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Klimakrise
Kapitalismus

Warum die Klimabewegung die Klassenfrage stellen muss

Warum die Klimabewegung die Klassenfrage stellen muss
Als Positivbeispiel für Klimaaktivismus nennt Matthew Huber den Streik aus Deutschland, wo sich Fridays for Future mit Arbeiter:innen des öffentlichen Verkehrs zusammengeschlossen haben. Foto: "#WirFahrenZusammen" Fridays for Future, ver.di
Die Klimakrise verursacht weltweit bereits massives Leid. Aber die Klimabewegung kann kaum politische Erfolge im Kampf dagegen erreichen. Für Matthew Huber liegt das daran, dass sie die Klassenfrage nicht stellt. Das würde nämlich die wahren Verursacher:innen der Krise zeigen. Der Umweltwissenschafter von der US-amerikanischen Syracuse University bietet in seinem Buch “Climate Change as Class War” eine neue Sichtweise an. Im Gespräch auf MOMENT.at erklärt er sie dir.

MOMENT.at: Sie sprechen von “Klasse” im Kontext der Klimakrise. Was meinen Sie damit?

Matthew Huber: In Forschung und Medien denkt man über Klasse im Kontext Klimawandel allenfalls so nach, dass man sich den Konsum reicher Menschen ansieht und sagt: Reiche Menschen stoßen mehr Treibhausgase aus und zerstören den Planeten. Ärmere Menschen hingegen verursachen weniger Emissionen, sind somit weniger verantwortlich. 

Aus einer marxistischen Perspektive definiert sich “Klasse” aber nicht in Beziehung zu Konsum und Einkommen, sondern aus der Beziehung zu Produktionsmitteln. Da gibt es einen Klassenunterschied: wenige Menschen besitzen und kontrollieren Produktionsmittel, die Mehrheit der Gesellschaft besitzt Arbeitskraft und Fähigkeiten und verkauft diese für einen Lohn. Mir ist aufgefallen, dass niemand aus dieser Perspektive auf den Klimawandel geschaut hat. Wir müssen nicht nur darauf schauen, wie reiche Menschen Geld ausgeben, sondern wie sie es als Eigentümer:innen und Investor:innen verdienen. Diese Aktivitäten haben stärkere Konsequenzen für das Klima.

MOMENT.at: Wie genau hängen Klasse und Klimawandel zusammen?

Huber: Ich denke, die wirklichen Übeltäter der Klimakrise sind jene, die Ausstoß-intensive Produktion besitzen und von ihr profitieren. Das wird diese Klasse weiter tun, bis eine gesellschaftliche Kraft sie stoppen kann. Mein Buch ist 2022 rausgekommen, damals wurde die Kernthese mehr denn je gestützt. Öl, Gas und Kohle boomten und machten Rekordgewinne. All das, während die Wissenschaft sich einig war, welche Konsequenzen eine Wirtschaft hat, die von fossilen Brennstoffen lebt. Die Märkte haben Investor:innen aber signalisiert, dass es nicht viel Profitableres als fossile Brennstoffe gibt. 

MOMENT.at: Berücksichtigen Klimaaktivist:innen diese Perspektive?

Huber: Ich habe mein Buch teils aus Wut über die Ineffektivität der Klimabewegung geschrieben. Ich sehe wenig nüchterne Analyse dazu, warum sie verliert und keine gesellschaftliche Bewegung aufbaut. Das Buch ist eine Kritik an der Klimabewegung und ihre Einbettung in der professionellen Klasse hochgebildeter, urbaner Gruppen an Wissenschaftler:innen, NGO-Leuten, Journalist:innen, Student:innen. Die sind sich der Klimakrise sehr bewusst, tendieren aber dazu, ihren Aktivismus in Bubbles zu vollziehen. Sie denken nicht darüber nach, wie man Macht erlangen kann, um es mit sehr mächtigen Industrien aufzunehmen.

MOMENT.at: Gibt es dennoch etwas, das in die richtige Richtung geht?

Huber: Ein positives Beispiel gab es in Deutschland. Dort haben sich Klimaaktivist:innen mit Arbeiter:innen des öffentlichen Verkehrs organisiert. Sie haben gestreikt und Verkehrssysteme lahmgelegt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir brauchen eine breitere Strategie für die Klasse der Arbeiter:innen, die die große Mehrheit der Gesellschaft ansprechen kann. Die Arbeiterklasse hat Macht in der Gesellschaft. Sie macht die Arbeit, kann diese niederlegen und streiken. So kann sie Eliten dazu bewegen, ihr zuzuhören. In den letzten Jahrzehnten wurde diese Macht verringert. Wir müssen die Macht der Arbeiter:innenklasse stärken, um es mit dem Kapital aufzunehmen.

