Zu schön, um wahr zu sein? Was hinter den Geschäften von "kitzVenture" steckt
Reich und erfolgreich werden? Kein Problem, Patrick Landrock hat das Erfolgsrezept: ”Wenn du im Leben etwas erreichen möchtest, dann setze dir Ziele und arbeite so lange daran, bis du Sie(sic) erreicht hast. UND: Gib dich nicht mit Verlieren(sic) ab, sondern nur mit Gewinnern!”. Das ist nur einer der vielen inspirierenden Texte, die auf dem Instagram-Account des gebürtigen Stuttgarters zu lesen sind. Das Bild dazu zeigt einen Porsche Panamera mit dem Logo seines Unternehmens kitzVenture. Eines von mehreren Luxusautos in seinem Fuhrpark.
In seiner Selbstdarstellung ist Landrock jedenfalls sehr erfolgreich. Doch der Lack an seinen Autos ist wohl dicker als der an seiner Erfolgsgeschichte. Kratzt man daran, offenbart sich eine Mischung aus Insolvenzen, Gerichtsverfahren und großspurigen Ankündigungen.
So absurd letztere oft anmuten mögen, sind sie noch das kleinste Problem in dieser Geschichte. 2016 brachte das Unternehmen ein Produkt auf den Markt, das laut Finanzmarktaufsicht und Verein für Konsumenteninformation damals zumindest unseriös war – ob es legal war, wird in einem laufenden Prozess geklärt. Gleichzeitig wirbt kitzVenture sehr offensiv in den Medien der “Österreich”-Gruppe. Darin wird wiederum auffallend positiv über das Unternehmen berichtet. So sehr, dass kitzVenture Presseaussendungen veröffentlicht, deren Inhalte fast ausschließlich aus Artikeln von oe24 bestehen.
Auch Landrock selbst kommt dabei sehr gut weg. Ihm wird etwa “untrügliches Gespür für Marktbedürfnisse und Unternehmertum” attestiert und er gilt als “eine der umstrittensten und erfolgreichsten Persönlichkeiten der vergangenen Jahre.” Trotz dieser Superlative ist Patrick Landrock eigentlich nur wenigen Menschen wirklich bekannt. Wer ist der Unternehmer, dem laut eigener Aussage bald die erfolgreichsten Unternehmen Österreichs gehören sollen?
Der Selfmade-Millionär hinter kitzVenture
Übertriebene Ankündigungen sind Patrick Landrock nicht fremd. 2007 gründete er gemeinsam mit zwei Partnern die Social-Media-Plattform “onsari”. In nur drei Monaten wollte man alleine in Deutschland auf 2 Millionen User:innen wachsen. Kurz darauf verkündete das Start-up ein Investment in Höhe von 6 Millionen Euro. Von wem das Geld genau kam, wurde nicht verraten. Eine Praxis, die in Landrocks Karriere noch öfter vorkommen wird.
Heute ist die Plattform eine Randnotiz der Internetgeschichte. Über ein paar tausend User:innen ist sie nie hinausgekommen. 2008 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Damit hatte Landrock bereits Erfahrung: 2006 wurde der Internetprovider “Getacom”, bei dem er mehrere Jahre Geschäftsführer war, zahlungsunfähig.
Ab 2008 folgt ein Loch in Landrocks Lebenslauf. Erst acht Jahre später taucht er in Kitzbühel wieder auf – diesmal als Selfmade-Millionär. Seinen Reichtum versteckt er nicht, im Gegenteil: Landrock ist ein begnadeter Selbstdarsteller. Auf Instagram teilt er regelmäßig Ausschnitte seines glamourösen Lebens mit 660.000 Follower:innen. Auf LinkedIn beschreibt sich Landrock als “Seriengründer und Investor”, der schon seit seiner Jugend Unternehmen berät und leitet. Auf beiden Plattformen teilt er regelmäßig Artikel über seine Person und sein Unternehmen. Hauptsächlich jene, die in der “Österreich” erschienen sind.
Woher kommt das Geld für kitzVenture?
Darüber, wie Landrock sein Vermögen aufgebaut hat, hüllt er sich in Schweigen. „Durch verschiedene direkte und indirekte Beteiligungen sowie anderweitige geschäftliche Aktivitäten“ habe er es so weit geschafft, so seine Antwort auf eine Anfrage. Seinen Reichtum habe er seiner Erfahrung mit Gründungen und Investments zu verdanken. Das dient Landrock bis heute als Werbung für kitzVenture.
