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Gesundheit

Kinderhospiz für schwer kranke Kinder: "Ohne Spenden wäre es nicht möglich"

Insgesamt leben in Österreich rund 5.000 schwer kranke Kinder und Jugendliche, die gepflegt oder medizinisch intensiv betreut werden müssen. Viele bräuchten ein Kinderhospiz. Bei der öffentlichen Versorgung gibt es jedoch enorme Lücken. MOMENT hat mit betroffenen Familien und AktivistInnen gesprochen.
Danijela Marinkovic ist sechs Jahre alt und kann nicht sprechen. Sie kann auch nicht gehen, nicht einmal alleine essen. Sie muss vier bis fünfmal am Tag über eine Magensonde ernährt werden. Aber Danijela kann lachen. Und das tut sie vor allem, wenn sie ihren älteren Bruder Danijel sieht, der gerne Grimassen für die kleine Schwester zieht, oder sie kitzelt. 

Danijela leidet an einer seltenen genetischen Krankheit. Alleine bis zur Diagnose hat es drei Jahre gebraucht. “Bis heute kann mir niemand sagen, welche Lebenserwartung meine Tochter hat. Wir feiern daher jeden Geburtstag groß und es gab auch ein Fest an dem Tag, an dem Gleichaltrige den ersten Schultag hatten. Denn es tut mir im Herzen weh, dass sie nie eine Klasse besuchen wird”, erzählt uns Danijelas Mutter Ivana.

Schwer kranke Kinder: Wenn Eltern plötzlich zu KrankenpflegerInnen werden

Ivana verbringt die Nacht bei Danijela und lässt sie auch unter Tags nie aus den Augen. In ihren ersten Lebensjahren hatte das Mädchen viele Anfälle. “Vor allem beim Baden. Deshalb mache ich das nicht selbst, sondern die Krankenschwestern, die uns regelmäßig besuchen. Ich habe außerdem einen Bandscheibenvorfall und kann Danijela nicht mehr so viel heben und tragen wie früher”, erklärt Ivana. 

Die mobilen KinderkrankenpflegerInnen werden über den Verein MOKI vermittelt, der den Familien nur einen Selbstkostenbeitrag von 7 Euro pro Stunde verrechnet. Sonst wären es über 50 Euro.

Finanziell schwer belastet trotz Pflegegeld

In Summe läppern sich aber die Kosten für Danijelas Pflege zusammen – alleine die Medikamente machen mehrere Hundert Euro im Monat aus. Das Mädchen ist in der höchsten Pflegestufe eingestuft. In dieser Stufe unterstützt der Staat Betroffene mit 1.745 Euro im Monat. Der Vater hat einen Vollzeitjob und Ivana bekommt Arbeitslosengeld – die Suche nach Arbeit scheint sogar in Teilzeit aussichtslos. Danijelas Betreuung frisst zu viel Zeit und Kraft. 

Trotz all dieser Einkommen gerät die Familie manchmal in Geldnöte. Denn die Krankenkasse bezahlt viele Leistungen nicht. Wie etwa das Pflegebett, das über 3.000 Euro kostet. “Dieses Bett haben wir ebenfalls gespendet bekommen, den Kontakt hat der Verein Kinderhospiz Netz vermittelt. Ohne Spenden wäre es nicht möglich”, erklärt Ivana.

Die teuren Krankentransporte für Danijela werden teilweise vom Roten Kreuz durch Spenden finanziert. Die Familie hat kein eigenes Auto und das Mädchen kann nur mit einem Spezialfahrzeug transportiert werden. “Ich und mein Mann haben beide keinen Führerschein. Aber wenn wir einen hätten, könnten wir uns ein Auto sowieso nicht leisten und müssten wiederum auf eine Spende hoffen”, meint die Mutter. 

Da viele Familien mit pflegebedürftigen Kindern vor diesem Problem stehen, verschenkt und repariert übrigens der pensionierte Automechaniker Hans Eidenhammer Fahrzeuge, die er selbst gespendet bekommt.

Schwer kranke Kinder sind von Vereinen und privaten Spenden abhängig

Tatsächlich wird die Betreuung von schwer kranken Kindern in Österreich großteils durch Ehrenamtliche und Vereine ermöglicht. Einige davon bekommen nicht einmal eine staatliche Förderung und müssen sich komplett mit Spendengelder finanzieren. So wie etwa das  Kinderhospiz Netz, Wiens erstes mobiles Kinderhospiz und Tageshospiz. Es wurde von einer Palliativmedizinerin und Sabine Reisinger gegründet, selbst eine betroffene Mutter.

Das Kinderhospiz Netz bietet eine umfassende medizinische, pflegerische und  psychosoziale Versorgung der Familien: SozialarbeiterInnen helfen bei Anträgen und behördlichen Schwierigkeiten, auch um den Alltag und die Geschwisterkinder kümmern sich Ehrenamtliche. Familie Marinkovic bekommt etwa regelmäßig Besuch von einer Lehrerin, die mit Danijel lernt, nachdem Mutter Ivana nun in der Corona-Krise auch noch das Homeschooling des Sohnes übernehmen musste. Der Verein bietet aber auch ein Tageshospiz, in das Danijela einmal die Woche gebracht wird – und manchmal kann sie sogar ein Wochenende bleiben. “Dann kann ich mich endlich einmal erholen, wichtige Dinge erledigen und habe auch Zeit für Danijel, der sonst zu kurz kommt”, erzählt Ivana.