Es ist schwierig, optimistisch zu sein. Ich sehe nicht viel in der Klimabewegung, das funktioniert.

Matthew T. Huber

MOMENT.at: Was wären weitere Schritte, um eine größere Bewegung aufzubauen?

Huber: Solange wir keine starke Arbeiter:innen-Bewegung haben, werden wir nicht viel erreichen. Man sollte sich Gewerkschaften anschließen und sie unterstützen, wenn man das kann. Das Herz des Kampfes gegen die Klimakrise ist, in Infrastruktur wie öffentlichen Verkehr zu investieren. Um den Staat dazu zu bringen, braucht man eine starke Bewegung. Wir werden das nicht als reine Klimabewegung schaffen, wir brauchen eine breitere antikapitalistische Bewegung.

MOMENT.at: Sind Sie optimistisch, dass man das schaffen kann?

Huber: Wir haben in den USA gerade Trump gewählt. Es ist schwierig, optimistisch zu sein. Ich sehe nicht viel in der Klimabewegung, das funktioniert. Es gibt aber Sachen, die in die richtige Richtung gehen. Das Inspirierendste, was ich gesehen habe, sind zum einen die erfolgreichen Lehrer:innen-Streiks 2018 und zum anderen die Streiks der United Auto Workers.

MOMENT.at: Was würden Sie Personen raten, die etwas beitragen wollen?

Huber: Wir müssen uns organisieren. Man kann sich beispielsweise einer Partei anschließen. Man kann Organisationen beitreten, die sich an das ohnehin bereits überzeugte Aktivist:innen-Milieu richten.  Ich würde jedoch Organisationen empfehlen, die mit Menschen in Kontakt treten wollen, die nicht wie sie sind: Arbeiter:innen, Menschen, die nicht hochgebildet sind, Menschen, die manuelle Arbeit verrichten. Ich empfehle, einer Gewerkschaft beizutreten, wenn das möglich ist. Priorität Nummer eins ist: die Arbeiter:innen-Bewegung wieder aufzubauen.

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    Kommentare 2 Kommentare
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  • Stephan
    13.01.2025
    Ich tu mich schwer mit der Perspektive, weil es sich für mich falsch anfühlt, strategisch von außen auf Arbeiter*innen zuzugehen und ihnen zu sagen, was sie tun sollen. Und anders herum, wieso soll immer die Klima(gerechtigkeits)bewegung dies oder das tun? Wieso begreifen sich andere Milieus nicht als Teil dieser Welt und als abhängig von einem lebensfreundlichen Klima? Da wird ein irrer Druck auf eine meist linke Bubble ausgeübt, Hoffnung oder Organisation zu spenden und irgendwie ein Wunder zu vollbringen, weil andere sich nicht zuständig fühlen. Es heißt "sich organisieren" und nicht "andere organisieren". Ja, die Arbeiter*innenbewegung muss aufgebaut werden. Aber das kann nur Aufgabe der Arbeiter*innen selbst sein. Irgendwelche akademischen "Avantgarden" von Studis, Schülis, Journis und Wissenschaftler*innen können sich untereinander organisieren oder in der GEW (ja auch Arbeiter*innen), aber um zB Metaller*innen zu organisieren braucht es Metaller*innen, und Landwirt*innen brauchen Landwirt*innen. Wo sind denn die Gewerkschaften? Wieso musste "wir fahren zusammen" von den Fridays ausgehen anstatt dass Gewerkschaften von Anfang an selbstverständlich Teil der for Future Bewegung waren? Es hat sie doch niemand daran gehindert. Ich finde es natürlich trotzdem gut, dass FFF diesen Schritt gegangen ist und diese Strategie versucht.
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  • Raphro
    16.12.2024
    Danke für dieses tolle Interview! Matthew Huber spricht genau das an, da ich mir vor gut eine Jahr auch dachte. Ich habe zB Fridays for Future und die Letzte Generation unterstützt und war lange von ihrem Kampf begeistert. Doch dann habe ich für mich erkannt, dass dieser Zugang zu nichts kommt und bei einer Demo auf eine Organisation gestoßen, die genau das aufgreift, was Matthew Huber hier sagt. Zuerst war ich skeptisch aber nach intensiver Beschäftigung mit dieser Perspektive bin ich dieser Organisation beigetreten, auch weil sie viele andere essentielle Themen wie Krieg, Rassismus und Unterdrückung der Frauen grundlegender betrachten und auch stimmige Analysen und Erklärungen haben. Für alle die diese Sichtweise auch toll finden, kann ich echt wärmstens empfehlen euch mal die RKP anzusehen. Ich war mehrere Male ganz unverbindlich bei mehreren sehr strukturierten Treffen und war echt positiv überrascht von deren Arbeit.
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