu klein. Solange China und Indien nichts machen, warum sollten wir?

Diese Platte spielen Klimaschutz-Bremser:innen rund um die Welt rauf und runter. “Wenn nur wir uns ändern, hilft das gar nichts.” Sogar die republikanische Partei in den USA – dem Land mit dem historisch höchsten CO2-Ausstoß – redet sich damit gerne auf andere heraus. Folgt man der Logik, wird einfach nie jemand genug gegen die Klimakrise tun und unsere Welt als gut bewohnbarer Lebensraum für Menschen weitgehend zerstört.

Wir haben Fakten für drei gewichtige Argumente gegen diese Klima-Ausrede gesammelt.

#1 Kein Land allein kann das Weltklima retten

Das stimmt – allerdings behauptet auch niemand das Gegenteil. Österreich ist wirklich nur für 0,2 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Aber mehr als 180 Länder sind jeweils für weniger als 1 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich – 100 davon für weniger als Österreich. Alle Länder könnten sich auf ihre Größe herausreden. Und viele versuchen das auch.

Damit das nicht jeden Fortschritt aufhält, haben sich 2015 auf der Pariser Klimakonferenz 197 Staaten (also praktisch alle) darauf geeinigt, die Erderhitzung auf deutlich unter 2 Grad und bestenfalls 1,5 Grad zu begrenzen. Um das zu zu schaffen und unseren Wohlstand zu erhalten, braucht es viele große und kleine Maßnahmen.

Allerdings macht bisher kein Land genug, um das Pariser Abkommen einzuhalten. In einem Klimaschutzranking der NGO Germanwatch werden deshalb die ersten drei Plätze frei gelassen. Österreich liegt hier auf Platz 32, weit hinter Deutschland (Platz 16), dem EU-Schnitt (Platz 19) oder auch Indien (Platz 8). Am besten schneidet Dänemark ab. Das Land hat einen der höchsten Lebensstandards weltweit – höher als Österreich. Es tut zwar ebenfalls nicht genug, aber eine Person in Dänemark verursacht durchschnittlich 2 Tonnen CO2 weniger als hierzulande.

 

#2 Eine Chinesin ist für weniger CO2 verantwortlich als ein Österreicher

Österreich ist direkt nur für 0,2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, weil hier wenig Menschen leben. Es bedeutet aber, dass jede:r von uns etwa doppelt so viel CO2-Ausstoß verantwortet als der weltweite Durchschnittsmensch. Und nicht zu vergessen: schon dieser Durchschnitt ist zu viel.

Auf die einzelne Person umgerechnet stößt zum Beispiel jemand im oft als besonderes Problem dargestellten China sogar weniger CO2 aus, als jemand in Österreich: Wenn man berücksichtigt, für wessen Konsum die Produkte irgendwo auf der Welt hergestellt werden, verursacht ein Mensch in China im Schnitt 7 Tonnen Treibhausgase – gegenüber 9 Tonnen in Österreich. Dass unser Handy billig in China hergestellt wird, macht unser Leben ja nicht klimafreundlicher. Als nachhaltig gelten Werte unter höchstens 2 Tonnen pro Person.

Österreich ist kein nachhaltiges Land, das sich von Maßnahmen freisprechen kann, nur weil es klein ist. Das sieht man, wenn man es auch als Mitglied der EU betrachtet. Diese ist gemeinsam historisch gesehen für 22 Prozent aller jemals von Menschen verursachten CO2-Emissionen verantwortlich. China für 13 Prozent, obwohl es viel größer ist.

Als EU-Mitglied ist Österreich vertraglich verpflichtet, seine CO2-Emissionen bis 2030 auf die Hälfte von 2005 zu senken. Mit den aktuellen Maßnahmen würden wir daran aber “krachend scheitern”, wie der Standard im April titelte. Das wird auch teuer: Es drohen Strafzahlungen von 9,2 Milliarden Euro.

Währenddessen boomt in China der Erneuerbaren-Ausbau. Letztes Jahr wurde fast so viel Solarenergie neu installiert wie im Rest der Welt zusammen. Mehr dazu erfährst du in diesem Artikel.

#3 Viele Maßnahmen wären selbst ohne Klimakrise sinnvoll

4 von 5 Klimaschutzmaßnahmen, die wir als Konsument:innen treffen können, würden unmittelbar unsere Lebensqualität steigern. Das zeigt eine Studie, an der unter anderem IIASA-Nachhaltigkeitsforscher Arnulf Grübler mitgeschrieben hat. Darunter: weniger Lebensmittel verschwenden, Gebäude thermisch sanieren oder vom Auto auf Fahrrad und Öffis umsteigen.

Damit könnten mehr als 60 Prozent der weltweiten Emissionen eingespart werden. Die anderen 40 Prozent müssten über Maßnahmen vonseiten der Politik und Wirtschaft erfolgen – beispielsweise mehr Erneuerbare, Öffi-Ausbau und eine Radinfrastruktur wie in Dänemark.

Nur 3 Prozent der Maßnahmen hätten negative Auswirkungen. Etwa, wenn in der Kohleindustrie Arbeitsplätze verloren gehen. Gleichzeitig entstehen aber neue Jobs. Expert:innen rechnen für Österreich mit bis zu 100.000 zusätzlich benötigten Umweltfachkräften bis 2030.

Warum ist es so verlockend, sich auf andere herauszureden?

“Wir rechtfertigen damit den klimaschädlichen Status-Quo, um weiterzumachen wie bisher”, erklärt Psychologe Thomas Brudermann von der Universität Graz. Denn Veränderungen scheuen wir grundsätzlich – auch wenn viele sinnvoll wären.

Hinzu komme die sogenannte Umweltweitsichtigkeit. Wir empfinden Umweltprobleme anderswo schlimmer als bei uns: “Kohlekraftwerke in China – sehr schlimm. Autolawine, Bodenversiegelung, Biodiversitätsverlust hierzulande – nicht so schlimm”, sagt der Experte.

Stattdessen solltest du dich lieber auf Maßnahmen konzentrieren, die wirksam sind und selbst ohne Klimakrise sinnvoll wären. Es hilft auch, mit anderen darüber zu sprechen, sich zusammenzutun und so Druck auf die Politik zu erzeugen.

Schwierigkeitsgrad und Wirksamkeit klimafreundlicher Entscheidungen

Wie wirksam sind welche Maßnahmen gegen die Klimakrise? Bild: Thomas Brudermann, Lizenz: CC-BY-ND

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