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Arbeitswelt
Ungleichheit

“Diese Arbeit hältst du auf Dauer nicht aus.” Warum ein ehemaliger Kellner nie wieder zurück will.

Kellner serviert einen Salat.
Viel Arbeit, wenig Lohn: Bei uns erzählt Robin, warum er nicht mehr als Kellner arbeiten will
Fünfzig Stunden die Woche hart arbeiten für ein mieses Gehalt. Nebenbei blöde Sprüche hören und sexuelle Belästigung erfahren. Robin (26) wollte eigentlich nie Kellner werden. Seine Erfahrungen haben ihn darin bestätigt.

Eigentlich wollte ich Konditor werden, dafür gab es aber keine Lehrstelle. So bin ich in die Systemgastronomie gekommen. Dort habe ich eine Ausbildung als Koch und Kellner gemacht. Ich sollte hauptsächlich in der Küche arbeiten, das war okay für mich.

Nach ungefähr einem Jahr wurde ich aber gegen meinen Willen in den Service gebracht. Mir hat man gesagt, dass es eine Verschwendung wäre, wenn ich in der Küche bliebe, weil ich so nett sei. Aus diesem Servicerad bin ich dann nicht mehr herausgekommen.

Am Anfang war das halbwegs in Ordnung. Zu Beginn meines dritten Lehrjahres wurde es aber schwierig. Da hat der Filialleiter gekündigt, ich musste den Laden schmeißen. Mitarbeiter sind gegangen, neue bekamen wir keine. Ich war jeden Tag von neun in der Früh bis neun am Abend in der Arbeit. Am Sonntag hatten wir eigentlich zu, aber ich musste trotzdem administrative Dinge erledigen. Für das alles habe ich ein Lehrlingsgehalt plus 100 Euro bekommen.

Nach der Lehre bin ich von dort weg. Im Nachhinein habe ich mir gedacht: Im Vergleich zu dem, was danach gekommen ist, war es dort eigentlich ziemlich nett.

Was danach kam, war noch viel schlimmer

Ich habe dann bei einem 5-Sterne-Hotel als Kellner begonnen. Das war eigentlich nicht mein Wunsch, ich wollte in einer Küche arbeiten. Aber ich wurde vom AMS reingesteckt.

In dem Hotel hat von vorne bis hinten nichts gepasst.

Ich habe dort 50 Stunden in der Woche gearbeitet und bin dabei täglich bis zu 20 Kilometer gelaufen. Die Dienste gingen von Mittag bis 10 Uhr am Abend. Ein typischer Tag hat mit dem Mittagsbuffet begonnen. Am Nachmittag gab es Kaffee und Kuchen, dann musste in einer halben Stunde alles schnell abgeräumt und für das Abendessen vorbereitet werden. Nach 30 Minuten Pause kamen dann auch schon wieder die ersten Gäste. Das Abendessen ging bis zehn, manchmal kam ich erst um halb elf raus. Ruhephasen gab es abseits der Pause keine, ich war eigentlich immer auf Achse.

Sexuelle Belästigung ist völlig normal

Zu den ohnehin schon schwierigen Arbeitsbedingungen kam die sexuelle Belästigung hinzu. Die ist regelmäßig vorgefallen. Das kam von Gästen, aber auch einem Mitarbeiter. Der war allgemein recht schwierig, aber Konsequenzen gab es für ihn nie. Man hat das alles halt hingenommen. Genauso bei den Gästen. Das wurde generell von einem erwartet. Gesprochen wurde darüber selten. Manchmal haben sich Mitarbeiterinnen darüber ausgetauscht.

Ich hab mir zusätzlich von Mitarbeitern und Gästen immer wieder blöde Kommentare anhören müssen. Ich bin ein trans Mann und war deswegen in Männeruniform unterwegs. Ältere Herren haben mir immer wieder an den Hintern gegriffen, weil sie das nicht verstehen wollten. Und den ganzen Tag fielen so Sprüche wie: “Warum hat denn das nette Dirndl kein Kleid an?” 

Wer zu lieb ist, wird gekündigt

Für mich war die ganze Situation noch etwas schwieriger, weil ich zum ersten Mal in der klassischen Gastronomie gearbeitet habe. Mein Vorgesetzter war da sehr verständnisvoll. Aber der wurde dann gekündigt. Er war in den Augen des Managements zu lieb. Dass zu sehr auf das Personal geachtet wird, war nicht gewollt. Seine Nachfolgerin hat dann zu keinen Forderungen von oben nein gesagt. Die hat dann auch Dinge von mir erwartet, für die ich eigentlich nicht zuständig war.

Bekommen habe ich für die 50 Stunden pro Woche etwas über 1.400 Euro netto im Monat. Ich habe zwischendurch die Lehrabschlussprüfung gemacht, die hat das Hotel vergessen anzurechnen. Erst als ich gekündigt habe, sind sie draufgekommen und haben mir den fehlenden Betrag gezahlt. In einem halben Jahr habe ich insgesamt noch 50 Euro Trinkgeld bekommen.

Auf Dauer hält das niemand aus

Die Arbeitszeiten und das Gehalt sind auf jeden Fall völlig normal für die Gastro. So lange zu arbeiten, hältst du auf Dauer aber nicht aus. Mir sind oft 40 Stunden oft schon zu viel geworden. Selbst 30 Stunden sind manchmal schwer zu ertragen.

Ich habe das große Glück, dass wir eine Eigentumswohnung haben. Wenn ich Miete zahlen müsste, könnte ich mir gar nichts mehr leisten. Denn es ist auch so mit dem Geld immer wieder knapp geworden.

Jetzt arbeite ich in einem anderen Bereich. Dort habe ich bessere Arbeitszeiten und viel mehr geregelte Freizeit. Von der Gastro bleibe ich weit weg.
 

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