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Klimakrise

Wie China die restliche Welt bei Erneuerbaren abhängt

Industrieviertel von China.
Wenn es um das Klima geht, wird oft auf den Klimaschutz in China verwiesen. Sollen die doch erstmal was machen, bevor wir uns anstrengen. Nur: Wie weit ist China eigentlich beim Klimaschutz?

“Klebt euch doch in China auf die Straße, dort sollen sie endlich was machen!” Solche und ähnliche Kommentare liest man oft genug, wenn es um Maßnahmen gegen die Klimakrise geht. Der Tenor ist immer dieselbe: Wir im kleinen Österreich können das Klima nicht retten. Das können nur Länder wie China schaffen und die machen doch nichts. Oder?

Diese Argumentation läuft aus vielen Gründen an der Realität vorbei. Für diesen Artikel nehmen wir sie einfach mal so hin. Also: Wie steht es um den Klimaschutz in China?

Eines vorweg: Es gibt genügend Gründe, um das chinesische Regime zu verurteilen. Im Kampf gegen die Klimakrise benötigen wir die Bemühungen des Landes jedoch mehr als dringend. Denn China ist mit Abstand das Land mit dem höchsten Anteil an CO2-Emissionen weltweit.

Allerdings ist nicht schwer zu verstehen, dass China mit 1,4 Milliarden Menschen mehr CO2 ausstößt als die USA mit 330 Millionen oder Österreich mit 9 Millionen. Europa sieht hier nur besser aus, weil es sich in viele kleine Staaten zerteilt, nicht weil es sich so viel nachhaltiger verhält. Umgerechnet auf den CO2-Ausstoß pro Kopf ist China nicht mehr Spitzenreiter. 

Dabei zu beachten ist, dass für unseren Konsum sehr viel in China produziert wird. Dadurch steigt natürlich auch der CO2-Ausstoß pro Kopf an, obwohl wir ihn eigentlich zumindest mitverursachen. Bei den kumulierten Treibhausgasen seit 1850 sind die USA mit 21 % weit vorne, gefolgt von China mit 12 %. Auch hier gilt: Europa als Ganzes gesehen gehört wäre historisch eine der schlimmsten CO2-Schleudern.

Es ist aber natürlich trotzdem von großer Bedeutung, was in China passiert. Und tatsächlich passiert dort sehr viel – in atemberaubender Geschwindigkeit.

Klimaschutz in China: Rekordausbau von erneuerbarer Energie

Beim Ausbau von erneuerbarer Energie stellt China die ganze Welt in den Schatten. Zwischen 2020 und 2022 wurden jährlich rund 140 Gigawatt(GW) an Kapazitäten dazu gebaut. Zum Vergleich: In der EU waren es zwischen 30 und 40. China hat in diesem Zeitraum mehr Erneuerbare hinzugefügt als die gesamte EU, USA und Indien zusammen:

Die Schätzung für 2023 wurde mittlerweile angepasst – und wird wohl stark nach oben korrigiert werden. Denn der Ausbau in China passiert viel schneller als erwartet. In den ersten 4 Monaten des Jahres wurden fast dreimal so viel neue Photovoltaik-Kapazitäten gebaut als erwartet. 154 GW könnten es 2023 werden  – wesentlich mehr, als die USA insgesamt installiert haben. 2024 könnte der Wert auf 200 bis 300 GW steigen.

Davon profitiert das Land auch wirtschaftlich. China hat seit 2011 über 50 Milliarden Dollar in die Produktion von Photovoltaikanlagen investiert und hat damit rund 300.000 Jobs geschaffen. Das Land dominiert den Markt und hat über alle Produktionsschritte hinweg einen Marktanteil von 80%. Durch diese Investitionen hat China den Preis für Anlagen wesentlich schneller sinken lassen als prognostiziert wurde. Das hat jedoch laut Internationaler Energiebehörde (IEA) auch eine Schattenseite: Je konzentrierter die Liefer- und Produktionskette, desto leichter kann sie auch brechen.