 

Obwohl das Kinderhospiz Netz eine so wichtige Arbeit leistet, wurde eine Förderung vom Fonds Soziales Wien abgelehnt, berichtet Sabine Reisinger: “Wir wollten zumindest die Kosten für die soziale Arbeit gefördert bekommen. Doch da unser Verein eben auch medizinische Versorgung bietet, wurden wir gleich insgesamt abgelehnt, da dafür dieser Fonds nicht zuständig ist.” 

Dies bestätigt der Fonds Soziales Wien MOMENT gegenüber. Sehr wohl sei erkannt worden, dass es sich hier um eine wichtige Einrichtung handelt, eine Förderung sei rechtlich jedoch einfach nicht möglich. Gefördert werden aber vier andere Vereine, die in diesem Bereich tätig sind.

Rund 5.000 schwer kranke Kinder und Jugendliche in Österreich

Die Arbeit der Vereine wird in den vergangenen Jahren immer öfter in Anspruch genommen. Genaue Zahlen über Kinder und Jugendliche, die so eine Hilfe benötigen, gibt es aber nicht. In Österreich leben laut Schätzungen rund 5.000 Kinder und Jugendliche mit lebensbegrenzenden Krankheiten, wobei der Pflegeaufwand variiert und manche, wie etwa krebskranke Kinder, durchaus geheilt werden können. 

Stationäre Kinderhospize fehlen

Während Erwachsene in der Regel ein Hospiz an ihrem Lebensende benötigen und im Durchschnitt nur 18 Tage darin verbringen, benötigen Kinder wie Danijela jahrelang intensive Pflege.

Seit Jahren werden stationäre Kinderhospize in Österreich gefordert, die die gesamte Familie aufnehmen und Entlastung und professionelle Unterstützung bieten. Ein Expertenpapier aus dem Jahr 2013 kam zu dem Ergebnis, dass es zwei bis drei solcher Einrichtungen österreichweit bräuchte. Derzeit gibt es hier aber nur den Sterntalerhof, eine Einrichtung mit psychosozialer Ausrichtung, der ebenfalls rein mit Spenden finanziert wird und der drei Familien beherbergen kann, und einen Kinderhospizplatz in einer betreuten Wohngemeinschaft.

Auch zu wenige mobile Palliativteams für Kinder

Die palliative Versorgung ist nämlich Ländersache, die deshalb regional stark variiert. In Vorarlberg gibt es etwa noch kein mobiles Palliativteam, das Familien zu Hause besucht. Im Burgenland hat immerhin kürzlich ein solches Team seine Arbeit aufgenommen, das jedoch noch sehr klein ist und sich nicht um alle Familien kümmern kann, die Hilfe bräuchten. “Der Bedarf ist bestimmt in keinem Bundesland gedeckt, jedoch fehlen uns Studien und Zahlen um hier konkrete Bedingungen stellen zu können”, so Claudia Nemeth vom Dachverband Hospiz Österreich.

Statt staatlicher Hilfe erleben Eltern oft behördliche Schikanen

Irene Promussas’ Tochter Stella leidet ebenfalls unter einer seltenen Krankheit, die sehr teure Medikamente benötigt. Als Stella auf die Welt kam, konnten die Ärzte ihr auch keine Prognose oder Lebenserwartung nennen. Mittlerweile hat sie maturiert und beginnt nun ein Studium.

Mutter Irene musste aber immer wieder betteln und kämpfen, um diese lebensnotwendigen Medikamente zu bekommen, sagt sie: “Ein- bis zweimal im Jahr muss ein Chefarzt diese genehmigen. Und manche befassen sich einfach nicht damit und lehnen sie zunächst einfach ab.” 

 
Irene Promussas und ihre Tochter Stella

Irene Promussas und ihre Tochter Stella.

Irene Promussas

Die Apothekerin hat deshalb den Verein Lobby4Kids gegründet, der Familien bei genau solchen Problemen hilft. In ihren Augen fühlen sich viele Behörden und Förderstellen für sie nicht zuständig. “Ich hab nicht nur einmal erlebt, dass Kinder aus den angefertigten Prothesen oder Spezialrollstühlen schon wieder rausgewachsen waren, als sie endlich geliefert wurden, weil die Genehmigung sich so gezogen hat”, so Promussas. Sie wünscht sich eine einzige behördliche Anlaufstelle für die Anliegen von schwer kranken Kindern. 

Corona-Krise setzt betroffenen Familien und Vereinen zu

Bund und Länder haben offenbar noch einige Lücken zu schließen. Die viele Vereine, die sie derzeit stopfen, stehen jährlich vor dem finanziellen Abgrund: “Es braucht endlich eine Regelfinanzierung. Förderungen werden oft nur jährlich vergeben werden. Das gibt den Vereinen auch keine Planbarkeit”, fordert Claudia Nemeth. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, in dieser Legislaturperiode die Finanzierung der Hospiz- und Palliativversorgung „auf sichere Beine zu stellen“. Auch bei der Betreuung der Erwachsenen wäre nämlich viel zu tun.

Gerade in der Coronakrise stehen die privaten Initiativen zudem vor noch mehr finanziellen Hürden als sonst. Charity-Veranstaltungen besonders zu Weihnachten sind für ihre Budgets wichtig. Nun mussten sie ausfallen – und damit auch viele Spenden.
 

 

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