Als er Ende März 2017 CEO des Unternehmens wird, hat er sich nicht den besten Zeitpunkt dafür ausgesucht. Kurz davor wurden vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) und der Finanzmarktaufsicht (FMA) mehrere Klagen gegen kitzVenture eingereicht. Die Vorwürfe: Irreführende Werbung, Verstöße gegen das Kapitalmarktrecht sowie Verdacht auf Untreue und Betrug. Weitere juristische Auseinandersetzungen sollten folgen. Ein kurzer Überblick:
Das Geschäftsmodell von kitzVenture: Zu schön, um wahr zu sein
2016 trat das Unternehmen erstmals öffentlich auf. Mit Werbekampagnen in mehreren Onlinemedien und im Fernsehen sollte Geld für ein Crowdinvestment gesammelt werden. Das beworbene Produkt klang verlockend: 9,75 Prozent Rendite pro Jahr wurde Kleinanleger:innen bereits ab einem Betrag von 250 Euro in Aussicht gestellt. Erreicht werden sollte das durch Investments in Start-ups, deren Potenzial kitzVenture vorher beurteilen und die Unternehmen dann mit aufbauen würde. Laut kitzVenture eine berechenbare, planbare und überschaubare Investition.
Was zu schön ist, um wahr zu sein, ist es meistens auch. Bereits im Februar 2017 fasste kitzVenture eine Geldstrafe durch die FMA wegen irreführender Werbung aus. Der Vorwurf: Die Risiken der Anlage wurden nicht ordnungsgemäß dargestellt. Denn wer kitzVenture Geld gab, beteiligte sich mit einem “qualifizierten Nachrangdarlehen” an den Start-ups. Das bedeutet: Beantragt eines der Unternehmen Insolvenz, bekommen alle anderen Gläubiger vorher ihr Geld zurück. Auch die Zinsen von 9,75 Prozent waren nicht so garantiert, wie es dargestellt wurde.
Hingewiesen wurde auf diese Punkte in der Werbung jedoch nicht, eine Geldstrafe von 60.000 Euro war die Folge. Auch der VKI klagte das Unternehmen deswegen, kitzVenture musste die Werbung stoppen.
kitzVenture und das Maskenbusiness
2020 mussten die Konsumentenschützer:innen wieder gegen das Unternehmen einschreiten, diesmal aus anderen Gründen: Zu Beginn der Corona-Krise hatte Landrock das Portal mundschutzmasken24.com gegründet und dort Masken und Desinfektionsmittel verkauft. Dass beide Produkte jedoch nur unzureichenden Schutz gegen Corona boten, wurde nicht erwähnt. Auch in diesem Fall verpflichtete sich kitzVenture zur umfassenden Unterlassung.
Doch Landrock arbeitet bekannterweise so lange, bis er seine Ziele erreicht. Und die erreichte er, trotz des unangenehmen Zwischenfalls mit dem VKI, nur zwei Tage nach der Unterlassungserklärung. Da verkündete er in einer Presseaussendung einen “Mega-Millionen-Exit in Kitzbühel”:
Über den Verkaufspreis wurde Stillschweigen vereinbart. Auch die Käufer:innen blieben im Dunklen, genannt werden ein deutsches Pharmaunternehmen und eine Schweizer Beteiligungsgesellschaft. Einzig die “Change Deutschland AG” – ein Portal für Damenunterwäsche – wurde namentlich angegeben. Auf eine Anfrage zu dem Kauf hat das Unternehmen nicht reagiert.
Die Seite mundschutzmasken24.com ist schon lange offline. Im März 2021 hat Landrock allerdings die Rechte an der deutschen Modemarke “Von Floerke” erworben. Das Angebot im Onlineshop besteht seitdem nicht mehr nur aus Socken und Fliegen. Man kann dort auch Antigentests und Masken kaufen. Und zwar genau die Marken, die man auch auf mundschutzmasken24 bekam. Zwischenzeitlich wurde dort sogar die begehrte Konsole Playstation 5 angeboten. Geliefert sollen sie laut einem Bericht jedoch kaum geworden sein, Kund:innen protestierten. Der Zahlungsdienstleister “Klarna” beendete deswegen die Zusammenarbeit mit dem Shop.
kitzVenture als Pyramidenspiel?
Zurück zum Kerngeschäft von kitzVenture. Auch hier setzten sich die juristischen Probleme fort. Die Strafe der FMA führte zu einem Betrugsprozess, der bis heute läuft. 2017 hatten sich 79 Anleger:innen gefunden, die insgesamt 176.000 Euro in das Projekt investierten. Doch die versprochenen Auszahlungen gab es lange Zeit nicht. Erst 2020 bekamen die Anleger:innen ihr Geld inklusive Zinsen zurück. Der Staatsanwalt sah im Geschäftsmodell von kitzVenture ein Pyramidenspiel, die Rückzahlungen stammen seiner Ansicht nach aus Konten des Unternehmens.
