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Demokratie
Klimakrise

Klimakrise: Bevölkerungswachstum und Überbevölkerung sind nicht das Problem

Klimakrise: Bevölkerungswachstum und Überbevölkerung sind nicht das Problem

Ist Überbevölkerung schuld an der Klimakrise? Diese Meinung wird häufig vertreten. Wir haben 4 Fakten für dich, warum Bevölkerungswachstum nicht das zentrale Problem ist.

Die Rechnung scheint einfach: Wir Menschen produzieren klimaschädliche Treibhausgase und haben dadurch die Klimakrise begründet. Je mehr es von uns gibt, desto mehr dieser Gase produzieren wir und desto stärker schaden wir dem Klima. Also ist es wichtig, dass die Weltbevölkerung langsamer oder gar nicht wächst.

Diese Schlussfolgerung ist weit verbreitet. So hat etwa die Primatenforscherin Jane Goodall beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2020 über die Klimakrise gesagt: “All diese Dinge wären kein Problem, hätten wir eine Bevölkerung wie vor 500 Jahren.” Im Jahr 1500 gab es 500 Millionen Menschen – heute sind es fast 8 Milliarden.

Natürlich sind mehr Menschen nicht besser für das Klima. Doch manchmal sind so einfache Schlussfolgerungen wie jene von Jane Goodall nicht nur falsch, sondern können auch schädlich sein. Wir erklären dir in 4 Punkten, warum das so ist.

#1 Das Bevölkerungswachstum wird zurückgehen

Die verschiedenen Prognosen unterscheiden sich etwas, aber in einer Sache sind sie sich einig: Das Bevölkerungswachstum geht nicht ewig weiter. Die UNO schätzt etwa, dass sich die Bevölkerung um 2100 bei 11 Milliarden Menschen einpendeln wird, wie du an der Grafik unten siehst. Ein Studie der Universität von Seattle schätzt sogar, dass die Bevölkerung bereits ab dem Jahr 2064 schrumpfen wird und sich dann bei 8,8 Milliarden Menschen einpendelt. 

https://app.23degrees.io/embed/iIUAJLBFgVbINFUL-line-entwicklung-der-weltbevoelkerung

Der Grund dafür ist, dass die Geburtenraten bereits jetzt stark zurückgehen. Weltweit bekommen Frauen durchschnittlich 2,37 Kinder, 2100 könnte der Wert bei nur mehr 1,66 liegen. In ärmeren Ländern ist diese teilweise immer noch recht hoch, südlich der Sahara liegt er bei 4,6 Kinder pro Frau. Ärmere Frauen bekommen bis zu drei Mal so viele Kinder, weil es ihnen an Zugang zu Verhütung und Aufklärung mangelt. Außerdem dienen Kinder der sozialen Absicherung. Doch auch in solchen Regionen wird die Geburtenrate zurückgehen, so Expert:innen.

#2 Reiche haben einen viel größeren Einfluss auf das Klima

Auch wenn Frauen in armen Regionen jetzt noch mehr Kinder bekommen: Der Einfluss dieser Kinder auf das Klima ist wesentlich kleiner, als in reichen Gebieten. Denn die reichsten zehn Prozent verursachen weltweit die Hälfte des CO2-Ausstoßes durch Konsum. Das ärmste Zehntel verursacht im Vergleich nur ein Prozent. 

 

Es kommt also darauf an, wo ein Kind zur Welt kommt. Ein Kind, das in den USA zur Welt kommt, wird nach Schätzungen 168 Mal so negative Auswirkungen auf das Klima haben, wie ein Kind das in Bangladesch zur Welt kommt. In diesem Fall können wie so oft ökologische und soziale Fragen nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Das geschieht bei der Gleichsetzung von Bevölkerungswachstum und Überbevölkerung mit Gründen für die Klimakrise jedoch. Indem man die wachsende Bevölkerung direkt mit der Klimakrise in Verbindung bringt, fällt die Schuld – und Lösung – des Problems den armen Regionen der Welt zu.

#3 Die Auswirkung von „Überbevölkerung“ ist bereits widerlegt

Schon im 18. Jahrhundert warnte der britische Ökonom Thomas Malthus davor, dass die Nahrungsmittelproduktion nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten kann  – Hungersnöte seien die Folge. Seine Lösung: Weniger Menschen. Arme und Schwache sollten, etwa durch die Abschaffung der Armenhilfe, “geopfert” werden. Auch Kriege sah er als „Korrektur“ dieses Problems.

Dieses Konzept hat sich bis heute in den Köpfen der Menschen gehalten. Dabei wurde es schon durch die Geschichte widerlegt.  Denn der Anteil der an Hunger leidenden Menschen ist immer weiter zurückgegangen. Und schon jetzt könnten wir eigentlich 10 Milliarden Menschen mit den Lebensmitteln ernähren, die wir produzieren. 

#4 Rassist:innen benutzen die Angst vor der Überbevölkerung

Bei rassistischen Bewegungen ist Bevölkerungspolitik, mittlerweile häufig getarnt als Umwelt- oder sogar Klimaschutz, sehr beliebt. Das Manifest des rechtsextremen Christchurch-Attentäters begann etwa mit den Worten “Es sind die Geburtenraten”. Die Schlussfolgerungen aus der vermeintlichen Überbevölkerung richten sich aber fast immer gegen andere, „ungewollte“ Gruppen – nie gegen die eigene. Rechtsextreme verwenden den Mythos der Überbevölkerung, um ihre sozialdarwinistischen Ansichten zu verbreiten und Angst vor der Zerstörung des eigenen Lebensraums zu schüren. Dabei müssten sie sich eigentlich vor allem selbst dafür verantwortlich machen.

Bevölkerungswachstum und Klimakrise: Nicht die anderen sind schuld

Würde man tatsächlich durch irgendeine Art von Bevölkerungspolitik das Klima schützen wollen, müsste man in westlichen Industrienationen ansetzen und darf nicht die Schuld auf andere abwälzen. Denn die VerursacherInnen sitzen überwiegend im globalen Norden. Und auch hier haben einige wenige den größten Einfluss: Die reichsten 1 Prozent der Welt produzieren alleine 30 mal so viel CO2 wie die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung.

Wer also meint, dass Überbevölkerung das zentrale Problem für unser Klima ist, verkennt die Tatsachen. Mehr noch: Man bedient fast immer rassistische und jedenfalls immer ganz allgemein menschenfeindliche Argumentationsmuster und verortet die Schuld bei den eigentlich Leidtragenden, während man sich selbst als bedroht darstellt.

Zu viele? Das sind immer nur die anderen.

Der Artikel ist die aktualisierte Fassung eines Beitrags, der 2020 auf moment.at erschienen ist.

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