Klimapolitik in China: Klimaschutz auf Schiene

China hängt auch alle anderen Länder bei Windkraft ab. 2022 wurden weltweit Kapazitäten von 9,4 GW durch Offshore-Windparks ausgebaut, 6,8 davon entfielen auf China. Fast die Hälfte der weltweiten Kapazitäten aus Offshore-Windparks befinden sich mittlerweile in China. Inklusive der Windkraftwerke an Land hat sich die Kapazität seit 2017 auf 310 GW verdoppelt – so viel, wie die nächsten sieben top Länder kombiniert.

Kein anderes Land gibt so viel Geld für den Umstieg auf erneuerbare Energie aus wie China. 2022 waren es 550 Milliarden Dollar – das ist etwa die Hälfte der Ausgaben für Erneuerbare weltweit. Dadurch übertrifft das Land die selbst gesetzten Ziele ziemlich deutlich. Bei Photovoltaik und Windkraft erreicht China die für 2030 geplanten 1200GW bereits 2025. Bis 2060 soll das Land CO2-neutral werden – das könnte es so 2050 schaffen.

Auch bei anderen Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise ist das Land mittlerweile führend. China hat sein Hochgeschwindigkeits-Schienennetz seit 2008 massiv ausgebaut. Mittlerweile verfügt das Land über das längste Schienennetz dieser Art. Und der Ausbau geht weiter: Bis 2035 sollen alle Städte über 200.000 Einwohner:innen an das Netz angebunden sein. Dann soll das Eisenbahnnetz auf 200.000 Kilometer angewachsen sein. In Ländern wie Österreich ist das Schienennetz hingegen kontinuierlich zurückgebaut worden.

China setzt auch auf ambitionierte Aufforstungsprogramme. Bis 2025 sollen etwa 33 Millionen Hektar aufgeforstet werden. Daran setzt es aber auch Kritik. China ist gleichzeitig der weltweit größte Importeur von Holz – und vieles davon stammt aus tropischen Wäldern, die besonders wichtig im Kampf gegen die Klimakrise sind. 

Gut, aber auch gut genug?

So positiv viele dieser Zahlen wirken, gibt es dennoch genug zu tun. Ein Blick auf die Energiequellen Chinas zeigt, dass das Land immer noch extrem stark auf fossile Brennstoffe angewiesen ist. Mehr als 70 % der Energie stammt aus Öl und Kohle. 

Speziell bei Kohle ist kein Rückgang in Sicht, im Gegenteil: China investiert weiter in den Neubau von Kohlekraftwerken. Im ersten Quartal 2023 wurden mehr Kraftwerke genehmigt, als 2021 zusammen. Das hängt auch mit der Klimakrise selbst zusammen. Einerseits steigen die Spitzenbelastungen der Stromnetze wegen höher Temperaturen und stärkerer Nutzung von Klimaanlagen an. Andererseits erlebte das Land durch die schlimmste Hitzewelle seit Beginn der Aufzeichnungen 2022 auch eine starke Dürre. Dadurch sank die Stromerzeugung durch Wasserkraft.

Die stärkere Nutzung von Kohlekraft dient also vor allem der Stabilisierung der Stromversorgung. Daran ist auch ein veraltetes Stromnetz und die ungleiche Verteilung von Kraftwerken im Land schuld. Schreitet der Ausbau von erneuerbarer Energie weiterhin so voran, könnten diese Kohlekraftwerke in Zukunft aber obsolet werden.

Klimaschutz in China: Auf die anderen zeigen reicht nicht

Bei all den Problemen macht China dennoch große Fortschritte beim Klimaschutz – wesentlich mehr, als andere Länder von sich behaupten könnten. Das Argument, dass China doch endlich etwas machen müsse, fällt da ziemlich schnell in sich zusammen.

Darüber hinaus sollte man auch nicht vergessen, warum Chinas Emissionen so hoch sind. Unser Konsum treibt den CO2-Ausstoß in China und anderen Ländern an. Wer “Aber China!” ruft, muss sich also automatisch auch an der eigenen Nase nehmen.

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