Ein weiterer Vorwurf: Werbeeinschaltungen bei mehreren Medien um rund 660.000 sollen nicht bezahlt worden sein. Landrock sieht sich als Opfer. Laut ihm habe diese Werbungen eine Person aus seinem ehemaligen Umfeld geschaltet, um ihm zu schaden. Nur bei einem “Wiener Boulevardmedium” war er selbst für die Werbung verantwortlich. Der Prozess ist aktuell wegen einer Coronaerkrankung vertagt. MOMENT hält hierzu ausdrücklich fest, dass selbstverständlich für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung gilt und das Verfahren noch nicht beendet ist.
Patrick Landrock freut sich auf die Wiederaufnahme, damit endlich “die Wahrheit ans Tageslicht kommt”. Zu diesem Zweck hat er in der Zwischenzeit auch seine ehemalige Rechtsanwaltskanzlei auf 550.000 Euro verklagt. Sie habe das Unternehmen laut Landrock fehlerhaft beraten. Er zog bis vor den OGH, der bestätigte jedoch die Urteile aus niedrigeren Instanzen, die alle gegen den Anspruch von Landrock entschieden. Wegen des Urteils kündigte er zumindest auch an, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen zu wollen.
Keine Änderung am Geschäftsmodell von kitzVenture
Am Geschäftsmodell von kitzVenture hat sich in der Zwischenzeit wenig geändert. Landrock betont im Gespräch mit MOMENT allerdings, dass sich die Ermittlungen der FMA nur auf das alte Produkt beziehen. Das sei, wie er selbst zugibt, fehlerhaft gewesen. „Diese Fehler haben wir mittlerweile aber ausgebessert. Mit unserem aktuellen Produkt hat dieses Verfahren nichts zu tun“, so Landrock.
2022 begann das Unternehmen nämlich wieder Geld bei Kleinanleger:innen zu sammeln, um in Start-ups zu investieren. Mit den Versprechungen ging man etwas zurück. Statt 9,75 Prozent lag das Angebot für die Rendite bei jährlichen 6 Prozent. Damit war man jedoch wenig erfolgreich: Von den knapp zwei Millionen Euro, die man einholen wollte, kamen bis April nur knapp 50.000 Euro zusammen. Seit Mai gibt es deswegen einen neuen Anlauf, bei dem jetzt 8 Prozent versprochen werden. Der höhere Zinssatz liege vor allem in der steigenden Inflation begründet. „Dass wir aufgrund unserer Profitabilität in der Lage sind, solche Zinssätze zu erwirtschaften und mithin anbieten zu können, dürften wir bereits bewiesen haben“, so Landrock.
In welche Start-ups mit dem Geld investiert wird, bleibt größtenteils unklar. Es gibt vor allem vage Beschreibungen: ein Unternehmen im Bereich des Handels mit Retouren hier, ein Unternehmen im Bereich Herstellung von und Handel mit Mode da. Auf Nachfrage gibt Landrock an, dass es in den nächsten Wochen mehr Informationen geben solle. Dieselbe Antwort bekamen andere Medien bereits Anfang des Jahres.
Ein “Einhorn” – also ein Unternehmen, das mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet wird – soll die Neuauflage der Marke “Schlecker” werden. “Schlecker+” wird ein “Aushängeschild für Österreich”, so Landrock. Dort soll es dann nicht mehr nur Drogerieartikel geben, sondern auch Lebensmittel, Einrichtungsgegenstände und Baumarktartikel – sowohl in Geschäften, als auch online. Ein eierlegender Wollmilchsupermarkt also.
Die Finanzierung soll bereits stehen, man habe ein Darlehen von 150 Millionen Euro von einem Familienbetrieb bekommen. Um wen es sich dabei handelt? Das verrät Landrock erstmal nicht. Der Familienbetrieb wolle nicht öffentlich auftreten.
Sieben Seiten Risiko
Über die Risiken beim Crowdinvesting werden Anleger:innen nun immerhin bereits in der Werbung informiert. Wie groß diese tatsächlich sind, lässt ein Blick in das verpflichtende Informationsblatt des Unternehmens vermuten. Auf ganzen sieben Seiten werden darin Gründe angeführt, warum man doch nicht die versprochene Rendite erhalten oder sogar die Investition verlieren könnte.
