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Demokratie
Ungleichheit

Keine Staatsbürgerschaft und kein Wahlrecht: “Man sieht durchs Fenster zu, wie andere bestimmen.”

Adrian* ist in Österreich aufgewachsen. Weil er in Rumänien geboren wurde, darf er in Wien nicht mitbestimmen. Er hat nämlich keine österreichische Staatsbürgerschaft. Muss das so sein?

Ich habe mit 20 nun endlich die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt. Ich studiere Jus und werde sie künftig brauchen. Außerdem will ich endlich wählen dürfen. Also, ich dürfte schon wählen. In Rumänien. Aber dort lebe ich nicht. Ich kenne mich mit der rumänischen Politik auch nicht aus. Mit der österreichischen schon. Doch die darf ich nicht mitbestimmen.

“Man sieht durchs Fenster zu, wie andere bestimmen”

Ich habe die österreichische Staatsbürgerschaft bisher nicht wirklich gebraucht. Als EU-Bürger bin ich legal mehr oder weniger gleichgestellt. Bis auf das Wahlrecht. Es ist so frustrierend zu wissen, dass man Teil der Gesellschaft ist und dennoch ausgeschlossen wird. Wie als würde ich anderen durch ein Fenster dabei zusehen, wie sie mitbestimmen dürfen und ich darf nicht mitmachen.

Für mich wäre die österreichische Staatsbürgerschaft die Kirsche auf der Torte und etwas Symbolisches. Nicht, dass ich dann aufgrund meiner Herkunft nicht mehr diskriminiert werden würde. Aber ich hätte das Gefühl, mein Integrationsprozess wäre abgeschlossen. Zumindest auf dem Papier.

Doppelte Identität, aber nur eine Staatsbürgerschaft

Ich fühle mich als Migrant klassisch “hier und dort”. Ich habe in Rumänien Familie, habe mir aber in Österreich unter großen Anstrengungen ein Leben aufgebaut. Es fällt mir schwer, auf ein Land zu zeigen und zu sagen, da gehöre ich hin und da nicht. Österreich verlangt das aber von mir.

Ich finde es lächerlich im Jahre 2022, wo Migration und mehrfache Identitäten gang und gäbe sind, auf einer einzigen Staatsbürgerschaft zu verharren. Das muss nicht so sein. Ich schiele neidisch auf andere Länder, die da nicht so streng sind und doppelte Staatsbürgerschaften erlauben.

Ich gebe also einen Teil meiner Identität ab und tausche ihn fürs Wahlrecht ein. Ein Tausch, der nicht notwendig wäre, gäbe es die doppelte Staatsbürgerschaft. Oder noch besser: Warum darf ich nicht einfach dort wählen, wo ich zuhause bin? Zugehörigkeit zu einem Land ist so subjektiv. Aber mein Wohnsitz ist klar: Ich lebe in Österreich und sollte hier mitbestimmen dürfen. Sonst redet man ewig über mich und nicht mit mir.

Endlich mitbestimmen dürfen

Da ich auf meine Staatsbürgerschaft nun mindestens ein Jahr warten muss, geht sich die Präsidentschaftswahl nicht mehr aus. Bisher durfte ich nur an Gemeindewahlen teilnehmen, Volksbegehren oder Initiativen darf ich leider nicht unterschreiben. Hoffentlich klappt es bis zur Nationalratswahl, die halte ich für am wichtigsten. Ich kann’s kaum erwarten: endlich mitbestimmen, endlich Einfluss haben.

 


In Österreich wird die Staatsbürgerschaft nach Abstammungsland der Eltern verliehen und nicht nach Geburtsort. Über eine Million Menschen dürfen derzeit aufgrund der Staatsbürgerschaft nicht wählen, obwohl sie in Österreich leben und teilweise sogar hier geboren sind. Tendenz steigend.

Die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen kostet Zeit und Geld und ist an viele Kriterien gebunden.

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