Im Informationsblatt ist auch die Bilanz des Unternehmens einzusehen. Der Gewinn von kitzVenture hat sich demnach 2021 auf 5 Millionen Euro verzehnfacht – eine Tatsache, mit der Landrock sehr offensiv wirbt. Doch aus welchen Geschäften das Geld stammt, wird nicht klar. Auf Nachfrage von MOMENT antwortet Landrock, dass sich die Gesellschaft auf Erfolgskurs befände und in Zukunft noch weiter wachsen werde.
„Österreich“ und die kitzVenture-Werbekampagne
Doch wen kümmern all diese Risiken und Details, wenn “einer der härtesten, durchsetzungsstärksten und erfolgreichsten Unternehmer” hinter dem Angebot steckt? Das erfährt man zumindest auf mehreren Titelseiten der Zeitung “Österreich”. Im April und Mai sind zumindest sechs Ausgaben mit einer ganzseitigen Werbung für kitzVenture erschienen, fünf davon am Titelblatt. Die Kosten für eine Werbung am Cover liegen laut Listenpreis bei nicht ganz 100.000 Euro. Dazu kommen jeweils noch weitere ganzseitige Werbungen auf der zweiten Seite oder der Rückseite. Auch auf oe24.at läuft regelmäßig Bannerwerbung des Unternehmens.
Für die Kampagne musste kitzVenture nicht den Listenpreis zahlen, man bekam einen Sonderpreis, wie Landrock bestätigt. Und er zeigt sich sehr zufrieden: Das Unternehmen habe “durch diese Werbeeinschaltungen bereits gute Anfragen, Aufträge und mithin neue Projekte generieren können.” Ganz billig dürfte der Werbedeal dennoch nicht gewesen sein.
Auch die Berichterstattung im Inneren der Zeitung liest sich nicht selten wie Werbung. Oe24 zeigt auf jeden Fall großes Interesse an Patrick Landrock und kitzVenture. Kein anderes österreichisches Medium berichtet so häufig über das Unternehmen und seinen CEO – und findet dabei so positive Worte. Die folgenden Beispiele liefern einen kleinen Eindruck:
Der Betrugsprozess wurde von “Österreich” intensiv begleitet. Das Videoteam von oe24.tv war bei jedem Prozesstag vor Ort und hat dabei vor allem eine Person befragt: “Patrick Landrock erwartet fairen Prozess mit Freispruch”, “Patrick Landrock zum Start von kitzVenture Prozess”, “kitzVenture: Patrick Landrock zum zweiten Prozesstag” oder auch “kitzVenture: Patrick Landrock nach dem zweiten Prozesstag” lauten die Titel der Videos. Auch Landrocks Anwalt, Manfred Ainedter, durfte zu Wort kommen. Stimmen der Gegenseite sucht man vergeblich.
Die Interviewfragen haben es dabei stellenweise in sich, wie ein Beispiel aus diesem Video (ab 0:55) zeigt: “Der Vorwurf des Pyramidenspiels scheint von Ihnen widerlegt zu sein, auch der Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs ist ja nicht mehr zu halten, nachdem das Geld schon zurückgezahlt worden ist im letzten Jahr inklusive Rendite, Zinsen und sogar inklusive Zinseszinsen. Was bleibt denn da ihrer Meinung nach heute noch über vom Vorwurf der Staatsanwaltschaft?”
Beispiele für kritische, geschweige denn negative Berichterstattung sucht man praktisch vergeblich. So wird über Landrocks “Kampf wie David gegen Goliath” – gemeint ist der Prozess gegen die ehemalige Rechtsanwaltskanzlei – zwar gleich in mehreren Artikeln berichtet. Ausgerechnet über die Niederlage in diesem Verfahren vor dem OGH findet sich aber auf oe24.at keine Meldung.
Ein kitzVenture-Lamborghini muss weg
Es ist nicht das erste Mal, dass “Österreich” auffällig positiv über ein Unternehmen berichtet, das Werbung in den Medien der Gruppe schaltet. In diesem Fall ist das allerdings noch problematischer: Das Produkt, das kitzVenture anbietet, ist riskant – selbst für den Fall, dass bei dem Unternehmen alles mit rechten Dingen abläuft. Die Geschichte des Unternehmens und seines CEOs lassen eine gesunde Skepsis als angebracht erscheinen.
In der Zwischenzeit hat sich für kitzVenture und Patrick Landrock ein weiteres Problem aufgetan. Laut Business Insider hatte der Unternehmer bei einem deutschen Apotheker Schulden von 290.000 Euro. Die sollten innerhalb von zehn Tagen gezahlt werden. Sechs Monate später betragen sie immer noch 265.000 Euro. Als eine Art “Entschuldigung” will Landrock dem Apotheker auch seinen Lamborghini für ein paar Monate zur Verfügung stellen. Den restlichen Betrag will er “selbstverständlich vollständig bezahlen”.